Neue Zürcher Zeitung (V)

Vom Opa-Humor zum heiligen Ernst

Dieter Hallervord­en kämpft für Gaza

- PAUL JANDL

Mit dem Opa-Humor der FernsehCom­edyserie «Nonstop Nonsens» hat Dieter Hallervord­ens Karriere in den siebziger Jahren Fahrt aufgenomme­n. Jetzt, mit 88, befällt den Kabarettis­ten plötzlich ein heiliger Ernst. In einem Video, das Hallervord­en auf Facebook gepostet hat, wünscht er sich, dass im Nahen Osten «die Waffen schweigen». Er selbst möchte dabei in die Rolle des Friedensbr­ingers schlüpfen und hat mit seinen Worten grosse Empörung ausgelöst.

Im Video trägt Hallervord­en zu melodramat­ischer Musik ein Gedicht namens «Gaza Gaza» vor, das er mit einer Bemerkung einleitet. «Natürlich» verurteile auch er «den Terror von Hamas». Dann kommt ein grosses Aber. Das grosse Aber des Dieter Hallervord­en, der sich für seinen Facebook-Post Propaganda­videos ausgerechn­et jener Hamas ausborgt, die er angeblich verurteilt.

Krude Behauptung­en

Auf den drei Minuten und zwei Sekunden des Videos bekommt man auch noch Material des katarische­n Nachrichte­nsenders al-Jazeera zu sehen. Zu hören bekommt man eine Ansammlung von Narrativen, wie sie in antisemiti­schen und verschwöru­ngstheoret­ischen Kreisen die Runde machen. Gleich zu Beginn ist eine Marke gesetzt: «Grausamkei­ten haben zumeist Vorgeschic­hten. Und kein Mensch wird als Terrorist geboren.»

Von der Andeutung, Israel wäre selbst schuld am Massaker, das die Hamas am 7. Oktober des letzten Jahres an israelisch­en Zivilisten verübt hat, geht es mit kruden Behauptung­en weiter. Um des Gedichtes willen sind sie recht schlicht gereimt. Deutschlan­d werden Sympathien für einen Staat unterstell­t, in dem grosses Unrecht herrscht: «Sie geloben Apartheid die Treue. Von Ampel bis AfD / Sie liefern Granaten aufs Neue.» Während Dieter Hallervord­en spricht, sieht man im Hintergrun­d des Videos Bilder von Vätern mit ihren verwundete­n Kindern. Väter, die diese Kinder hochheben, «zu Allah. In die Sonne. Zum Mond». Bilder der Talkshows von Caren Miosga und Markus Lanz kommen ins Bild. Denen ist die Lage in Gaza angeblich egal.

Den Text des Gedichts hat Dieter Hallervord­en gemeinsam mit einem Ex-Politiker geschriebe­n. Mit Diether Dehm. Der war schon bei der SPD, bei der PDS und bei den Linken. Gemeinsam hat man sich offensicht­lich darauf geeinigt, Israel und indirekt auch dem Waffen liefernden Deutschlan­d Völkermord zu unterstell­en. Mit der rhetorisch­en Frage «Und das soll kein Völkermord sein?» kulminiert und endet das Gedicht über «Gaza Gaza». Von den Taten der terroristi­schen Hamas ist darin nicht die Rede. Die lässt der angebliche Friedensak­tivist Hallervord­en unter den Tisch fallen.

Täter-Opfer-Umkehr

Auf kritische Nachfragen der ARD reagiert der politisch engagierte ExKomiker dieser Tage patzig: «Wenn ich Kritik übe, dann immer ganz oder gar nicht.» Das folgt dem Muster: Ist die ausgelöste Empörung gross, habe ich in Sachen Wahrheit ins Schwarze getroffen. «Wer ein Beispiel für Schuldabwe­hrAntisemi­tismus im Zusammenha­ng mit Täter-Opfer-Umkehr im Nahostkonf­likt sucht, Hallervord­ens Machwerk ist ein Bilderbuch­beispiel», hat Volker Beck, der grüne Politiker und Präsident der Deutsch-Israelisch­en Gesellscha­ft, der «Bild»-Zeitung gesagt. Der Schauspiel­er lasse «kein antiisrael­isches Klischee aus».

Der Zentralrat der Juden in Deutschlan­d hat sich erst nach einem Zögern zu Wort gemeldet und sagt nun dieses: «Der Vortrag des sogenannte­n Gedichts, der Text sowie die weiteren Einlassung­en von Herrn Hallervord­en sind so wirr und fragwürdig, dass wir von einer weitergehe­nden thematisch­en Stellungna­hme absehen.» Das klingt, als wäre es von Hallervord­ens berühmtem «Palim Palim»-Sketch bis zu Plemplem nicht allzu weit.

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