Fincen Files bringen Banken in Erklärungsnot
Linke Politiker fordern von den Geldhäusern nun ein Umdenken.
Das neue Datenleck Fincen Files zeigt, wie grosse internationale Banken bei der Geldwäscherei kontinuierlich wegschauten, während sie zur gleichen Zeit gegenüber den Behörden behaupteten, ihre internen Kontrollen zu verbessern. Dies betrifft unter anderem die Grossbank HSBC. Ihr beispielhafter Fall beginnt in der Schweiz.
2015 berichteten das Internationale Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) und das Recherchedesk von Tamedia über die sogenannten Swiss Leaks. Es handelte sich um Daten, die der Informatiker Hervé Falciani bereits 2007 bei der HSBC Genf gestohlen hatte. Das Leck zeigte unter anderem, dass die Bank Konten für Waffendealer unterhalten hatte, die vermutlich Granaten zu Kindersoldaten nach Afrika brachten.
HSBC bezahlte in einem Deal 40 Millionen
Die Genfer Staatsanwaltschaft führte daraufhin eine Razzia bei der Bank durch. Die HSBC zahlte dann in einem Deal mit der Staatsanwaltschaft 40 Millionen und versicherte, inzwischen habe man sich einer «radikalen Transformation» unterzogen. Die Botschaft: Nun ist alles in Ordnung.
Ein Jahr später kam das nächste Leck, die Panama Papers. Und keine andere Bank weltweit hatte bei der Skandalkanzlei Mossack Fonseca in Panama so viele Briefkastenfirmen gegründet wie die HSBC. 2017 wurde schliesslich bekannt, dass die HSBC mehr als 500 Millionen Dollar für russische Geldwäscher transferiert haben soll.
Und jetzt steht die HSBC wieder in der Kritik wegen eines Datenlecks. Diesmal sind es die Fincen Files. Das sind rund 2100 Geldwäscherei-Meldungen von Banken an die US-Behörde
Fincen. Das Leck wurde vom Journalistenkollektiv ICIJ ausgewertet, dem das Tamedia-Recherchedesk angehört.
Eine Analyse der geleakten Daten zeigt, dass allein die HSBC-Niederlassung in Hongkong zwischen 2011 und 2016 mindestens 1,5 Milliarden Dollar für Firmen überwiesen hat, von denen die Bank laut einer ICIJAnalyse oft nicht einmal wusste, wem sie gehörten. Hunderte Millionen flossen an oder von Briefkastenfirmen, die in Verbindung zu bekannten kriminellen Netzwerken stehen.
Am selben Tag beichten und sündigen
Dank des Datenlecks kommt nun auch ein besonders pikanter Vorfall vom Sommer 2012 ans Licht. Damals musste die Bank 1,9 Milliarden Dollar Strafe an den amerikanischen Staat zahlen. Das war die Busse für allerlei schmutzige Geschäfte mit dem Iran, mit Firmen, die gar nicht am internationalen Geldverkehr teilhaben durften, und für die Hilfe, die HSBC dem mexikanischen Sinaloa-Kartell geboten hatte.
Just am Tag, als ein Rechtsanwalt der HSBC aussagen musste, zeigen die Fincen Files nun eine Überweisung, mit der sich die HSBC aufs nächste undurchsichtige Geschäft einliess. Sie ging an eine Firma, die Teil eines riesigen Geldwäscherei-Netzwerks, des sogenannten «Russian Laundromat» war.
Insgesamt floss innerhalb von knapp zwei Jahren gut eine halbe Milliarde Dollar von beziehungsweise an diese Firma. Die HSBC hatte «keine schlüssige Quelle oder Angaben zur Verwendung der Gelder» und hielt intern fest, dass die Transaktionen «keinen erkennbaren geschäftlichen, wirtschaftlichen oder rechtmässigen Zweck» hätten. Auf Anfrage erklärte die HSBC, sich nicht zu verdächtigen Geldtransfers äussern zu wollen. Aber sie versicherte, sie sei heute eine «viel sicherere Institution» als 2012.
Die Fincen Files zeigen in erster Linie die Probleme der USBanken mit der GeldwäschereiBekämpfung. Dennoch sind sie auch für die Banken hierzulande unangenehm. Einerseits empfingen sie selber grosse Summen unter Geldwäscherei-Verdacht. Andererseits enthalten die Dokumente aber auch Hinweise, dass kriminelle Russen viele Millionen über die polnische Tochter der ING-Bank auf westeuropäische Konten transferiert haben. Von 2013 bis Sommer 2020 leitete Ralph Hamers die ING. Er wird im November neuer Chef der UBS. ING kündigte nun eine interne Untersuchung zu den Vorgängen an.
Ständerat Jositsch: «Wir stehen still»
Derweil nehmen linke Politiker den Ball auf. «Wenn wir dieses Geld von der Schweiz fernhalten wollen, müssen wir uns laufend der Bedrohung anpassen. Aber derzeit stehen wir still», sagt SPStänderat und Rechtsprofessor Daniel Jositsch. Damit spielt er auf die laufende Debatte um die Verschärfung des Geldwäschereigesetzes an.
Die Bürgerlichen sind daran, eine entscheidende Massnahme aus der Gesetzesrevision zu streichen: die verschärfte Aufsicht von Anwälten. Auch Grünen-Präsident Balthasar Glättli sagt: «Ich hoffe, dass nun endlich klar ist, dass das Problem der Geldwäscherei noch lange nicht gelöst ist. Alles andere ist Schönfärberei.»
FDP-Nationalrat Christian Lüscher, der an vorderster Front gegen neue GeldwäschereiPflichten für Anwälte kämpft, zeigt sich allerdings unbeeindruckt: «Das System funktioniert gut. Immer wenn der Bundesrat oder internationale Stellen konkrete Verbesserungen verlangen, passt das Parlament das Gesetz entsprechend an.»
Sylvain Besson, Christian Brönnimann, Frederik Obermaier und Oliver Zihlmann