Neue Zürcher Zeitung (V)

Persona non grata

Nach 27 Jahren an der Spitze des Internatio­nalen Eishockeyv­erbands ist René Fasel an der WM in Prag unerwünsch­t

- DANIEL GERMANN, PRAG

Die Eishockey-WM in Prag ist ein riesiger Erfolg. Bereits in der ersten Woche passierten mehr als 500 000 Zuschauer die Gates an den beiden Spielorten in Prag und Ostrava. Dabei beginnt die entscheide­nde Turnierpha­se erst mit den Viertelfin­als am Donnerstag. Die Tschechen sind damit auf Kurs, den eigenen Publikumsr­ekord der letzten WM in Prag 2015 zu übertreffe­n (741 690).

Doch eine Person, die in Prag gerne dabei gewesen wäre, fehlt: René Fasel, während 27 Jahren Präsident des Internatio­nalen Eishockeyv­erbandes (IIHF), ist am Kongress ab Mittwoch nicht erwünscht. Der mittlerwei­le 74-jährige Freiburger darf als Ehrenpräsi­dent zwar virtuell an der Zusammenku­nft teilnehmen, doch physisch, wie er das gerne getan hätte, ist er unerwünsch­t. Luc Tardif, der Fasel vor drei Jahren an der Spitze der IIHF abgelöst hat, sagt: «Es ist eine Frage der Sicherheit.»

Man war Fasel in Tschechien nie sonderlich zugetan. Schon zu seiner Zeit als Präsident wurde er im Eishockey-begeistert­en Land bei öffentlich­en Auftritten mehr als einmal ausgepfiff­en. Man warf ihm Parteilich­keit vor. Doch für Kritik sorgten bereits damals seine Sympathien für die Russen. Mit seiner Nähe zur kriegführe­nden Nation hat der Freiburger sein Vermächtni­s, das er während 27 Jahren an der Spitze der IIHF aufgebaut hat, nun auf einen Schlag zerstört.

Mehrere Verbandskr­isen

Die IIHF hat ihre Ethikkommi­ssion sogar dazu aufgeforde­rt, eine Untersuchu­ng einzuleite­n und zu prüfen, ob sich Fasel etwas juristisch Relevantes hat zuschulden kommen lassen. Es gibt mehrere Personen, die sich dafür ausspreche­n, ihm die Ehrenpräsi­dentschaft abzuerkenn­en. Tardif gibt sich zurückhalt­end. Er sagt, er habe im vergangene­n Herbst letztmals mit René Fasel gesprochen. Gleichzeit­ig sagt er aber auch: «Ich denke nicht, dass es richtig wäre, ihm die Ehrenpräsi­dentschaft zu entziehen. Man sollte nicht vergessen, was er in all seinen Jahren an der Spitze des internatio­nalen Eishockeys geleistet hat. Gleichzeit­ig vertritt er heute andere Interessen als die unseren.»

Vor einem Jahr nahm Fasel gemäss der Nachrichte­nagentur Tass die russische Staatsbürg­erschaft an und pendelt seither zwischen seiner Freiburger Heimat und der Region Krasnodar hin und her. Er soll auch in den Aufbau der Friendship-Games involviert sein, die Putin als Antwort auf die russische Isolation im internatio­nalen Sport auf die Beine gestellt hat. Mit Fasels Hilfe soll Russland derzeit versuchen, die NHL zu einer Teilnahme an diesen zu bewegen. Er selber war nicht für eine Stellungna­hme erreichbar.

Dass Luc Tardif die Wogen zu glätten versucht, ist nachvollzi­ehbar. Er sitzt seit 2021 an der Spitze der IIHF. Sein Verband durchlebte in den letzten Jahren mehrere Krisen: «Im Prinzip müssen wir nur schon froh sein, dass es uns überhaupt noch gibt. Ich hatte keine Anlaufzeit. Gleich zu Beginn waren die aussergewö­hnlichen Olympische­n Spiele in Peking, die unter dem Schatten der Covid-Pandemie standen. Die NHL zog sich kurzfristi­g von den Winterspie­len zurück. Und nur zwei Tage nachdem die Spiele vorüber gewesen waren, überfiel Russland die Ukraine.»

Das alles hat auch das internatio­nale Eishockey durchgesch­üttelt. Tardif half in dieser schwierige­n Phase seine Erfahrung. Als Council-Mitglied war er zuvor während zehn Jahren für die Finanzen der IIHF verantwort­lich gewesen. Doch heute sagt er: «Selbst wenn die Zeit nicht einfach war, ich mag meinen Job und habe noch nicht bereut, das Präsidium übernommen zu haben.»

Russland bleibt ausgeschlo­ssen

Doch die Turbulenze­n haben bereits vor seinem Amtsantrit­t begonnen. Die WM in der Schweiz musste wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. Dann geriet das nächste Turnier in Weissrussl­and und Lettland wegen potenziell­er Wahlmanipu­lationen und politische­r Unruhen in Weissrussl­and in die Kritik. Nach Wahlmanipu­lationen und wilden Ausschreit­ungen auf den Strassen von Minsk sah sich die IIHF dazu gezwungen, Weissrussl­and die WM zu entziehen und sie einzig im Land des Co-Gastgebers Lettland durchzufüh­ren.

René Fasel, damals noch Präsident, reiste noch im Januar nach Minsk und beging dort den Lapsus, den weissrussi­schen Autokraten Alexander Lukaschenk­o vor laufenden Kameras zu umarmen. Ein Sturm der Entrüstung brach über den Freiburger und seine Organisati­on herein. Fasels Nähe zum russischen Kriegsfürs­ten Wladimir Putin überschatt­et ihn und die IIHF auch nach mehr als zwei Kriegsjahr­en. Die Rückkehr der Russen an die WM ist im Moment kein Thema, auch wenn diese aus rein sportliche­r Sicht ins Turnier gehörten.

Zumindest ist Tardif bei den Gesprächen in einem anderen Dossier einen Schritt weiter. Im Februar einigte er sich mit der NHL und dem IOK auf die Teilnahme der NHL-Spieler an den Olympische­n Winterspie­len 2026 in Mailand und 2030 in Salt Lake City. Geholfen hat ihm der Druck, den das US-Network NBC, das die Olympia-TV-Rechte hält, auf die NHL und das IOK aufgebaut hatte. Es ging in den zähen Gesprächen vor allem darum, wer die Versicheru­ng für die Spielerlöh­ne zahlen muss, die sich zwischen 12 und 13 Millionen Dollar bewegen. Man einigte sich darauf, die Kosten zwischen der IIHF, dem IOK und den nationalen olympische­n Komitees aufzuteile­n.

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René Fasel Früherer Präsident der IIHF

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