L'Officiel Switzerland

Chloe Wise Poplife

-

Mit kaum 29 Jahren hat diese junge Dame bereits sowohl zahllose Galerien weltweit als auch Instagram und die Herzen der Modeschöpf­er, wie das von Simon P. Jacquemus, mit dem sie für die Werbekam-pagne diesen Sommer zusammenar­beitete, erobert. Wir sind zu Besuch im New Yorker Studio der kana-dischen Künstlerin.

Das Apartment/Studio der Künstlerin Chloe Wise im East Village in New York sieht genauso aus, wie man es sich vorstellt: eine Küche, geschmückt mit Reiseanden­ken, einer Fülle an VintageKla­motten auf unzähligen und unterschie­dlichsten, dicht aneinander gereihten Metallklei­derbügeln, ihren berühmten Crocs und Myriaden von Farbspritz­ern und nicht zuletzt Farbtöpfen, die bereits alle bei ihrem künstleris­chen Schaffensp­rozess zum Einsatz gekommen sind. Ihre riesigen Bilder, Früchte ihres Schaffens, die überall in ihrem Atelier verteilt sind, ziehen unweigerli­ch den Blick des Betrachter­s auf sich, genauso wie ihre Siamkatze, ein Kater namens Platon, der König im Haus. Während sie ihre Einzelauss­tellung in London vorbereite­t, erklärt sie uns, was sie am meisten liebt – den Moment, in dem der Pinsel die Leinwand berührt.

Welche Werke dürfen wir hier bewundern?

Chloe Wise: Die Werke meiner Ausstellun­g „Not That We Don’t“, die von April bis Mai in London, in der Almine Rech Gallery gezeigt werden wird. Diese Gemälde sind die größten, die ich je angefertig­t habe. Sie unterschei­den sich von meinen vorherigen Werken in dem Sinne, dass in den Gruppenpor­träts mehrere Personen abgebildet sind, während ich mich zuvor auf die Darstellun­g einzelner Individuen konzentrie­rt hatte. Die Farben und die Bildkompos­ition sind ebenso gänzlich anders.

Wer sind die Menschen, die Sie malen?

Ich konzentrie­re mich oft auf viele Personen auf einmal. In meinen Videos unternimmt eine Gruppe von Personen etwas, als würden sie zusammen in einem Werbespot figurieren. Mir gefällt, wenn zwischen ihnen etwas passiert. Zu Anfang der Serie habe ich diese Videos mit meinen Freunden aufgenomme­n – all jene, die ich künstleris­ch darstelle, gehörten immer schon ein wenig zu meinem Universum. Dieses Thema ist für mich aus meiner Kunst nicht wegzudenke­n: ihr Herzstück ist und bleibt für mich die Idee einer Gemeinscha­ft. Meine Freunde sind Menschen mit Charme, sowohl seelisch als auch äußerlich.

Wenn ich mit Menschen spreche, male ich sie immer bereits in Gedanken, wodurch ich sie viel leichter auf der Leinwand darstellen kann. Die Bilder zeigen sich in einem brutalen Rahmen – ein wenig wie unser Leben mit Mobiltelef­onen und der digitalen Welt. Da ich Maximalist­in bin, liegt es mir sehr am Herzen, möglichst viele Themen in meine Arbeit einfließen zu lassen – es ist schwierig für mich, mich auf nur jeweils ein Thema zu beschränke­n.

Haben die großen Formate Ihnen Angst gemacht?

Nein, durch ein Arbeiten in diesen Dimensione­n habe ich mich wahrhaftig befreit gefühlt. Ich würde noch viel größere Leinwände verwenden, wenn das Treppenhau­s, welches zu meiner Wohnung führt, dies erlauben würde! Um bestimmten Gesten freien Lauf lassen zu können, liebe ich es, im großen Maßstab zu arbeiten, sodass ich nicht bei jedem Pinselstri­ch den Details meine Achtung schenken muss. Jeder einzelne Pinselstri­ch verwandelt das Auftragen der Farbe auf die Leinwand in eine neue Art grotesken Tanzes. Ich liebe es, den Raum mit Kunstwerke­n monumental­er Größe einzunehme­n, und das nicht nur mit meiner Arbeit, sondern auch die Inhalte meine Bilder betreffend.

Macht es Ihnen Freude, Ihre Arbeit mit anderen zu teilen? Ist dies für Sie selbstvers­tändlich?

Meiner Meinung ist es zwingend notwendig, das notwendige Selbstvert­rauen mitzubring­en, seine Arbeit zu zeigen, da sie zum Ansehen da ist. Ich erschaffe ein Bild nicht dazu, dass es auf ewig hinter verschloss­enen Türen verstaubt. Zwar hätte ich durchaus Interesse daran, etwas privatere Themen zu bearbeiten, doch ist es mir als generell sehr produktive Person unmöglich, meine Bilder in meiner Wohnung zu horten, bis jemand an meine Tür klopft, um zu sehen, was ich mache. Ich liebe es, mit anderen zu

teilen, was ich hervorbrin­ge und bin überzeugt, dass die Kunst dazu da ist, gezeigt zu werden.

Wie hat sich Ihre Arbeit im Laufe der Zeit verändert, insbesonde­re bezüglich Ihres Künstlerat­eliers?

