Den Sprung nach Bern geschafft
Eine grüne Frau vom Land, die sowohl bei Bauern wie Städtern punktet: Die Wahl von Christine Badertscher in den Nationalrat ist Resultat von geschickter Positionierung und gutem Timing.
Jung, grün, weiblich: NeuNationalrätin Christine Badertscher trifft den Zeitgeist. Dabei ist die Bauerntochter inhaltlich nicht immer auf der Parteilinie.
Es gibt Entwicklungen, die kann man nicht voraussehen – aber man kann sie erahnen. Und sich in eine günstige Position bringen. «Vor vier Jahren hatte ich ja keine Chance», sagt Christine Badertscher. Nun aber zieht sie als erste weibliche und derzeit einzige Vertreterin des Oberaargaus ins Bundeshaus. «Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort», analysiert Badertscher ihren Wahlerfolg, mit dem sie selber nicht gerechnet hat.
Zur richtigen Zeit, weil der Sprung junger grüner Frauen ins Parlament nach Frauenstreik und Klimademos eine logische Folge war. Und am richtigen Ort, weil ihre Partei die 37-Jährige gut aufgestellt hat: Der dritte Platz auf der Grünen Liste war eine prominente Positionierung. Badertscher war kein Shootingstar der Grünen, sie hat jedoch durch ihre Vernetzung in unterschiedlichen Milieus viele Stimmen für ihre Partei holen können.
Dem Landleben verbunden
Da sind einerseits die urbanen grünen Stammwähler. Dank ihrer Arbeit im Hilfswerk Swissaid trifft sie bei ihnen einen Nerv. Auf der anderen Seite sind es die Wähler auf dem Land, bei denen ihre Arbeit im Berner Bauernverband und ihre bäuerliche Herkunft durchaus zählen. Badertscher hat trotz Studium in Wädenswil und Jobs in der Hauptstadt dem Landleben den Rücken nie gekehrt – so etwas vergisst man nicht. Während Jahren hat sie auf dem elterlichen Biohof mitgearbeitet, heute noch lebt sie in Madiswil.
Die jahrelange Aufbauarbeit, die sie nun ins Bundeshaus gebracht hat, war für die breite Masse nicht immer sichtbar. Die Wahl in den Kantonsrat hat Badertscher zweimal knapp verpasst, ihr bisher einziges politisches Amt war als Gemeinderätin in Madiswil zwischen 2011 und 2018. Exekutiverfahrung, ist sie überzeugt, täte jedem Parlamentarier gut: «Das zentriert.» Die Einbindung schwäche extreme Positionen ab. Sie habe im Übrigen damals als unerfahrene 28-jährige grüne Gemeinderätin viel Offenheit und Toleranz erlebt. «Die sogenannten verknorzten Konservativen auf dem Land sind oft toleranter als Leute in der Stadt, die in ihrem eigenen Kuchen drin sind.»
Brücken bauen
Das Wandeln zwischen verschiedenen Welten hat Badertscher offenbar nie gestört. So hat sie zunächst einmal eine KV-Lehre absolviert, bevor sie Umweltingenieurwesen
«Die sogenannten verknorzten Konservativen auf dem Land sind oft toleranter als Leute in der Stadt.»
Christine Badertscher
und dann Agrarwissenschaften studiert hat. Sie hat ein halbes Jahr in Kamerun gelebt, wo ihre Faszination für Afrika und Fragen der internationalen Zusammenarbeit herstammen. Beim Bauernverband, wo sie zwei Jahre in der Geschäftsleitung sass, habe sie Beziehungen geknüpft. «Dort lernt man das halbe Parlament kennen», sagt sie und lacht.
Als Präsidentin der Grünen Oberaargau und heutige Vizepräsidentin der kantonalen Partei lernte sie den Politikbetrieb von innen her kennen. Dazu kam die Arbeit als persönliche Mitarbeiterin des damaligen Nationalrats Alec von Graffenried, wo sie Einblick in die Arbeit der Grossen Kammer erhielt. «Ich denke, das war eine gute Vorbereitung für das, was nun auf mich zukommt.» Und das heisst für Badertscher: Brücken bauen. Innerhalb der Fraktion werde sie in landwirtschaftlichen Fragen wohl manchmal etwas ausscheren. «Es wird meine fraktionsinterne Aufgabe sein, die Sicht der Landwirtschaft einzubringen.» Hinzu kommt die Aussicht, Einsitz in die Aussenpolitische Kommission zu erhalten. Sie habe das Gefühl, die Aussenpolitik habe im Parlament an Gewicht verloren. «Es heisst immer:
Schweiz, Schweiz, Schweiz.» Sie wolle dem etwas entgegensetzen, vor allem auch, weil die Kompetenz in Sachen Entwicklungszusammenarbeit im Parlament abgenommen habe. Mit der Konzernverantwortungsinitiative
stehe eine für die Grünen wichtige Abstimmung an, und auch Fragen der internationalen Steuerpolitik würden wichtiger.
Zunächst geht es aber um praktische Fragen. Die Tage während der Sessionen starten früh und enden spät, von Madiswil aus mit dem Zug pendeln kann mühsam werden. Eine Situation, die bezeichnend ist für Badertscher: Sie ist vom äussersten Rand des Kantons ins Herz des Landes gerückt.
Christine Badertscher zieht als derzeit einzige Vertreterin des Oberaargaus ins Bundeshaus.