Der entzauberte David Copperfield
Schon früher bezichtigten einzelne den Magier des sexuellen Missbrauchs – folgenlos. Nun gehen sechzehn Frauen gemeinsam gegen ihn vor
David Copperfield verzauberte eine der schönsten Frauen der Welt angeblich mit frittierten Kartoffeln. 1993 trat der erfolgreichste Magier der TV-Geschichte in Düsseldorf auf und sah im Publikum Claudia Schiffer sitzen. Diese war schon ein bekanntes Model, später wurde sie Copperfields Verlobte.
An diesem Abend aber sollte sie nur bei einem Zaubertrick helfen, er holte sie auf die Bühne. Schiffer erwähnte dabei Pommes frites. Später, auf einer pommesfreien Party, liess Copperfield extra für Schiffer Pommes erscheinen. Der «New York Times» verriet Copperfield drei Jahre danach: «Ich liess sie von einem meiner Mitarbeiter holen. Sie musste lächeln.» Eine Schmeichelei, deren Taktik Copperfield harmlos beschrieb: «Wenn man als Mann zum ersten Mal ein Mädchen trifft, dann tut man alles, was nötig ist.»
Anfang der Woche berichtete der «Guardian» aber, dass Copperfield zu zweifelhaften oder gar justiziablen Taktiken gegriffen haben soll. Insgesamt sechzehn Frauen beschuldigen ihn, dass er sich ihnen gegenüber sexuell übergriffig verhalten habe. Mehr als die Hälfte der Frauen gab an, zum Zeitpunkt der Übergriffe Teenager gewesen zu sein.
«Ich war überhaupt nicht cool»
Drei Frauen berichteten, sie seien vor dem Sex unter Drogen gesetzt worden. Der «Guardian» beruft sich auf Interviews mit mehr als hundert Menschen sowie auf Polizei- und Gerichtsakten. Die Vorwürfe beziehen sich auf einen Zeitraum von Ende der 1980er Jahre bis 20 14. Alle Frauen gaben an, Copperfield durch seine Arbeit kennengelernt zu haben.
David Copperfield hat in seiner Karriere die amerikanische Freiheitsstatue verschwinden lassen, er ist durch die chinesische Mauer spaziert und hat sich von einem Laser zerschneiden lassen. Er hat für seine Shows mehr Tickets verkauft als Michael Jackson oder Elvis Presley und ist einer der grössten Illusionisten aller Zeiten.
Dabei begann Copperfield, der eigentlich David Kotkin heisst, als Bauchredner in seiner Highschool. Er liess seine Puppe Witze aus einem Heft für Pfadfinder erzählen und kam damit an. «Als ich danach ins Klassenzimmer ging, sagten die Kinder: ‹Wow, du bist cool›», erzählte Copperfield 2017 gegenüber dem «Interview Magazine». «Ich war überhaupt nicht cool, aber ich dachte: ‹Das ist ein ziemlich guter Deal.›» Weil die anderen Kinder mochten, was Copperfield ihnen vorspielte, entschied er, mehr davon anzubieten.
Mit den nun erhobenen Anschuldigungen konfrontiert, liess Copperfield dem «Guardian» durch seine Anwälte mitteilen, dass er sich «niemals unangemessen gegenüber jemandem verhalten habe, schon gar nicht gegenüber einer Minderjährigen». Laut der Mitteilung der Anwälte sei Copperfield ein Verfechter der #MeToo-Bewegung, die weltweit Frauen ermutigt hat, ihre Geschichten über mutmasslichen Missbrauch zu erzählen. Laut den Anwälten habe es schon früher «zahlreiche falsche Behauptungen» gegen Copperfield gegeben.
Anfang 2018 hatte Copperfield in einem langen Statement auf X und Instagram vor falschen Anschuldigungen im Zuge der #MeToo-Debatte gewarnt. Solche schadeten der Glaubwürdigkeit tatsächlicher Opfer. Die #MeToo-Bewegung, die sexuelle Übergriffe anprangert, sei «entscheidend und lange überfällig» und solle sich weiterentwickeln – «aber bitte urteilt zum Wohle aller nicht vorschnell», schrieb Copperfield. Er bezog sich dabei auch auf Frauen, die ihn beschuldigt hatten.
