Botswana, Symphonie der Tiere
„Reisen heißt staunen“, sagte Paul Morand, „sonst ist es nichts mehr als ein Ortswechsel“. In Botswana kommt das Staunen unmittelbar. Nicht so beliebt wie Südafrika, Kenia oder Tanzania hat dieses Land eine Fläche, die kaum so groß ist wie Frankreich und weniger Einwohner hat als Paris, aber in jedem Moment begeistert.
Nachdem wir zuerst in Johannesburg und dann in Maun, im Norden des Landes, angekommen sind, befinden wir uns nun auf einem Flugplatz, der Tintin gefallen hätte. Hier warten Dutzende von Flugtaxis, die die schwer erreichbaren Landgebiete ansteuern. Man kann sich den Nervenkitzel Indiana Jones vorstellen, wenn er in eins dieser Geräte mit elf Plätzen steigt, enger als eine Nussschale, in der man sich zusammenkauert, um die Luftsprünge auszuhalten. Von den Wolken aus gewinnt man einen Eindruck vom flachen Land, das Botswana ist. Unendliche Ebene soweit das Auge reicht, ein Gewirr von Buschland und Lagunen. Willkommen im Okavango-Delta. Ein Fluss, der aus der Hochebene von Angola kommt und in der Kalahari-Wüste verschwindet. Sein Delta ist ein mystisches Naturwunder: „Der Fluss, der nie das Meer erreicht“ist ein Phantom-Fluss, so als würde die Camargue auf die Sahara stoßen. Aus dieser Konstellation von Bächen, Lagunen und Seen entsteht eine fantastische Fauna, ein wahrer Garten Eden. Man ist immer wieder gerührt bei der Entdeckung vorzeitlicher Orte. Sie erinnern uns daran, dass wir nur die Verwalter der Erde sind. Wir gehen, sie bleiben. Wir sollten also bescheiden sein und der Natur geben, was wir ihr schulden: Respekt.
Ein Symbol für diesen Respekt ist die Belmond Khwai River Lodge. Sie wurde 1968 gegründet, als man (endlich!) verstanden hat, dass man Tiere bewundern und nicht ausstopfen soll. Als Pionier unter den Fotosafari-Lodges, besitzt sie nostalgischen, gemütlichen Charme. In einen Jeep springen, um an einem Gin-Tonic zu nippen, während der Sonnenuntergang einen See entflammt, dort wo die Flusspferde sind. Geht es noch besser? Man wird von einer globalen Trunkenheit beseelt und man möchte die Natur umarmen… auf die Gefahr hin, gefressen zu werden. Wir dürfen uns nicht täuschen. Wir sind nur Seiltänzer. Ein falscher Schritt und wir bekommen die Zähne zu spüren! „Vorsicht vor den Pavianen!“warnen die Aufseher, die Sie bei Vollmond bis zu Ihrem Bungalow begleiten. Tag und Nacht überqueren Elefanten, Leoparden und Affen die Alleen mit der Nonchalance der Eingeborenen, die wissen, dass sie hier zu Hause sind. Und man bekommt Herzklopfen, wenn man dem Verbot trotzt und allein die hundert Meter bis zur Rezeption zurücklegt. Von den (riesigen) Betten der Lodge aus hört man durch die dicken Tuchwände die afrikanische Nacht atmen: Fauchen, zwei Schritte entfernt, Schreie der Flusspferde, Quaken der Frösche…
Armee der Elefanten
Nichts für Langschläfer! Der erste „Game drive“bringt Sie um 6 Uhr morgens mitten in den Busch, und hier wird man überwältigt von den Farben, dem Duft, den Kontrasten, von berauschenden Eindrücken. Zunächst dieser betäubende Geruch von wildem Salbei, der im Busch im Überfluss wächst und der an den scharfen Duft von Raubtieren erinnert. Dann die einzigen Erhebungen in dieser unendlichen Ebene, die Termitenbauten, die sich zum Himmel strecken wie die Plastiken Giacometti oder die Moais auf den Osterinseln. Und dann, nach und nach bei Sonnenaufgang tauchen sie vor den Augen, vor den Objektiven und Ferngläsern auf: die Tiere.
