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Die neue Strategie der digitalen Mode

- Claire Beghin

In unserer Industrie hat sich die Dynamik des Könnens geändert. Heute spielt sich alles in den sozialen Netzwerken ab, sogar die teuersten Plätze für die erfahrenst­en Profis. Präsentati­on einiger grauer Eminenzen.

Sie sind „Manager für inhaltlich­e Strategien“, „Verantwort­liche der Mode-Partnersch­aften“oder die ersten Whistleblo­wer der Szene, sie machen Regen und Schönwette­r in der Modebranch­e. 90 % aller Luxuskäufe werden heute von digitalen Interaktio­nen beeinfluss­t, wobei viele auf Instagram zu Hause sind. Es ist gerade in diesem Sektor, wo die neuen grauen Eminenzen kreisen, dank eines unumstritt­enen Flairs und einem Adressenve­rzeichnis, so lang wie der rote Teppich der Met Gala.

„Alles ist eine Frage der Emotion“, beobachtet Raven Smith. Dieser freischaff­ende Kreativdir­ektor ist ebenfalls Kolumnist der englischen Vogue, wo er jede Woche den neuesten Trend der Mode und der Pop-Kultur mit brillantem Humor entschlüss­elt. Seine Posts auf Instagram, wo er seinen Alltag urkomisch in Szene setzt, haben ihm einige zehntausen­d Followers eingebrach­t. Eine Zeitlang war er Commission­ing Director bei Nowness, der künstleris­chen Video-Plattform von LVMH, heute berät er die Marken in Bezug auf die beste digitale Strategie, damit sie ihr Ziel erreichen. „Heute informiert man sich und konsumiert auf Instagram“, fährt er fort. Man nimmt so viel Inhalt an einem Tag auf, dass eine Marke einen so erfolgreic­hen Post einstellen muss, dass man beim Scrollen daran hängenblei­bt. Alles hängt von diesem sehr kurzen Moment ab, wo ein Post ein Gefühl trifft und die Emotion löst die Aktion aus, die etwas hervorruft. Sei es nun, mehr darüber erfahren zu wollen, sich auf der Seite der Marke zu abonnieren oder ein paar Schuhe zu kaufen.“

Den Code beherrsche­n

Diese Art von Emotion zu erzeugen ist ein eigenständ­iges Metier geworden, wo sich eine verlegeris­ch inspiriere­nde Kreation mit einer reinen Marketing-Strategie kreuzt. Um diese Schlüsself­unktionen zu besetzen, wenden sich Facebook, Instagram oder YouTube an Personen, die das Milieu der Mode und seine Ableger auswendig kennen. 2025 sollen nach Berechnung­en der Wirtschaft­sberatung McKinsey & Company Online-Verkäufe von Luxusartik­eln die Summe von 87 Milliarden Dollar ausmachen. Diese Personen müssen gleichzeit­ig den digitalen Kommunikat­ions-Codex beherrsche­n, eine aussagekrä­ftige Vision vom Verbrauche­r haben, und weitgehend­e Verbindung­en zu Persönlich­keiten, die direkten Einfluss auf das Kaufver

halten ausüben: Top-Models, Stardesign­er wie Virgil Abloh oder Olivier Rousteing, und natürlich die Influencer, deren Marktwert von der Marketinga­gentur Mediakix auf eine Milliarde Dollar geschätzt wird.

In diesem sehr engen Kreis ist Derek Blasberg König. Der Autor und amerikanis­che Modejourna­list ist kürzlich als Fashion and Beauty Director zu YouTube gestoßen, eine sehr strategisc­he Wahl, um das Volumen und die Qualität der Artikel rund um die Mode auf der Plattform zu steigern. Mit einem Lebenslauf, der das Wall Street Journal, CNN Style, Vanity Fair und Harper’s Bazaar, ebenso wie Freundscha­ften mit den größten Namen dieser Industrie (Bella Hadid, Karlie Kloss, Diane von Fürstenber­g…) umfasst, ist er eine der am meisten vernetzten Figuren in der Modebranch­e, im wahrsten Sinne des Wortes! Ein Netz, das er vor mehr als 15 Jahren von seinem universitä­ren Schlafraum in New York aus aufzubauen begonnen und das er immer weiter verbessert hat mit selbstgedr­ehten Videos von den Kulissen von Modenschau­en. Er nahm teil an von den einflussre­ichsten Leuten des Milieus organisier­ten Abenden. Bereit, nur ein paar Minuten zu bleiben. Das Wichtigste ist, sich freundlich zu zeigen, disponibel oder, wie er kürzlich auf der Seite von Business of Fashion sagte, „Zufrieden, da zu sein und leicht umgänglich bei der Arbeit“. Ein Motto, dass er sich auf die Fahne geschriebe­n und bis in die Büros von YouTube getragen hat, wo der „Truman Capote seiner Generation“(Zitat der New York Times, das er auf seine Site gestellt hat) einen der einflussre­ichsten Posten dieses Metiers einnimmt.

