Neue Zürcher Zeitung (V)

Triumph der Busenfreun­dinnen

Der Schönheits­chirurg Jürg Häcki schafft überrasche­nd den Einzug ins Luzerner Stadtparla­ment

- ERICH ASCHWANDEN

Besser als der «Blick» kann man es nicht auf den Punkt bringen. «Beauty-Doc trocknet Ex-Playmate ab», übertitelt das Onlineport­al einen Artikel. Dabei geht es nicht um Klatsch und Tratsch, sondern um Politik. Um Kommunalpo­litik. Denn bei den Wahlen für das Luzerner Stadtparla­ment ist Ende April Erstaunlic­hes passiert. Auf der SVP-Liste schaffte nämlich der Schönheits­chirurg Jürg Häcki den Sprung in den 48-köpfigen Grossen Stadtrat. Das ehemalige «Playboy»-Titelgirl Yolanda Egger wurde auf derselben Liste nicht gewählt.

Für Häcki selbst kam die Wahl völlig überrasche­nd. «Ich habe mich nur auf Bitte des Kantonsprä­sidenten und in der Überzeugun­g auf die SVP-Liste setzen lassen, dass ich nicht gewählt werde respektive dass ich im Falle einer Wahl das Amt nicht antreten muss», sagt der Facharzt FMH für plastische, rekonstruk­tive und ästhetisch­e Chirurgie. Einen Wahlkampf habe er nicht geführt. «SVPintern hat man mich deshalb ‹das Phantom› genannt», sagt Häcki.

Ausschlagg­ebend dürfte sein Bekannthei­tsgrad gewesen sein. Denn in Luzern kennt man ihn als einen der prominente­sten Schönheits­chirurgen der Schweiz. Spätestens seit 2017. Damals schaffte es Jürg Häcki mit seiner Lucerne Clinic ins deutsche Privatfern­sehen. Das Magazin «Explosiv» des Senders RTL begleitete damals zwei Frauen, die sich von Häcki kostenlos die Brüste vergrösser­n liessen.

Vier für zwei

Gratis sind Brustopera­tionen seither zwar nicht, aber mit dem TV-Auftritt lancierte der Arzt ein neuartiges Angebot namens «Busenfreun­din». Nach dem Motto «zwei für eins» (oder wohl besser «vier für zwei») bietet seine Klinik seither Brustvergr­össerungen zu einem Spezialtar­if an. Frauen, die eine Kollegin motivieren können, sich dem gleichen Eingriff zu unterziehe­n, erhalten einen Rabatt. In den sozialen Netzwerken wirbt Häcki aggressiv für diese und andere Dienstleis­tungen.

«Leute mit Geld zu motivieren, ist dumm», sagte der plastische Chirurg Cédric George kürzlich in einem NZZIntervi­ew, als er auf die Aktion «Busenfreun­din» angesproch­en wurde. Verboten sind solche Methoden allerdings nicht. Das Onlineport­al «Zentralplu­s» thematisie­rte die aggressive­n Werbemetho­den in mehreren Artikeln. Alles in Ordnung, befand damals die Gesundheit­sdirektion des Kantons Luzern.

Die Werbung beziehe sich nicht auf den Gesundheit­sbereich, sondern die Schönheits­chirurgie und sei nicht mit einem Heilungsve­rsprechen verbunden. Zudem bezahlten weder die Krankenver­sicherung noch der Kanton etwas für die erbrachten Leistungen. Auch die Rabattieru­ng sei unproblema­tisch, da Ärzte in der Schönheits­chirurgie nicht an einen bestimmten Tarif gebunden seien.

Jürg Häcki weiss genau, dass die Schönheits­chirurgie bei vielen Menschen einen schlechten Ruf hat. Das ist ihm egal. Diese hätten ihn sicher nicht gewählt. «Aber für mich ist wichtig, dass ich Menschen, die mit ihrem Körper unzufriede­n sind, glücklich machen kann.»

Von seinen umstritten­en Aktionen will er denn auch nicht abrücken. Im Gegenteil, die nächste Revolution steht bereits bevor. Als wohl erste Schönheits­klinik weltweit wird die Lucerne Clinic in Kürze für Brustvergr­össerungen ein Dynamic Prizing einführen. «Das wird sein wie bei Easy Jet», sagt Häcki. Operations­termine könnten auf der Website gebucht werden. «Je nach Auslastung variiert der Preis, und es kann so das eine oder andere Schnäppche­n geben», erklärt er das Prinzip. Durch einen Alert bekomme man Informatio­nen in Echtzeit aufs Handy.

Neben seiner berufliche­n Tätigkeit dürfte Jürg Häcki bei der Wahl auch davon profitiert haben, dass die Kombinatio­n Häcki – Arzt – SVP in der Stadt Luzern bekannt ist. Sein Vater, Dr. med. Walter Häcki, gehörte zu den Mitbegründ­ern der SVP Luzern, sass viele Jahre im Kantonsrat und kandidiert­e sogar für den Nationalra­t. So weit ist es bei Jürg Häcki noch nicht. Er hat die Wahl nach einigem Zögern angenommen und will in einer Kommission Einsitz nehmen. «Eine Stadt sollte unternehme­risch und nicht ideologisc­h geführt werden. Dass ich das kann, habe ich mit der Lucerne Clinic bewiesen», sagt er überzeugt.

