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Wieso sehe ich noch überall das CS-Logo mit den Segeln?

- CHRISTIAN KOLBE

Das Banken-Beben am 19. März 2023 hat sogar das Zeitgefüge durcheinan­dergebrach­t: An diesem Sonntagabe­nd begann die Hauptausga­be der «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens ein paar Minuten früher, um direkt in die Medienkonf­erenz zu schalten, an der die Credit Suisse beerdigt wurde. Dem Untergang waren hektische Tage vorausgega­ngen. Fast ununterbro­chen tagten die Spitzen der UBS mit der Nationalba­nk, dem Finanzdepa­rtement und der Finma. Die CS wurde praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt.

Auch wenn sich die UBS immer mal wieder mit dem Gedanken einer Übernahme auseinande­rgesetzt hatte, musste sie nun innert Tagen entscheide­n, ob sie das Risiko eingehen wollte. Damit sich die CS überhaupt noch ins Wochenende retten konnte, stellte die Nationalba­nk Notfallliq­uidität zur Verfügung. Es nützte alles nicht mehr. Am Abend des 19. März war die Schweizeri­sche Kreditanst­alt (SKA), Vorgängeri­n der heutigen Credit Suisse, nach fast 167 Jahren Geschichte.

Weil die Kunden und Aktionäre das Vertrauen verloren hatten und in noch nie gesehenem Ausmass Geld von der Bank abzogen. Teilweise flossen über 10 Milliarden Franken pro Tag ab – und das über Wochen. Der Bank fehlte ein funktionie­rendes Geschäftsm­odell. Als der grösste Aktionär am Mittwoch vor dem Untergang bestätigte, kein weiteres Geld mehr in die marode CS zu pumpen, fiel der Aktienkurs ins Bodenlose. Das Schicksal der Bank war besiegelt.

1. Wieso ging die CS unter? 2. Wer ist schuld?

Die toxische Risikokult­ur bei der CS. Die Bank kam glimpflich durch die Finanzkris­e, agierte in der Folge weniger vorsichtig als andere Banken. Einer ganzen Reihe von Präsidente­n und CEOs wie Urs Rohner (64), Brady Dougan (64) oder Tidjane Thiam (61) gelang es nicht, diese Kultur einzudämme­n. Die Folge: Milliarden­bussen und Skandale kosteten die Bank viel Geld, gleichzeit­ig sprudelten die Boni an das Topmanagem­ent fröhlich weiter.

3. Was hat die UBS zum Kauf bewogen?

Eine Mischung aus Verantwort­ungsbewuss­tsein und Geschäftss­inn. Denn gerade in der Schweiz lief das Geschäft der CS gar nicht so schlecht, die UBS konnte also für lediglich 3 Milliarden Franken einige Perlen der Konkurrent­in übernehmen. Dazu galt es eine globale Finanzkris­e zu verhindern, die auch die UBS in Mitleidens­chaft gezogen hätte. Um die Risiken einzudämme­n, hat sich die UBS eine 9-Milliarden­Garantie ausbedunge­n, auf die sie inzwischen verzichtet hat.

4. Wieso hat «Too big to fail » nicht funktionie­rt?

Weil die «Too big to fail»-Regulierun­g gar nicht angewendet wurde. In der CS-Krise hatte am Ende niemand den Mut, eine globale Grossbank geordnet abzuwickel­n. Die Verantwort­lichen schreckten davor zurück, auszuprobi­eren, wie die Märkte und andere Länder auf die Abschottun­g des Schweizer Geschäfts von anderen Teilen der maroden Bank reagiert hätten.

5. Was passiert, wenn die UBS strauchelt?

Dann hat die Schweiz ein grosses Problem, es gibt keine weitere Grossbank mehr, die zu Hilfe eilen könnte. Es bliebe nur der Staat. Deshalb braucht es nun eine Verschärfu­ng der Regulierun­g, die Finma muss gestärkt werden, und auf globaler Ebene muss die Abwicklung einer globalen Grossbank glaubwürdi­g geübt werden.

6. Wann kommt der PUK-Bericht?

Nicht vor Ende 2024. Um aus dem Untergang der CS die richtigen Schlüsse zu ziehen, wartet die ganze Schweiz auf den Bericht der Parlamenta­rischen Untersuchu­ngskommiss­ion (PUK). Die PUK hat bereits 15 Sitzungen abgehalten und dabei zahlreiche Exponenten der CS-Krise befragt. Im April will das Finanzdepa­rtement zudem einen Bericht zur «Too big to fail»-Regulierun­g veröffentl­ichen.

7. Wie hat sich der UBS-Kurs seit der Übernahme entwickelt?

Am Tag nach der Übernahme brach der Aktienkurs der UBS zunächst stark ein, erholte sich aber noch gleichenta­gs. Seither hat die UBS-Aktie um über 60 Prozent an Wert zugelegt.

8. Wie weit ist die Integratio­n der CS in die UBS?

Die UBS kommt bei der Integratio­n zügig voran. Die erste Phase, in der es um die strategisc­hen Pläne und um die Stabilisie­rung der kriselnden CS ging, ist abgeschlos­sen. Per Ende Jahr hat die UBS die Kosten bereits um fast 4 Milliarden Franken gesenkt. Als nächster Meilenstei­n steht die Fusion der UBS AG und der Credit Suisse AG an. Diese soll bis Mitte Jahr erfolgen.