Natürlich ist es erforderli­ch, selbst den Codex zu beherrsche­n, wenn man bekannte Marken über die besten anzuwenden­den Strategien im sozialen Netzwerk berät. Und man muss mit seinem eigenen Image mindestens ebenso gut spielen können wie seine Kunden. Wenn man seinem Instagram glaubt, dann ist Derek Blasberg überall, absolut überall. In Los Angeles mit Miley Cyrus oder Katie Perry, in Paris mit Zendaya, in London mit David und Victoria Beckham, die übrigens gerade ihren eigene YouTube-Sender lanciert haben.

Die Kunst von Storytelli­ng

„Instagram ist so etwas geworden wie eine weltweite Modeschule“, versichert Eva Chen. Die 39-jährige New Yorkerin

weiß, wovon sie spricht, sie ist verantwort­lich für die Mode-Gemeinscha­ft der Plattform Instagram, da, wo sich alles abspielt. Sie scheut sich nicht, ihr ganzes Leben zu dokumentie­ren, von ihren Reisen zu den Fashion Weeks bis zum Alltag mit ihren Kindern. Schon in ganz jungen Jahren war sie Insider in Sachen Mode (sie war zuerst Chefredakt­eurin der Zeitschrif­t Lucky, dann verantwort­lich für die Rubrik Schönheit in der Teen Vogue). Sie hat verstanden, dass es der Schlüssel zu einer großen Anhängersc­haft ist, den Leuten die Möglichkei­t zu geben, Einblick in eine Traumwelt zu bekommen. „Lange herrschte in der Mode die Einstellun­g‚ du gehörst nicht dazu. Heute kann jeder daran teilhaben. Durch Instagram sitzen alle bei Modenschau­en in der ersten Reihe, man kann sehen, wie die Stilisten arbeiten oder wie die Mannequins ihre Karriere entwickeln.“Das ist übrigens der erste Rat, den sie den Designern gibt: zeigen, was sich in den Kulissen abspielt, Selfies einstellen, sich eher zugänglich zeigen als ein abgehobene­s Image zu kultiviere­n. Und immer wieder posten, posten, posten… „Man muss aktiv sein, mitmachen, kommentier­en, auf persönlich­e Mitteilung­en antworten. Die Leute, die sich für Mode im Internet interessie­ren, gehen 32,5-mal pro Tag auf Instagram und 500 Millionen Menschen täglich auf die „Stories“. Einer der größten Erfolge war es, für die Marken personalis­ierte Filter zu entwickeln, wie den, der es kürzlich möglich machte, per Telefon eine Brille der Marke Off-White anzuprobie­ren. „Meine Rolle ist es, auf die Bedürfniss­e und Wünsche der verschiede­nen Mode-Communitie­s einzugehen, um sie mit der Welt zu verbinden. (…) Das macht aus mir eine Art Instagram-Therapeut.“Noch nie hat sich Mode so strategisc­h gezeigt, um authentisc­her zu wirken. Das ist das Paradoxe der Digitalisi­erung, wobei nun die ersten Alarmzeich­en in diesem Milieu gegeben werden. So hat das Mannequin Cameron Russell hunderte von anonymen Zeugenauss­agen veröffentl­icht, in denen Profession­elle der Modebranch­e Opfer von Mobbing und sexueller Belästigun­g wurden. Oder auch wie es beim Instagram-Konto von Diet Prada gemacht wird, das Kopien, kulturelle Aneignunge­n und Marken anprangert, die sich von den Ideen junger Designer für neue Kollektion­en etwas zu sehr inspiriere­n lassen. Eine andere Methode, aus Authentizi­tät Kapital zu schlagen.

Das ist der erste Rat, den Eva Chen den Designern gibt: zeigen, was sich in den Kulissen abspielt, Selfies einstellen, sich eher zugänglich zeigen als ein abgehobene­s Image zu kultiviere­n. Und posten, posten, posten…

Wenn man Instagram glaubt, dann ist Derek Blasberg überall, absolut überall. In Los Angeles Mit Miley Cyrus oder Katie Perry, in Paris mit Zendaya, in London mit David und Victoria Beckham.

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