Wurden die Thurgauer Wahlen gefälscht?
FRAUENFELD. Wurde die Wahl in den Grossen Rat des Kantons Thurgau manipuliert? Mit dieser Frage muss sich diese Woche das Bezirksgericht Frauenfeld befassen.
Bei den Grossratswahlen im Kanton Thurgau im März 2020 ist es laut Staatsanwaltschaft zu Wahlfälschungen gekommen. Dadurch wurde der SVP zu Ungunsten der Grünliberalen ein Sitz zugesprochen. Die Staatsanwaltschaft wirft Ralph Limoncelli, dem ehemaligen Stadtschreiber der Stadt Frauenfeld, vor, er habe Wahlzettel vernichtet und durch andere ersetzt. Sie wirft ihm qualifizierte Wahlfälschung vor und beantragt eine bedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie eine Busse von 3000 Franken.
Limoncelli bestreitet die Vorwürfe. Die einzige Erklärung des Beschuldigten für die falsch abgelegten Wahlzettel sind die Nummern der Wahllisten. Die GLP-Liste 6 und SVP-Liste 9 könnten verwechselt worden sein. «Wenn man eine 6 auf den Kopf stellt, sieht sie aus wie eine 9.» Somit könnte ein 100er-Stapel von Wahlzetteln auf der falschen Beige abgelegt worden sein.
Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. «Der 15. März 2020 war ein rabenschwarzer Tag für die Demokratie», sagte Generalstaatsanwalt Stefan Haffter. Der Beschuldigte habe die Nachzählungen in der Woche nach dem Wahlsonntag nicht gesetzeskonform durchgeführt. Zudem habe er später dafür sorgen wollen, dass die Staatskanzlei keine Strafanzeige einreicht. Er habe ausserdem die Gelegenheit beim Schopf packen wollen, eine offene Rechnung mit der GLP zu begleichen. Diese sei aus seiner Sicht dafür verantwortlich, dass er bei den Wahlen 2016 nicht mehr als CVP-Kantonsrat wiedergewählt wurde, weil die Grünliberalen sein Doppelmandat als
Kantonsrat und Stadtschreiber in Frage gestellt hatten.
Der Verteidiger von Limoncelli betonte, dass es nicht um eine politische Frage gehe, sondern nur darum, ob eine strafrechtliche relevante Handlung stattgefunden habe. Dem sei nicht so. Er verlangte einen vollumfänglichen Freispruch. Sein Klient habe auf Aufforderung der Staatskanzlei gehandelt und diese jeweils auch aufgefordert, bei Überprüfungen der Wahlzettel beizuwohnen. Das hätte er wohl nicht gemacht, wenn er etwas manipuliert hätte. Dem Verteidiger ist nicht klar, weshalb nur sein Klient als Täter in Frage kommt. «Es waren gut hundert Personen im Wahlbüro.» Die Hauptverhandlung wurde gestern Abend geschlossen. Das Urteil wird heute Nachmittag mündlich eröffnet.