Blick-Benoit feiert seinen 800. GP
Was für ein unglaubliches Jubiläum: Am Sonntag feiert Roger Benoit in Australien seinen 800. GP. Hier erzählt er seine besten Anekdoten aus über einem halben Jahrhundert Formel 1.
Lieber Roger, ich möchte heute mit dir über den Journalisten Benoit reden.
Roger Benoit: Muss das sein? Ja, denn der GP von Australien am Sonntag wird dein 800. sein, an dem du als Journalist vor Ort bist. 800. GP – was macht diese Zahl mit dir?
Die sagt aus, dass ich wohl ein Wahnsinniger sein muss. Zudem habe ich bemerkt, dass der Neid immer grösser wird und der Prophet im eigenen Land relativ wenig zählt.
Sind 800. GP für einen Journalisten Weltrekord?
Es gibt noch einen Italiener, der behauptet, mehr zu haben. Der macht aber nur Technik-Zeichnungen und reist am Sonntag direkt nach den Rennen jeweils gleich wieder ab. Ausserdem habe ich zusätzlich noch rund 90 Rennen von der Redaktion in Zürich aus journalistisch begleitet. Ich bin mir bewusst, dass ich das alles Blick zu verdanken habe. Hätte 1970 der damalige Sportchef Fridolin Luchsinger nicht entschieden, mich jungen Schnösel zum Formel-1-Reporter zu machen, wäre vielleicht alles anders gekommen. Übrigens: 2019 wurde ich als einziger Reporter vom Weltverband FIA zum 1000. GP der Geschichte nach Shanghai eingeladen.
Du bist längst mehr als nur ein Journalist. Welchen Einfluss hast du in der Formel 1?
Ich wollte in meinem Leben nie Einfluss haben, und das sollte als Journalist auch nie das Ziel sein. Sagen wir es mal so: Ich laufe nicht als Nobody durchs Fahrerlager, und gewisse Leute hören gelegentlich auf meine Stimme.
Du untertreibst, denn du bist definitiv nicht nur ein Journalist, sondern auch eine einflussreiche Person. Bei welchen Fahrern hattest du bei deren Formel-1-Einstieg deine Finger im Spiel?
Eigentlich nur bei einem: bei Marc Surer. 1979 wurde er in Donington Formel-2-Europameister. Nach dem Rennen kam Ensign-Teamchef Mo Nunn auf mich zu und sagte: «Frag doch mal deinen Landsmann, ob er morgen unser Auto testen will.» Also nahm ich abends bei der Party im Hotel Marc zur Seite: «Nunn hätte gerne, dass du morgen sein Auto testet. Also trink nicht zu viel.»
Aus Surer wurde dann tatsächlich ein Formel-1-Fahrer. Hast du dafür eine Vermittlungsprovision bekommen?
Marc versprach mir damals zehn Prozent seines ersten Formel-1-Lohns. Ich habe das dann Jahre später auch erhalten. Das waren rund 2000 Franken. Heute würde sich das definitiv mehr lohnen.
Du hast aber Surer nicht nur in die Formel 1 gebracht, sondern auch als Erster von seinem «Rücktritt» erfahren.
Das war 1985 in Monza. Ich war ja schon damals gut mit Bernie Ecclestone befreundet, der zu diesem Zeitpunkt noch Brabham-Teamchef war. In jenem Rennen wurde Surer nur 0,2 Sekunden hinter Ayrton Senna Vierter, obwohl Surer mit dem BMW-Turbomotor ihn locker hätte überholen müssen. Da kam Bernie entsetzt auf mich zu und sagte: «Surer ist soeben zurückgetreten. Nur weiss er es noch nicht.»
Apropos Brabham. In den 80er-Jahren hättest du den englischen Traditionsrennstall beinahe gekauft.
Ein schwarzes Kapitel in meinem Leben. Eine gewisse Teilschuld trug damals auch Nelson Piquet.