Vor uns grasen fünfzig Zebras. „Sie sind die Wappentiere Botswanas“, flüstert der Fremdenführer, denn sie symbolisieren Harmonie – in Afrika eine Seltenheit – zwischen Schwarzen und Weißen. Die ganze Arche Noah ist bald versammelt, eine Fülle von verschiedenen Arten, Formen, Wildheit. Die Paviane mit ihrer jovialen Unanständigkeit. Die Giraffen mit ihren sanften Bewegungen, die zwischen dem Blattwerk hindurchgleiten. Die Flusspferde, von denen es nur so wimmelt, Gruppen von prähistorischen Sirenen. Dann die Elefanten, immerzu, überall! Nicht genug damit, die größte Tierkonzentration auf dem afrikanischen Kontinent zu beherbergen, Botswana hat auch die größten Elefantenbestand: etwa 150 000 Tiere zählen dazu. Man muss mal gesehen haben, wie sie sich mit Schlamm bespritzen, wie wir mit Sonnencreme, mit ihren Rüsseln, die sechs Liter Wasser aufnehmen können. Und wie sie durch den Busch brechen – erst zwei, dann zehn, dann dreißig! Man denkt (und das ist nicht übertrieben) an Hannibals Armee in der Trebbia von Heredia: „In der Ferne hörte man einen Elefanten durchbrechen“. Schwieriger sind die Raubkatzen zu entdecken. Mit ihnen ist es eine Sache von Momenten. Wie in der Wüste der Tartaren muss man warten. Worauf? Keiner weiß es, aber man glaubt daran wie ein Pilger. „Auf der anderen Seite der Lagune wurde eine Löwin gesichtet“, murmelt der Begleiter und dreht am Lenkrad. Da sind wir nun, mit scharfem Auge inspizieren wir den Busch als müssten wir Hieroglyphen entziffern. Das Warten lohnt sich: Zwei Geparden erscheinen im hohen Gras; eine Löwin stillt ihr Junges, ein Leopard rennt hinter einer Gans her… die ihm schließlich entkommt.
Orchester im Buschland
Nach Khwai River und einem weiteren Katzensprung per Flugzeug tauchen wir nun etwas tiefer in die Enge des Okavango ein, und wir kommen zur Belmond Eagle Lodge, der Perle der Gruppe Belmond in Afrika. Zur Ankunft begrüßt uns ein Elefant, der seine Stirn an einem Marula Baum reibt, dem wichtigsten Baum Botswanas. Aus seinen Beeren wird Alkohol gewonnen, das das Nationalgetränk ist, eine Art milder Baileys, aber verführerisch. Man sagt übrigens, dass die Dickhäuter davon betrunken werden und torkeln!
Eagle Lodge ist eine Art riesigen Amphitheaters, in dem die raffinierten Hütten im Halbkreis angeordnet sind mit Ausblick auf die Savanne, so als würde Adam die Schöpfung beobachten. Die Natur ist zum Greifen nah, unmittelbar, umsonst, wie eine Frucht am Obstbaum. Es ist fast so, als kämen die Elefanten, Ihren Kaffee probieren, die Paviane Ihre Kekse klauen, die Büffel Ihre Pantoffeln holen, die Zebras aus Ihrem privaten Pool trinken. Und die Antilopen, die mit der Eleganz einer Ballerina weiden.
