Prestige (Switzerland)

RAUM DER VERBESSERU­NG

Zu Besuch beim Galeristen Thaddäus Ropac

- Autorin_Simone Hoffmann

DIE MUSEEN MÖGEN GESCHLOSSE­N SEIN. SEINE PARISER GALERIEN SIND OFFEN, UND DIE MASSEN STRÖMEN. DENN BEI THADDÄUS ROPAC SIEHT MAN SIE, DIE GROSSEN KÜNSTLER DER GEGENWART. GANZE 700 BESUCHER KAMEN AM WOCHENENDE VOR UNSEREM GESPRÄCH IN DIE GALERIE IM PARISER MARAIS, UM DORT KUNSTWERKE DES AMERIKANIS­CHEN KÜNSTLERS TOM SACHS ANZUSCHAUE­N. SEINEN PLATZ IM ZENTRUM DES PARISER KUNSTLEBEN­S HAT SICH THADDÄUS ROPAC MIT SEINER BESTIMMTEN UND DOCH FREUNDLICH-ELEGANTEN ART ERARBEITET. ERST IM LETZTEN JAHR HAT DER GALERIST DAS 30-JÄHRIGE BESTEHEN SEINER PARISER NIEDERLASS­UNG GEFEIERT. IN DIESER ZEIT HAT DER ÖSTERREICH­ER DEN INTERNATIO­NALEN KUNSTMARKT BEEINFLUSS­T UND MITGESTALT­ET, NICHT ZULETZT MIT DER ERÖFFNUNG SEINER GALERIEN IM PARISER VORORT PANTIN UND DER LONDONER DEPENDANCE. BREXIT ZUM TROTZ. THADDÄUS ROPAC IST STEINBOCK, UND SO SCHNELL LÄSST ER SICH NICHT VON EINER KRISE ABSCHRECKE­N, DAS HAT ER IN DEN LETZTEN 37 JAHREN BEWIESEN.

PRESTIGE: 1983 haben Sie Ihre erste Galerie in Salzburg eröffnet. Wie kamen Sie eigentlich zur Kunst, Herr Ropac?

THADDÄUS ROPAC: Ich wollte zunächst eigentlich selbst Künstler werden. Joseph Beuys war mein grosser Held, und seinetwege­n bin ich aus Österreich nach Düsseldorf und Berlin gegangen. Aber ich habe sehr schnell gemerkt, dass mir das Talent fehlt. Auf der documenta in Kassel wurde ich mit den besten Künstlern, die es damals gab, konfrontie­rt. Und da war mir klar, dass ich meine Berufung woanders suchen muss. Ich wollte den Künstlern aber weiterhin nahe sein, die Kunstwelt nicht verlassen. Zu der Zeit habe ich mit Freunden aus Österreich gesprochen, die aus meinem Jahrgang stammten und alle frisch ins Berufslebe­n einstiegen. Da fiel mir auf, wie wenig meine Generation mit zeitgenöss­ischer Kunst vertraut war. So entstand die Idee: Ich gehe nach Österreich und mache dort eine Galerie auf, um diese Künstler zu zeigen. Damals gab es einen Spielraum dafür.

Zu Ihren Anfängen als Galerist habe ich einmal eine Geschichte gehört: Sie sollen in Beuys' Atelier in seiner Abwesenhei­t ein Kunstwerk verkauft haben. Und er habe dann gesagt: «Du musst Galerist werden!»

Nein, das ist nicht richtig. Ich werde auch immer wieder fälschlich­erweise als Assistent von Beuys beschriebe­n. Das stimmt nicht. Als ich 21 Jahre alt war, habe ich ein Praktikum bei Beuys gemacht. Das kam so: Ich habe damals eine Gastvorles­ung von ihm in Wien besucht. Da die documenta damals Freiwillig­e suchte, konnte ich Beuys im Sommer 1982 auf der documenta in Kassel erleben. Einige Wochen später bin ich Beuys nach Berlin gefolgt, wo ich als einer von vielen Praktikant­en half, seine Werke für die Gruppenaus­stellung «Zeitgeist» im MartinGrop­ius-Bau zu installier­en. Ich habe aber nie in seinem Atelier gearbeitet und war damals viel zu unerfahren, um irgendetwa­s verkaufen zu können.

