Anstieg von sexueller Gewalt «ist ein Migrationsproblem»
ZÜRICH. Mädchen aus dem bildungsfernen Milieu sind besonders oft von sexueller Gewalt betroffen – dies zeigen neue Zahlen.
Eine aktuelle Zürcher Jugendbefragung zeigt: Die Opferrate bei sexueller Nötigung von Mädchen aus dem bildungsfernen Milieu hat sich in den letzten sieben Jahren verdreifacht. Selbst der Kriminologe Denis Ribeaud von der Universität Zürich, der die gross angelegten Befragungen seit 1999 durchführt, ist vom deutlichen Anstieg überrascht, wie er der «SonntagsZeitung» sagte. «Dass der Anstieg gerade bei schweren Formen der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung bei den Sek-B-Schülerinnen so deutlich ausfällt, hat mich tatsächlich überrascht.» Der Anstieg der Gewalt hänge auch mit dem hohen Migrationsanteil in den Sek-B-Klassen zusammen, vermutet Ribeaud. Wenn an einer Schule «die patriarchal geprägten Normen dominieren, dann gehen damit gewisse Haltungen einher». Entgegenwirken würde eine bessere Durchmischung an den Schulen.
Gegen Ribeauds Vermutung stellt sich die Zürcher GrünenKantonsrätin Karin Fehr: «Nicht alle Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind gewaltbereit.» Gewalt könne viele strukturelle Gründe haben. Wichtig sei, dass in Prävention und Gewaltschutz investiert werde und bei Bildung und Arbeit für Chancengleichheit zu sorgen. «Dass die Fälle sexueller Gewalt unter Jugendlichen gestiegen sind, überrascht mich nicht», sagt FDP-Kantonsrat Marc Bourgeois. «Ob diese Zahlen aber in einem direkten Zusammenhang mit Migrationshintergründen stehen, ist schwierig zu sagen.»
Mustafa Atici, Nationalrat und Präsident der SP-MigrantInnen, stimmt Denis Ribeaud teilweise zu. Laut Atici tragen einige Jugendliche mit Migrationshintergrund noch die traditionellen Werte ihrer Eltern in sich. «So können veraltete Rollenbilder und Sexismus weitergegeben werden.» Es brauche mehr professionelle Ressourcen, um den Eltern und Erziehungsberechtigten, die nicht wüssten, wie sie ihre Kinder in einer fremden Welt unterstützen könnten, zu helfen.