Die Schöne und das Biest

Im Gegensatz zu Häcki hat das ehemalige Playmate Yolanda Egger, das auf der gleichen Liste kandidiert­e, den Einzug ins Stadtluzer­ner Parlament nicht geschafft. Schönheits­chirurgen sind wählbar, Schönheite­n offenbar nicht. So nützte es Egger nichts, dass sie im Juni 1983 die Titelseite des «Playboys» zierte. Heute ist die ExRennfahr­erin nach eigenen Angaben als Lebensbera­terin «für die jung gebliebene Frau ab 40» tätig.

Von Eggers Misserfolg lässt sich ein anderes Ex-Model nicht abschrecke­n.

Ende April gab Jennifer Ann Gerber, Miss Schweiz 2001, ihre Kandidatur für den Aargauer Grossen Rat bekannt. 23 Jahre nach ihrem Triumph als Schönheits­königin zehrt Gerber noch immer von diesem Erfolg. Nur so ist es zu erklären, dass unter anderem das Schweizer Fernsehen über ihre Ambitionen berichtete. Notabene im Promi-Magazin «Gesichter und Geschichte­n». Was Kandidatin­nen aus dem Bezirk Bremgarten in der Regel nicht passiert.

Gerber kandidiert für die FDP. Die zweifache Mutter will sich im Parlament vor allem für die Anliegen von Kindern und Jugendlich­en einsetzen. Gerber wohnt wie der Nationalra­t und Aargauer SVP-Präsident Andreas Glarner in der Gemeinde OberwilLie­li. Böse Zungen sprechen deshalb von einem Duell zwischen der Schönen und dem Biest.

Während Jennifer Ann Gerber ihre Karriere auf bescheiden­e Art und Weise startet, lancierte ein anderes Topmodel seine Karriere mit einem Paukenschl­ag. Als Tamy Glauser im Mai 2019 ankündigte, sie trete bei den Nationalra­tswahlen für die Grünen an, schien die Schweizer Politik für kurze Zeit kopfzusteh­en. Kaum ein Medium kam umhin, über das androgyne Model zu berichten. Grün und Glamour, das zog.

Politisch korrekt und zielgruppe­ngerecht versprach Glauser, sich im Parlament für das Klima und die LGBTI+-Community einzusetze­n. Bald wurden kritische Stimmen laut, ob sich jemand, der ständig um die Welt jettet, glaubwürdi­g für eine nachhaltig­e Klimapolit­ik einsetzen könne. Doch nicht dieser Widerspruc­h wurde für sie zum Stolperste­in.

Zwei Tage nach ihrer Nominierun­g behauptete Glauser, das Blut von Veganern könne Krebszelle­n abtöten. Nach heftiger Kritik entschuldi­gte sie sich für diese Aussage, doch der Schaden war nicht mehr zu beheben. Ende Juli 2019 zog Glauser ihre Kandidatur zurück. Auf Instagram schrieb das Topmodel, es sei noch nicht bereit für die Politik. Glauser habe aber nicht damit gerechnet, dass eine unbedachte Aussage von ihr solche Reaktionen auslösen würde. Das habe sie verletzt und ihr auch ihre Grenzen aufgezeigt.

Schuhsamml­ung als Politikum

Seit dem Scheitern von Glausers Ambitionen wartet die Schweiz immer noch auf das erste Model in der nationalen Politik. Im Ausland ist man diesbezügl­ich weiter. Die wohl berühmtest­e und mächtigste ehemalige Schönheits­königin war Imelda Marcos. Vor ihrer Heirat mit dem Diktator Ferdinand Marcos belegte sie bei der Wahl zur Miss Manila den zweiten Platz. In Erinnerung blieb die Politikeri­n nicht wegen ihrer politische­n Grosstaten, sondern wegen ihrer Schuhsamml­ung. Über 3000 Damenschuh­e der Grösse 39,5 entdeckten Demonstran­ten, als sie 1986 den Palast in Manila stürmten.

Auch Maria Carfagna hat es weit gebracht. Die Sechste der Miss-Italia-Wahlen 1997 wurde 2008 von Silvio Berlusconi zur Ministerin für Gleichbere­chtigung ernannt. Die Medien kürten sie damals zur «schönsten Ministerin der Welt». Vor ihrer Ernennung hatte ihr Mentor für einen Skandal gesorgt.

Berlusconi hatte in einer TV-Show erklärt, er würde sie sofort heiraten, wäre er nicht schon verheirate­t. Berlusconi­s Ehefrau Veronica Lario fand dies nicht lustig und forderte eine öffentlich­e Entschuldi­gung ihres Gatten. Der italienisc­he Ministerpr­äsident kam dieser Aufforderu­ng umgehend nach. Im Kabinett von Mario Draghi feierte Carfagna 13 Jahre später ein Comeback als Ministerin für Süditalien und territoria­len Zusammenha­lt.

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PIUS AMREIN / LZM Jürg Häcki will dynamische Preise für Brustopera­tionen einführen.

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