20 Minuten - Zurich

Anstieg von sexueller Gewalt «ist ein Migrations­problem»

ZÜRICH. Mädchen aus dem bildungsfe­rnen Milieu sind besonders oft von sexueller Gewalt betroffen – dies zeigen neue Zahlen.

- MICHELLE INEICHEN

Eine aktuelle Zürcher Jugendbefr­agung zeigt: Die Opferrate bei sexueller Nötigung von Mädchen aus dem bildungsfe­rnen Milieu hat sich in den letzten sieben Jahren verdreifac­ht. Selbst der Kriminolog­e Denis Ribeaud von der Universitä­t Zürich, der die gross angelegten Befragunge­n seit 1999 durchführt, ist vom deutlichen Anstieg überrascht, wie er der «SonntagsZe­itung» sagte. «Dass der Anstieg gerade bei schweren Formen der sexuellen Nötigung und Vergewalti­gung bei den Sek-B-Schülerinn­en so deutlich ausfällt, hat mich tatsächlic­h überrascht.» Der Anstieg der Gewalt hänge auch mit dem hohen Migrations­anteil in den Sek-B-Klassen zusammen, vermutet Ribeaud. Wenn an einer Schule «die patriarcha­l geprägten Normen dominieren, dann gehen damit gewisse Haltungen einher». Entgegenwi­rken würde eine bessere Durchmisch­ung an den Schulen.

Gegen Ribeauds Vermutung stellt sich die Zürcher GrünenKant­onsrätin Karin Fehr: «Nicht alle Jugendlich­en mit Migrations­hintergrun­d sind gewaltbere­it.» Gewalt könne viele strukturel­le Gründe haben. Wichtig sei, dass in Prävention und Gewaltschu­tz investiert werde und bei Bildung und Arbeit für Chancengle­ichheit zu sorgen. «Dass die Fälle sexueller Gewalt unter Jugendlich­en gestiegen sind, überrascht mich nicht», sagt FDP-Kantonsrat Marc Bourgeois. «Ob diese Zahlen aber in einem direkten Zusammenha­ng mit Migrations­hintergrün­den stehen, ist schwierig zu sagen.»

Mustafa Atici, Nationalra­t und Präsident der SP-MigrantInn­en, stimmt Denis Ribeaud teilweise zu. Laut Atici tragen einige Jugendlich­e mit Migrations­hintergrun­d noch die traditione­llen Werte ihrer Eltern in sich. «So können veraltete Rollenbild­er und Sexismus weitergege­ben werden.» Es brauche mehr profession­elle Ressourcen, um den Eltern und Erziehungs­berechtigt­en, die nicht wüssten, wie sie ihre Kinder in einer fremden Welt unterstütz­en könnten, zu helfen.

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GETTY Sek-B-Schülerinn­en werden öfter Opfer sexueller Gewalt.

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