Auftritt bei Oprah Winfrey
Brittney Lewis zum Beispiel, einst aufstrebendes amerikanisches Model, warf Copperfield vor, sie als 17-Jährige im Jahr 1988 unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht zu haben. Lewis sagte gegenüber dem Magazin «The Wrap» damals, er habe ihr etwas ins Glas gemischt: «Ich erinnere mich, dass mir die Kleider ausgezogen wurden», sagte Lewis. Copperfield habe sie geküsst, «dann erinnere ich mich, dass er anfing, mit seinem Gesicht über meinen Körper zu streichen, und dann, sobald er anfing, wurde ich völlig ohnmächtig.» Am nächsten Morgen sei sie mit Übelkeit und Brechreiz aufgewacht, er habe gesagt, es sei nichts passiert und dass es besser sei, wenn sie nun nach Hause gehe. Nun ist Lewis eine der sechzehn Frauen, die ihre Vorwürfe im «Guardian» öffentlich gemacht haben.
2007 beschuldigte die frühere Schönheitskönigin Lacey Carroll Copperfield, sie auf seine Privatinsel in den Bahamas entführt und sexuell missbraucht zu haben. Nach zweijähriger Untersuchung liess das FBI die Anklage ohne offizielle Begründung fallen, Carroll wurde später wegen falscher Anschuldigungen sexueller Übergriffe gegen einen anderen Mann zu einer Geldstrafe verurteilt.
Nachdem das FBI seine Ermittlungen abgeschlossen hatte, trat Copperfield in der Show von Oprah Winfrey auf und sagte: «Ich war das Opfer.» Er fügte hinzu: «Wenn man fälschlicherweise wegen etwas Schrecklichem beschuldigt wird, ist das verheerend für einen selbst, für seine Freunde und für seine Familie.»
Als junger Mann hatte Copperfield Filme von Orson Welles und Victor Fleming bewundert. Er wollte Geschichten erzählen, so wie die berühmten Regisseure, er wollte das Publikum berühren und bewegen. Nur erzählte Copperfield nicht «Citizen Kane» oder «Vom Winde verweht». «Ich war gut im Zaubern, also was sollte ich tun?», fragte er im «Interview Magazine». «Ich begann, Magie aus den richtigen Gründen zu verwenden – um Mädchen zu kriegen.»
Ablehnung habe für seine Entwicklung eine grosse Rolle gespielt, erzählte Copperfield weiter. Er wollte unbedingt Erfolg haben, wollte akzeptiert werden – auch von den erwachsenen Zauberern, die ihn zunächst nicht ernst nahmen. Also las Copperfield jedes Zauberbuch, das er in die Finger bekam, studierte jede Bewegung der Grossen. 1968 wurde er mit zwölf Jahren als jüngster Anwärter ihrer Geschichte in die Society of American Magicians aufgenommen. Trotzdem erfahre er auch heute noch oft genug Ablehnung. «Ich habe immer eine Lösung für Leute gefunden, die mir den Rücken gekehrt haben», sagte Copperfield.
Die Recherchen des «Guardian» legen nun nahe, dass Copperfield auch eine Lösung für Frauen gefunden haben könnte, die ihn ablehnten. Gemäss dem Bericht weisen die jeweiligen Vorwürfe Gemeinsamkeiten auf: Mehrere Frauen sagten gegenüber dem «Guardian», Copperfield habe ihnen versprochen, sie bei ihrer Karriere als Model oder in der Unterhaltungsindustrie zu unterstützen. Er habe dabei versucht, Kontakt zu ihnen und ihren Eltern zu halten.
«Ich begann, Magie aus den richtigen Gründen zu verwenden – um Mädchen zu kriegen.»
David Copperfield