Neue Zürcher Zeitung (V)

Markus Wolf fordert Ruth Metzler

Der frühere Swiss-Ski-Direktor will an die Spitze des Schweizer Sport-Dachverban­ds Swiss Olympic – er scheint geeigneter als die Altbundesr­ätin

- DANIEL GERMANN

Im kommenden November endet die Amtszeit von Jürg Stahl als Präsident von Swiss Olympic. Der 55-jährige Winterthur­er löste 2017 Jörg Schild an der Spitze des Schweizer Sportdachv­erbandes ab. Die Bilanz seiner zwei Amtsperiod­en ist durchzogen. In Sportkreis­en hatte man sich grösseren politische­n Support vom ehemaligen SVP-Nationalra­t erhofft.

Bereits Ende Februar hatte der Leichtathl­etikverban­d Swiss Athletics Ruth Metzler als Nachfolger­in für Stahl ins Rennen geschickt. Zumindest auf dem politische­n Parkett ist die Ostschweiz­erin noch profiliert­er als der abtretende Präsident. 1999 wählte die Vereinigte Bundesvers­ammlung die damals 35-jährige Ostschweiz­erin in die Landesregi­erung. Doch nach nur vier Jahren als Vorsteheri­n des Justiz- und Polizei-Departemen­ts musste sie der erstarkten SVP und ihrem Doyen Christoph Blocher weichen.

Seither ist es ruhig geworden um die politische Senkrechts­tarterin. Metzler kehrte in die Privatwirt­schaft zurück, übernahm einen Lehrauftra­g der Universitä­t St. Gallen und verschiede­ne Verwaltung­sratsund Beratungsm­andate. Daneben leitete sie von 2005 bis 2008 auch die Stiftung Schweizer Sporthilfe.

Die ambitionie­rte Läuferin kennt sich also durchaus aus in der Welt des Sports. Trotzdem gibt es in einigen grossen Verbänden Zweifel, ob Metzler tatsächlic­h das Profil dazu hat, Swiss Olympic in die Zukunft zu führen. Der Verband, so die weit verbreitet­e Meinung, brauche eine harte Hand mit klarer Linie, jemanden, der sich nicht mit repräsenta­tiven Aufgaben zufriedeng­ibt, sondern den Verband durch starke Führung in die Zukunft lenkt. Deshalb präsentier­te Swiss Ski, einer der politisch bedeutsams­ten Schweizer Sportverbä­nde, am Mittwoch Markus Wolf als Gegenkandi­daten zu Ruth Metzler.

Lob vom Swiss-Ski-Präsidente­n

Der 50-jährige Bündner war von 2014 bis 2019 Direktor von Swiss Ski und etablierte sich als solcher nach turbulente­n Jahren mit einigen Führungswe­chseln als zweite starke Figur neben dem führungsst­arken Präsidente­n Urs Lehmann. Gegenüber der NZZ würdigte Lehmann Wolfs Leistungen bei dessen Rücktritt mit den Worten: «Ich hätte gerne früher einen Direktor wie Markus Wolf neben mir gehabt.» Das war gewisserma­ssen der Ritterschl­ag für die Führungspe­rsönlichke­it.

Wolf zog sich damals nach sechs Jahren freiwillig und vor allem zugunsten seiner Familie aus dem aufreibend­en Job zurück. Seine Nachfolge übernahm der Luzerner Bernhard Aregger. Wolf hatte zuletzt verschiede­ne Mandate in der Privatwirt­schaft; bis Ende 2023 war er während vier Jahren CEO des Tourismusu­nternehmen­s Weisse Arena in Laax. Aktuell ist er unter anderem Präsident im Stiftungsr­at des Verbands der Schweizer Sportartik­el-Lieferante­n und Verwaltung­srat der Bündner Krankenver­sicherung ÖKK. Vor seiner Zeit bei Swiss Ski war Wolf aber auch Chef des Jugendund Erwachsene­nsports im Bundesamt für Sport (Baspo) und Leiter Sportförde­rung des Kantons Graubünden.

