Wie viel Schule braucht das Kind?
Die einen gingen nur noch 5 Tage in den Unterricht, die andern 6. Im Ort war man uneins.
In der «Berner Zeitung» BZ vom 22. September 2000 war zu lesen: «Vereint für die 5TageWoche».
Landauf, landab wurde ausprobiert, wie es wäre, wenn die Kinder am Samstag nicht mehr zur Schule gehen müssten. So auch in Signau. Allerdings war es hier etwas komplizierter als an anderen Orten: Während die Sekundarschüler seit dem Sommer in einem Versuch mit der 5TageWoche steckten, mussten die Mädchen und Jungs der Primarund der Realschule auch am Samstag noch zum Unterricht. Die zuständige Volksschulkommission hatte beschlossen, am althergebrachten System festzuhalten.
Es ist naheliegend, dass das für Familien mit Nachwuchs auf beiden Stufen unpraktisch war. Man stelle sich nur die unschönen Situationen am Samstagmorgen vor, wenn der eine
Sprössling noch halb verschlafen und im Pyjama hinter seinem Frühstück sass, während der andere die Schulsachen packen und das Haus verlassen sollte. Gemeinsame Wochenendausflüge oder Ferienbeginn bereits am Freitagabend? Fehlanzeige, wenn eines der Kinder am Samstag noch zur Schule musste.
«Signau ist eine Insel»
Es verwundert nicht, dass bald einmal Stimmen laut wurden, die der Ungleichbehandlung ein Ende setzen wollten. Eltern wehrten sich, die Diskussion wurde auch in der Zeitung geführt. Bei einer Leserumfrage war mehr als ein Votum gegen die unterschiedlichen Schulzeiten zu lesen. Ein Teilnehmer meinte, es könne ja wohl nicht sein, dass in einer Gemeinde zwei Systeme gelten würden – «Signau ist eine Insel», gab der Mann zu Protokoll und sprach damit auch den
Umstand an, dass weitherum niemand ein «derart kompliziertes» Regime habe.
Die SP wurde schliesslich aktiv und machte sich daran, Unterschriften zu sammeln. Unterstützt wurde sie dabei von der FDP. Das Ziel: Die Primarschule sollte auf das nächste Schuljahr hin ebenfalls auf die 5TageWoche umschwenken. Danach könnten die Erfahrungen gemeinsam ausgewertet und – je nach Ergebnis – entweder die kürzere oder die längere Woche für alle eingeführt werden. Oder aber, auch das war immer noch eine Alternative, man könnte mit unterschiedlich langen Schulwochen weiterfahren. Wirklich ernst nahm diese Variante wohl niemand.
«Durchschlagender Erfolg»
Die Sache nahm ihren Lauf, im November berichtete die BZ zum wiederholten Mal vom Schulzeitenproblem in Signau: 232 Unterschriften waren in den letzten beiden Monaten zusammengekommen – ein «durchschlagender Erfolg», wie der damalige SPPräsident sagte. Zum Vergleich: In Sumiswald hatten «nur» 140 Personen für die Umstellung unterschrieben. Allerdings gingen hier alle Kinder noch 6 Tage pro Woche zur Schule. In Signau brachten aber auch die fast doppelt so vielen Unterschriften nichts: Die Volksschulkommission behielt den Samstag als Schultag vorerst bei.
Den Umschwung gewagt
Es verging fast ein Jahr, bis die BZ wieder über die Schulwochen in Signau schrieb. Unterdessen hatte sich einiges getan: Eine
Umfrage in der Sek zeigte – wenig überraschend –, dass der dort laufende zweijährige Versuch mehrheitlich positiv bewertet wurde. Eine grosse Mehrheit der Eltern und Kinder hatte sich für die Beibehaltung der kurzen Schulwoche ausgesprochen, die befürchteten Nachteile seien als nicht gravierend beurteilt worden, teilte die Volksschulkommission mit. Und so wagte schliesslich auch dieses Gremium den Umschwung: Seit dem Schuljahr 2002/2003 gehen in Signau sowohl Sekundar als auch Real und Primarschüler 5 Tage pro Woche zur Schule.
Cornelia Leuenberger
Was geschah vor 20 Jahren? In loser Folge werfen wir einen Blick zurück, erinnern an kleinere und grössere Geschichten, die in dieser Zeitung standen, und schauen, was aus ihnen geworden ist.