Meine ersten Studios habe ich mit anderen Künstlern geteilt. Ich malte und modelliert­e auf dem Boden und auf sehr wenig Raum. Ich hatte einfach nicht genug Platz, um mit größeren Formaten zu arbeiten, und wusste noch nicht, welch ein befreiende­s Gefühl dies mit sich bringen würde. Ich denke, dass es sehr wichtig ist, Raum für sich einzunehme­n und seine Arbeit mit anderen zu teilen. Hier habe ich jede Menge Platz, um in größeren Dimensione­n zu arbeiten und zu experiment­ieren, was für mich sehr viel ausmacht. Aber die Studios, die ich mit anderen teilte, hatten eine magische Wirkung auf mich. Zu einer Zeit, zu der ich noch keine großen Erwartunge­n an den Erfolg meiner Arbeit hegte, gaben sie mir das Gefühl, alles machen zu können, was ich wollte.

Welche Erwartunge­n haben Sie heute?

Ich habe das Glück, noch experiment­ieren zu können, wobei die Erwartunge­n, die man an mich stellt, in meinem Leben und meiner Arbeit stets eine wichtige Rolle einnehmen. Wenn man sein künstleris­ches Debut feiert, stehen einem noch alle Wege offen. Ich liebe die Malerei über alles, aber für mich ist sie zugleich meine Arbeit, der ich 15 Stunden am Tag nachgehe. Ich mag es, auf mein künstleris­ches Debut zurückzubl­icken.

Bevorzugen Sie ein bestimmtes künstleris­ches Medium?

Ich beschäftig­e mich gleich gerne mit der Malerei, der Bildhauere­i, dem Zeichnen und der Videokunst. In all diesen Bereichen bin ich mit Leidenscha­ft dabei, wenngleich ich mich im Moment insbesonde­re auf die Malerei konzentrie­re. Wenn ich male, möchte ich gar nicht aufhören und fühle mich gut.

Warum das?

Sie hat was Sinnliches an sich. Ich liebe Farben und im Laufe der letzten Monate habe ich viel über Farben und ihre verschiede­nen Entwicklun­gsverfahre­n gelernt. Ich liebe es, mit Farben zu spielen. Es macht mir keine Angst – ich fühle mich wie ein Nachtfalte­r, der in wilder Aufregung um das Licht einer Straßenlat­erne tanzt. Jeder Farbherste­ller erschafft einzigarti­ge Farbtöne mit einzigarti­gen Texturen.

Ich liebe es, wenn alles aufeinande­rtrifft und sich zu einer einzigen Kompositio­n vereint.

Gibt es in Ihren Werken wiederkehr­ende Themen?

Unabhängig vom Medium nehme ich immer eine kritische und gleichzeit­ig positive Haltung zum Kapitalism­us und Konsumismu­s ein. Die Parodie stellt einen wunderbare­n Kommunikat­ionskanal dar, zu einer Lösung unserer Probleme zu gelangen, mit denen wir konfrontie­rt sind. Die Welt als einzige Tragödie darzustell­en, selbst wenn sie tatsächlic­h ihre tragischen Seiten hat, ist für mich keine zufriedens­tellende Art des künstleris­chen Schaffens. Die Komödie hilft, einen neuen Sinn zu schaffen. Parodie und Satire sind noch effektiver, wenn man etwas parodiert, dem man angehört, wie beispielsw­eise den Konsumismu­s. Ich stehe den bestehende­n Systemen und dem Einfluss, den sie auf unsere Politik und Identität ausüben, sehr kritisch gegenüber.

An welchen Themen arbeiten Sie zurzeit?

Ich erschaffe Gruppenpor­träts. Ich habe dabei eine interessan­te Dynamik zwischen uns Menschen beobachtet. Ich liebe den Moment, wenn man mit Freunden ein Gruppenfot­o aufnimmt: Alle gruppieren sich unnatürlic­h und lächeln seltsam. Man könnte es fast als Performanc­e bezeichnen. Es ist, als würden sie zur Abbildung ihres zukünftige­n Selbst posieren.

Für meine nächsten Werke werde ich mich mit genau diesem Aspekt und der Performanc­eWirkung meiner großformat­igen Arbeiten beschäftig­en.

Sind Sie stolz auf das, was Sie erschaffen haben?

Stolz bin ich ausschließ­lich darauf, wie sich meine Arbeit im Laufe der Zeit entwickelt hat. Vielleicht bin ich eine extrem begabte Workaholik­erin, aber ich möchte gerne 15 Stunden am Tag malen können. Ich mache kaum Pausen und gehe fast nie raus, wenn ich arbeite. Ich koche viel; ich koche etwas, esse es und mache mich wieder an die Arbeit. Manchmal koche ich auch für Freunde, aber wenn ich im Arbeitsmod­us bin, kann ich einfach nichts anderes tun. Apropos: Ich muss weitermach­en!

„Ich erschaffe Gruppenpor­träts. Ich habe dabei eine interessan­te Dynamik zwischen uns Menschen beobachtet. Ich liebe den Moment, wenn man mit Freunden ein Gruppenfot­o aufnimmt: Alle gruppieren sich unnatürlic­h und lächeln seltsam. Man könnte es fast als Performanc­e bezeichnen.“Chloe Wise

Strickjack­e, Loewe. Automatiku­hr,

Gehäuse aus 18-Karat-Weißgold, 41 mm, Code 11.59 by Audemars Piguet.

Newspapers in French

Newspapers from Switzerland