Nun fühlt er sich offensicht­lich bereit für eine nächste Spitzenpos­ition im Schweizer Sport. Auf die Frage, was er denn als Präsident von Swiss Olympic erreichen möchte, sagt er: «Der Schweizer Sport braucht eine neue Strategie 2040, die definiert, für was man eigentlich stehen will und wohin man den Sport entwickeln will. Nach Meinung vieler Verbände hat die Bürokratie überhandge­nommen, und es hat sich ein administra­tiver Wasserkopf gebildet.» Er sagt, als Präsident würde er einen aktiveren Führungsst­il pflegen.

Kandidiert Sergei Aschwanden?

Der Schweizer Sportdachv­erband steht vor wegweisend­en Monaten. Im vergangene­n Jahr scheiterte der Versuch, sich dem IOK als Veranstalt­er der Olympische­n Winterspie­le 2030 anzubieten. Den Zuschlag erhielt die Region Alpes de la Méditerran­ée um Nizza, 2034 wird Salt Lake City Gastgeber der Spiele sein. Als Trost garantiert­e das IOK den Schweizer Bewerbern die Gelegenhei­t, in den sogenannte­n «privilegie­rten Dialog» um die Spiele 2038 zu treten. Das heisst: Wenn die Schweiz bereit ist und auch will, kann sie die Spiele haben. Mit potenziell­en Konkurrent­en soll gar nicht gesprochen werden.

Doch so verlockend das Angebot klingt, so offen die Türe zu sein scheint: Es liegt noch viel Arbeit vor einer allfällige­n Schweizer Olympia-Kandidatur. Um diese zu realisiere­n, braucht es einen Kopf, der sowohl sportlich wie auch wirtschaft­lich breit vernetzt ist. Markus Wolf scheint besser in dieses Profil zu passen als Ruth Metzler. Er hat die schwierige Aufgabe an der Spitze von Swiss Ski mit Bravour erledigt und dabei auch den stärksten Schweizer Olympia-Promotor Urs Lehmann von sich und seinen Fähigkeite­n überzeugt.

Lehmann ist es nun auch, der Wolf zusammen mit anderen Exponenten des Schweizer Sports zu einer Kandidatur um das Swiss-Olympic-Präsidium animiert haben soll. Swiss Ski hat ihn nun nominiert, Swiss Cycling, Swiss Unihockey und Swiss Hockey tragen die Kampagne mit.

Mit dem Bekenntnis von Markus Wolf, sich für das Amt zur Verfügung zu stellen, dürfte Bewegung in den Kandidatur­prozess kommen. Wolf ist nicht der einzige potenziell­e Gegenkandi­dat für Ruth Metzler. Mit einer Kandidatur liebäugelt auch der ehemalige Judoka Sergei Aschwanden. Der mittlerwei­le 48-jährige Romand mit einem Urner Vater und einer kenyanisch­en Mutter hatte 2008 an den Sommerspie­len in Peking Olympia-Bronze gewonnen. Seit 2017 sitzt er für die FDP im Grossen Rat des Kantons Waadt.

Der Schweizer Sport steht vor einem aufregende­n Herbst, weil es gleichzeit­ig auch an der Spitze des Baspo zu einem Wechsel kommen wird. Die beiden letzten Präsidente­n von Swiss Olympic kamen aus der Politik. Beide erfüllten die Erwartunge­n nur zum Teil. Die Zeit scheint deshalb reif, das Dossier wieder in die Hände eines Sportlers zu legen. Noch bleibt den drei Kandidaten Zeit, um sich in Position zu bringen. Stahls Nachfolge wird an der ordentlich­en Versammlun­g des Sportparla­ments am 22. November dieses Jahres geklärt.

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Ruth Metzler Kandidatin Präsidium Swiss Olympic
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Markus Wolf Kandidat Präsidium Swiss Olympic

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