Was war denn das erste Kunstwerk, das Sie verkauft haben?

(Lacht) eine Beuys-Zeichnung. Das war 1983, sie hat damals 2000 Mark gekostet. Ich habe sie einem Freund verkauft, der sie abgezahlt hat. Joseph Beuys war für mich damals der wichtigste Künstler, dem ich am nächsten stand. Aber ohne dass da eine grosse persönlich­e Verbindung bestand. Er hat mir die Tür nach Amerika geöffnet.

Und da haben Sie dann sehr schnell die wichtigste­n Künstler wie Warhol und Basquiat kennengele­rnt. Wie kam es genau dazu?

Das war wie gesagt Beuys. Er hat mir ein Empfehlung­sschreiben für Andy Warhol geschriebe­n. Einfach so, auf eine Serviette. Das war meine «Fahrkarte». Ich hatte das Glück, dass Warhol es absurderwe­ise interessan­t fand, dass da jemand aus Österreich kam. Er selbst stammt ja aus der Slowakei, sein echter Name ist Warhola. Der Manager hat mich erst mal abgewimmel­t, und das hat Warhol mitgekrieg­t. Er sagte dann «Let him in», weil er gehört hat, dass ich aus Österreich kam. Das war Zentraleur­opa, seine Heimat. Bruno Bischofber­ger hat dann kurze Zeit später organisier­t, dass Warhol für Portraits von Wiener Prominente­n nach Österreich kommt. Auf dem Weg dorthin kam er nach Salzburg, und wir haben eine Ausstellun­g gemacht. Und Basquiat, den Namen hatte ich noch nie gehört! Es war wirklich ein totaler Glücksfall, dass ich in Salzburg so früh (1983) eine Ausstellun­g mit Jean-Michel Basquiat machen konnte, in dem Jahr, in dem ich eröffnet habe. Und dann kam noch Robert Mapplethor­pe dazu.

Dieser Beginn ist ja fast schon ein Omen für die Zukunft …

Ja, in gewisser Weise schon. Tragischer­weise starben diese Künstler zu früh, Beuys 1986, Warhol 1987, Basquiat 1988, Mapplethor­pe 1989. Beuys ging es nicht gut, da war es nicht ganz so unerwartet. Aber Warhol starb ganz überrasche­nd an einer Gallenoper­ation. Er dachte, er geht ins Krankenhau­s und kommt am nächsten Tag wieder raus. Das war ein Riesenscho­ck, weil wir gerade mitten in einem grossen Projekt steckten, das wir nicht mehr zu Ende führen konnten. Und Basquiat ist mit 28 Jahren gestorben. Am 25.Juli 1988 eröffneten wir seine Ausstellun­g in der Galerie in Salzburg. Von dort aus ist er dann über Paris nach New York zurückgefl­ogen. Und am 8. August starb er. Wir haben die letzte Ausstellun­g von Basquiat zu seinen Lebzeiten eröffnet, und sie lief auch noch, als er gestorben war. Es gab damals diese internatio­nale Aufregung, und ich erinnere mich noch, dass Sammler anriefen, die alle Arbeiten haben wollten. Ich war gar nicht darauf vorbereite­t. Es war ein Schock und gleichzeit­ig ein Teil der Geschichte, die ich ganz persönlich direkt erleben durfte.

Heute geht es mit der Geschichte weiter. Sie vertreten ja viele grosse Künstler – Georg Baselitz, Tony Cragg oder Gilbert & George. Hinter Ihrem Schreibtis­ch hängt ein Bild von Anselm Kiefer, welche Künstler sind für Sie besonders wichtig?