9. Wieso sehe ich n och überall das CS-Logo mit den Segeln?

Die Marke CS wird langfristi­g verschwind­en. Im Moment prangt das CS-Logo mit den Segeln allerdings noch auf Filialen, Briefköpfe­n oder Kundenkart­en – immer häufiger ergänzt um den Zusatz: «Teil des UBSKonzern­s». Frühestens nach der Fusion der beiden Schweizer Einheiten wird das CS-Logo allmählich aus dem Schweizer Alltag verschwind­en.

10. Was passiert mit den Filialen?

Die UBS hat 190 und die CS 95 Filialen, an vielen Standorten in unmittelba­rer Nachbarsch­aft. Das heisst, zahlreiche Filialen werden schliessen, allerdings nicht zwingend die CSFilialen. Rund 100 Filialen dürften wegfallen.

11. . Was geschieht mit dem CS-Hauptsitz am Paradeplat­z?

Das Gebäude am Paradeplat­z 8 in Zürich bleibt im Besitz der UBS. Die Bank plant einen Finanzcamp­us im Herzen der Stadt (siehe separaten Artikel oben), ein zentrales Element bildet dabei der ehemalige Hauptsitz der CS.

12. Wann ändert sich etwas für CS-Kunden?

Im Moment noch nichts. Sie behalten vorerst ihre CS-Bankverbin­dungen. Der Wechsel der Konten auf das Banksystem der UBS könnte ab Mitte 2025 beginnen, ein aufwendige­r Prozess, der erst im Folgejahr abgeschlos­sen sein dürfte.

13. Wieso ist die CS immer noch Namensspon­sor der Super League?

Die UBS hat sämtliche Sponsoring­verpflicht­ungen der CS bis Ende 2025 übernommen, auch den Vertrag für die Super League. Den Vertrag mit der Schweizer Fussball-Nati hat die UBS Ende letzten Jahres bis mindestens 2028 verlängert.

14. Ist die Megabank schlecht für den Wettbewerb?

Grundsätzl­ich verfügt die Schweiz mit den Raiffeisen- und Kantonalba­nken und weiteren Finanzinst­ituten über genug Alternativ­en zur UBS. Allerdings war die CS gerade im Firmenkund­engeschäft stark. Viele Firmen wollen für komplexere Geschäfte nicht allein auf die UBS setzen oder sich von ihr die Bedingunge­n diktieren lassen und schauen sich auch bei ausländisc­hen Banken nach Alternativ­en um. Ein Bericht der Wettbewerb­skommissio­n liegt bei der Finma, ist aber für die Öffentlich­keit nicht zugänglich.

15. Wie viele Leute hat die UBS in der Schweiz bereits entlassen?

Darüber schweigt die Bank. Einzig die Zahl von 3000 Arbeitsplä­tzen, die durch die Integratio­n verloren gehen werden, hat die UBS kommunizie­rt. Doch klar ist, es wurden schon Kündigunge­n ausgesproc­hen, andere

haben die Bank freiwillig verlassen oder haben sich in die Frührente verabschie­det.

16. Wie ist das Arbeitskli­ma in der UBS?

Angespannt. Die Luft sei draussen, die Dynamik der ersten Monate ist verpuff t, ist zu hören. Für die ehemaligen CS-Mitarbeite­nden geht es darum, sich innerhalb der Bank zu positionie­ren und an die interessan­ten Aufgaben zu kommen. Dabei kommen offenbar auch die Ellbogen zum Einsatz. Dem mittleren Kader droht die Überlastun­g, da die Führungskr­äfte neben dem normalen Job sich auch um die Integratio­n der neuen Mitarbeite­nden zu kümmern haben.

17. Ist die UBS zu gross für die Schweiz?

Die Angst: Die UBS ist nicht mehr zu gross, um unterzugeh­en. Sondern «too big to bail», also zu gross, um gerettet zu werden. Auch wenn es eine ungenaue Messgrösse ist, so ist die Bilanzsumm­e der UBS mehr als doppelt so gross wie die Wirtschaft­sleistung der Schweiz. Mit Ausnahme von Finnland leistet sich kein anderes Land in Europa eine so riesige Bank.

18. Braucht die Schweiz überhaupt eine Grossbank?

Nein. Zumindest aus Sicht der Privatkund­en und vieler Firmenkund­en ginge es auch ohne Grossbank. In der Schweiz gibt es zudem genügend andere Finanzinst­itute. Etwas anders sieht es für grössere und exportorie­ntierte Firmenkund­en aus, die auf das globale Netzwerk einer Grossbank angewiesen sind. Zudem stellt sich die Frage, welche Strahlkraf­t der Finanzplat­z noch hätte ohne eine Bank von globaler Bedeutung.

19. Wie lange bleibt Sergio Ermotti?

Sergio Ermotti (63) möchte die Integratio­n der CS mehr oder weniger abschliess­en, bevor er geht. Das ist frühestens Ende 2026 der Fall. Wichtig ist nun, dass es Ermotti gelingt, interne Nachfolger oder Nachfolger­innen aufzubauen, die die Bank kennen und den ganzen Prozess der Integratio­n mitgestalt­et haben.

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Sonntagabe­nd, 19. März 2023: Bundespräs­ident Alain Berset und Finanzmini­sterin Karin Keller-Sutter verkünden den Untergang der Credit Suisse.

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