Das musst du jetzt erklären. Winter 1988. Piquet war damals Gast im «Sportpanorama». Weil wir gut befreundet sind, besuchte ich ihn vor seinem Auftritt noch im Hotel Dolder, hoch über Zürich gelegen. Als er zu seinem TV-Auftritt loswollte, merkte er, dass er noch das gelbe Camel-T-Shirt trug. Er sagte mir deshalb, ich solle kurz an der Rezeption warten, bis er seinen Kittel in seinem Zimmer geholt hätte. Was passierte dann?
Ich kam an der Rezeption mit zwei Frauen ins Gespräch, die sich darüber beschwerten, dass ihr Taxi noch nicht erschienen war. Ich sagte ihnen, dass ich sie im Schneegewitter mit in die Stadt nehmen könne, da ich eh noch in die Redaktion müsse. Als Piquet dann auftauchte, meinte er nur: «Roger, so schnell komme ja nicht einmal ich mit Frauen in Kontakt.»
Eine folgenschwere Begegnung. Ja, denn die Frau, in die ich mich dann verliebte und später heiratete, war eine Hochstaplerin. Sie behauptete, sie hätte Kakao-Plantagen in Brasilien, und wollte mit mir Brabham kaufen. Als Bernie davon erfuhr, sagte er mir nur: «Wenn du das machst, bringe ich dich um.» Nach einem Jahr und vier Tagen liess ich mich scheiden. Ich sagte danach Ayrton Senna regelmässig, dass ich exakt einen Tag länger verheiratet war als er.
Was für Folgen hatte die Liaison mit der Hochstaplerin? Manche Journalisten berichteten genüsslich darüber, doch das prallte an mir ab. Ich legte diese Episode unter dem Stichwort «Dumm gelaufen» oder «Lebenserfahrung» ab.
Wie viel hat dich die Scheidung gekostet?
Eigentlich nichts. Sie liess einfach sieben Kilo Gold und drei Tinguely-Bilder mitlaufen. So, jetzt aber Themenwechsel. Teamchef bist du also nie geworden, aber hättest du Manager eines Formel-1Fahrers werden können?
Ja, von Felipe Massa und Ralf Schumacher. Massa wollte mal, dass ich für ihn Sponsoren suche. Er bot mir 25 Prozent der Einnahmen an.
Das wären ja mehr gewesen als beim legendären Mister 20 Prozent Willi Weber.
Das stimmt, aber ich dachte mir: Schuster, bleib bei deinen Leisten.
Und wie war es bei Ralf Schumacher?
Der meinte zu mir: «Roger, ich bräuchte noch jemanden Vernünftigen.» Aber wie gesagt, ich wusste immer, was ich kann, aber auch, was ich nicht kann. Einmal kam aber Schumacher noch mit einem speziellen Anliegen auf dich zu.
Es gab immer mal wieder Gerüchte, dass er schwul sei. Deshalb bestellte er in Ungarn einst mich und «Bild»-Mann Helmut Uhl zu sich in sein Motorhome. Dort erklärte er uns, dass morgen in beiden Zeitungen stehen
«800 GP? Ich muss wohl ein Wahnsinniger sein.»
soll: «Ralf Schumacher: Ich bin nicht schwul!»
Seid ihr darauf eingegangen? Ja, wenn einer das will, dann mache ich das.
Wurdest du manchmal auch instrumentalisiert?
Nein, das hätte bei mir nicht funktioniert, aber ich habe mich auf das eine oder andere eingelassen. Als der 1998 verstorbene Baselbieter Peter Monteverdi 1990 den Onyx-Rennstall gekauft hatte, kam vor dem Rennen in Spa der GoodyearChef Lee Gaug auf mich zu und sagte mir: «Wenn der bis morgen nicht 275 000 Dollar bezahlt, bekommt er von uns keine Reifen.» Also ging ich zu Monteverdi und überbrachte ihm diese Nachricht. Er meinte nur: «Mach daraus eine Schlagzeile!» Deshalb erschien am nächsten Tag im Blick: «Monteverdi ohne Gummi».
Wie ging die Geschichte aus? Monteverdi rief jemanden in der Schweiz an, der dann über