Hier werden das Wilde und die Zivilisation vereint. Eine Phantasie, die man kaum als Kolonialismus einzustufen wagt, denn die Zeiten sind vorüber. Aber ein Sinn für den Empfang, den Service und den erträumten Komfort in diesem Garten Eden vom schönsten Aussichtspunkt, ist geblieben. Sicher, man denkt an den lieblichen Exotismus eines Pierre Benoît, an das Elefantenkind von Kipling, an die Cassandra-Rufe, an Blake und Mortimer, aber Belmond organisiert keine Reise in die Vergangenheit, keine nostalgische Entdeckung. Im Gegenteil, es ist das Eintauchen in die permanente Gegenwart: die rohe Natur in einer unberührten Welt. Afrika, das ist eine gemeinsame Vergangenheit, die unsere Zukunft sein muss. Tiere, Menschen und die Götter erheben gemeinsam ihre Stimmen für ein Gleichgewicht, das es zu schützen gilt. Es ist ein Privatunternehmen, alles ist möglich: den Busch im Helikopter zu überfliegen, im Mondlicht nach Hyänen Ausschau halten (sie werden hier auch „Pferde der Hexen“genannt), die Savanne zu Fuß durchlaufen, bei Sonnenaufgang, um das liebliche Erwachen aller Dinge zu erforschen…
Dann kommt das Highlight des Aufenthalts: ein klassisches Konzert mitten im Buschland! Fünf Musiker des weltberühmten Londoner Philharmonie-Orchesters (das u.a. die Soundtracks für Lawrence von Arabien und Der Herr der Ringe gespielt hatte) sind bis nach Botswana gekommen. Diese Künstler sind ebenso überrascht wie entzückt, hier zu sein. Die einzige Erfahrung, die sie auf einer Freilichtbühne haben, das ist der so typisch britische Rahmen des Festivals von Glyndebourne. Aber vom Cottage ins Buschland, dazwischen tut sich eine Schlucht auf, die die fünf Blasmusiker mit Leichtigkeit überwunden haben. Und da steht das Quintett im Frack wie zu einer Beerdigung, das aber das Kontrastspiel mitmacht und vor den Flusspferden posiert. Heute Abend findet das Konzert statt, aber im Moment üben sie vor den wilden Tieren, als hätte es bei der Arche Noah einen Kapellmeister gegeben.
Bestürzung bei den Tieren, die sich aber doch verzaubern lassen und die Instrumente beobachten und sich fragen, ob diese
zerteilen oder herumballern könnten. Aber nein: Ein Fagott ist kein Gewehr und eine Klarinette hat keine Beschuss. Auch die Flusspferde beobachten die Kammermusiker mit höflicher Zurückhaltung und werden langsam von den Noten verzaubert. Abschließend ehrt Camille Saint-Saëns sie mit dem Karneval der Tiere, wie immer an den schönen Abenden mit den Musikfreunden in kurzen Hosen. Und wenn die Happy Few von der Eagle Lodge das am Abend selbst hören, auf der Terrasse der Bar zum Sonnenuntergang, dann erkennt jeder die klassische Musik, summt mit, wippt im Takt mit dem Fuß, hebt den Kopf. Ein tolles Schauspiel, wenn die Musiker den Soundtrack von Out of Africa spielen, das Klarinettenkonzert von Mozart oder die herrliche Summer Music von Barber; bei alledem geht die Sonne hinter ihnen unter… Von diesem Konzert möchte man jeden Augenblick festhalten! Der Wind wirbelt die Notenblätter durcheinander, bis eine gute Seele sich anschleicht, sie mit einer Wäscheklammer zu fixieren; die Oboe, die in die Sonne blinzelt; dieser Pavian, der am Orchester entlangstrolcht, staunt, hebt dann die Schultern und wendet sich genießerisch einem Fladen Büffeldreck zu. Schließlich noch diese dreißig Elefanten, die plötzlich aus der Dämmerung auftauchen und am Fluss trinken gehen. Der Anblick ist so schön, dass man glauben könnte, es sei gespielt. Aber nein: Hier ist kein Trick dabei. Wir sind hier nicht bei Pinder. Es handelt sich nur um diese umwerfende Übereinstimmung von Dingen, die Gehör und Sehen zur Sinneswahrnehmung vereint, so dass diese Aufführungen unvergesslich bleiben. „Das, was wir uns noch von Afrika wünschen“, schrieb Morand noch, „ist, uns verstehen zu lassen, wie die Welt in unberührtem Zustand war, in ihrer frischen Wildheit.“Beglaubigt.
Praktische Hinweise
Die Gruppe Belmond besitzt drei Lodgen in Botswana: Khwai River Lodge, Eagle Island Lodge am Okavango und die Savute Elephant Lodge im Park von Chobe. Man kann alle drei besuchen, da sie vorbildlich an Komfort und Raffinesse sind. Aber wenn Sie eine Wahl treffen müssen, dann entscheiden Sie sich für die beiden Erstgenannten, weil es sich hierbei um private Konzessionen handelt, die mehr Möglichkeiten bieten und flexibler sind. Wenn Sie wollen, fragen Sie nach dem ausgezeichneten Service des Fahrers und Touristenführers Moses. Er ist liebenswürdig, effizient und passioniert.
www.belmond.com