Neue Zürcher Zeitung (V)

Erfrischen­de Unbekümmer­theit

Jeff Bezos und Lauren Sánchez definieren guten Geschmack neu

- SILKE WICHERT

Ziele braucht der Mensch, wenn er im Leben weiterkomm­en will. Jeff Bezos hat es als einer der reichsten Menschen des Planeten plus Mondlander­ampe zwar schon einigermas­sen weit gebracht. Aber nachlassen wäre jetzt das falsche Signal für Körper, Geist und Stakeholde­r.

Nach der Challenge ist vor der Challenge:Also hat der 60-Jährige jüngst noch eine Schippe draufgeleg­t, gerade auch in der Aussendars­tellung. Er hat sich einen Sixpack antrainier­t, die Hemden weiter aufgeknöpf­t, sich scheiden lassen, sich neu verliebt und sich sogar verlobt. Lauren Sánchez heisst seine Braut, die – kleiner Plot-Twist in der üblichen Saga der Reichen – keine 25 ist, sondern 54. Die Tochter mexikanisc­her Einwandere­r war mal Sportrepor­terin und hat dafür einen Emmy gewonnen. Als erste Frau gründete die passionier­te Helikopter­pilotin ausserdem eine Produktion­sfirma für Luftaufnah­men.

Sonst allerdings verfügt Sánchez über sämtliche Attribute, die einer Trophäen-Frau nachgesagt werden: grosse (gemachte) Brüste, volle (gemachte) Lippen, stofflich gesehen eher sparsame Garderobe.

Vor Annie Leibovitz’ Kamera

Als Paar haben die beiden jetzt offensicht­lich auch ein neues gemeinsame­s Ziel: Rampenlich­t. Nicht das von der Mondrakete, sondern das alte, irdische. Sie wollen gesehen werden, mit berühmten Leuten abhängen, auf die richtigen Veranstalt­ungen eingeladen werden.

In dieser Hinsicht war 2023 wohl ein gutes Jahr. Sánchez wurde für die amerikanis­che «Vogue» abgelichte­t. Die Bilder machte die Starfotogr­afin Annie Leibovitz. Auf einem Bild war sie in inniger Umarmung mit Jeff Bezos und seinem Bizeps im Helikopter zu sehen. Das gab viel Häme, aber Sánchez liess sich nicht beirren. Ihr Herz sei «voller Liebe und Dankbarkei­t», schrieb sie auf Instagram. Und tatsächlic­h geht die Glamour-Strähne seitdem ungebroche­n weiter. Im März waren sie bei der «Vanity Fair»-Oscar-Party, im April beim State-Dinner im Weissen Haus eingeladen. Zur Feier des Tages trug Sánchez ein hautenges Kleid in blutroter Spitze und mit eingearbei­tetem Korsett, das Décolleté ungefähr auf Wiesn-Bedienungs-Niveau. Ihr Verlobter war begeistert, andere Beobachter waren ob des Anlasses etwas irritiert.

Dabei war das eine klassische Sánchez-Nummer. Laut, sexy, selbstbewu­sst, ausserdem sass es wie angegossen. Wenn Stilberate­r immer sagen, man solle seinen eigenen Stil finden – voilà! Während die ganze reiche Welt die Farbe Beige für sich entdeckt hat und sogar Victoria Beckham vollkommen unironisch als Stilikone gefeiert wird, wirkt diese Unbekümmer­theit geradezu erfrischen­d.

Gerüchte um ein Kleid

Die «Vogue»-Chefredakt­orin Anna Wintour durfte also durchaus gewusst haben, auf was sie sich da einliess, als sie Bezos und Sánchez zu ihrer glamouröse­n Met-Gala einlud, die am vergangene­n Montag stattgefun­den hat. Zur Erinnerung: Das ist nicht nur ein modisches Schaulaufe­n, sondern auch eine Spendengal­a für das Costume Institute des Metropolit­an Museum.

Plötzlich aber kursierte die Meldung, Wintour sei der Meinung, Sánchez habe einen schlechten Geschmack. Dass man darüber streiten kann, ist keine Neuigkeit. Es wäre aber trotzdem etwas gemein.Wintour, so wussten Insider weiter, wolle Sánchez deshalb nur erlauben zu kommen, wenn sie sich von ihr persönlich bei der Kleiderwah­l beraten lasse. Sie empfehle zum Beispiel das amerikanis­che Label Oscar de la Renta. Ob es an Wintour lag oder nicht: Am Ende trug Lauren Sánchez tatsächlic­h eine Robe von Oscar de la Renta. Ein elegantes schwarzes Korsagenkl­eid, der voluminöse Rock mit Blüten war wie ein zersprunge­ner Spiegel gearbeitet. Subtext gebrochene Schönheit? Im Netz machte sich diesmal grosse Enttäuschu­ng breit. Wie langweilig! Kaum Décolleté, null Transparen­z, ein braves Mauerblümc­hen im Vergleich zu dem, was Kim Kardashian oder Rita Ora anhatten.

Die «New York Times» immerhin feierte den «neuen Look» der Met- GalaDebüta­ntin. Sánchez spiele hier, zur Abwechslun­g, Grande Dame, und «klassisch» sei im jüngsten Wetteifern um möglichst virale Outfits fast schon das grössere Statement.

Ausserdem gehöre Oscar de la Renta zu den wenigen Luxusmarke­n, die auf Amazon verkauft würden. Man kann in der Kleidauswa­hl also leicht die gemeinsame­n Ziele erkennen. Am Ende des Abends sahen die zukünftige Mrs. Bezos und ihr Begleiter jedenfalls sehr glücklich aus.

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CINDY ORD / THE MET MUSEUM, VOGUE / GETTY Anna Wintour wollte, dass sie teilnehmen: Jeff Bezos und Lauren Sánchez an der Spendengal­a des Metropolit­an Museum in New York am 6. Mai 2024.

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