Auf jeden Fall die deutschen Maler Anselm Kiefer und Georg Baselitz. Sie haben den Malereibeg­riff neu definiert und auch das Galeriepro­gramm wesentlich geprägt. Es ist bemerkensw­ert, dass diese Malerei aus Deutschlan­d kam. Dass Deutschlan­d in der Malerei die Latte gelegt hat mit einer Generation von Malern wie Richter, Polke, Baselitz und Kiefer. Mit Anselm Kiefer und Georg Baselitz verbindet mich eine so lange intensive Zusammenar­beit; ich kann nicht mehr zählen, wie viele Ausstellun­gen wir über die Jahre gemacht haben.

Was zeichnet denn Ihre Beziehung zu den Künstlern aus, mit denen Sie arbeiten?

Ich glaube, das Wichtigste ist Respekt und Vertrauen. Ohne diese beiden wird es nichts. Man muss sich respektier­en, als Galerist und Künstler, man muss sich vertrauen. Das ist intensiv, es sind auch Freundscha­ften, aber man braucht den Abstand, um sich kritisch zu begegnen, dass man als Galerist einen Künstler auf Dinge aufmerksam machen kann. Man nimmt sich ernst und geht immer zu neuen Zielen voran. Als Galerist versucht man, den künstleris­chen Nukleus zu erhalten, dass vieles möglich wird. Der Künstler muss das Vertrauen haben, dass er uns die besten Werke anvertraut und dass wir den besten Platz dafür schaffen.

Wie funktionie­rt das denn konkret. Wie sagt man einem Anselm Kiefer: In dem Werk stimmt etwas nicht?

Das erwartet er sogar! Es ist ein offener Dialog, man sieht das Bild ja nicht erst, wenn es fertig ist. Man sieht Serien entstehen. Ich war erst gestern wieder bei Anselm Kiefer, der ja in der Nähe von Paris lebt. Georg Baselitz lebt am Ammersee und in Salzburg. Das schafft auch besondere Nähe zu den Künstlern. Aber es gibt auch Künstler, die diesen Dialog des kritischen Betrachten­s nicht wünschen. Gilbert&George beispielsw­eise wollen das nicht. Sie wollen ein Werk völlig unbeeinflu­sst schaffen und präsentier­en das fertige, nicht zu beeinfluss­ende Werk. Das muss man respektier­en. Hier, schauen Sie, das kam mit der Post: Das sind die neuesten Werke von Gilbert & George, die wir hier bald zeigen werden.

Welche Herausford­erungen bringt denn die Arbeit mit den Künstlern mit sich?

Man hat ständig Probleme zu lösen, und da bin ich meist involviert. Wenn es gut läuft, habe ich weniger damit zu tun. Das können ganz unterschie­dliche Probleme sein, Änderungen im persönlich­en Lebensfeld, aber natürlich auch Probleme profession­eller Natur. Man muss einfach sehr präsent sein. An sich hat sich der Beruf des Galeristen in den letzten 30 Jahren unglaublic­h verändert. Heutzutage muss man eine viel grössere Infrastruk­tur anbieten, um Künstler glücklich zu machen. Als ich angefangen habe, hätte ich mir nie gedacht, dass wir einmal mit einem Team von 100 Leuten arbeiten. Aber heute brauchen wir das. Wir haben ein wissenscha­ftliches Team und ein Content Team. Wir vertreten 65 Künstler und Estates, und bei jeder einzelnen Vertretung steckt ein ganzes Team dahinter. Manchmal gibt es tägliche Betreuung, das war früher nicht so. Ein Künstler will erst mal inhaltlich­e Vertretung, die Webseite, Pressearbe­it. Aber auch Begleitung bei jeder Aktivität im Museum, das geht vom Fundraisin­g zum Inhalt, das Aufbereite­n der Ateliers. Künstler wollen sich ständig technisch verbessern. Ich erinnere mich noch, als ich angefangen habe, hat man die Faxmaschin­e entdeckt. Wir sollten uns eine Maschine zulegen. Aber ich sagte: «Wir legen uns das erst zu, wenn jeder das hat, damit man das nutzen kann.» Ich habe damals gar nicht gesehen, was das für eine Möglichkei­t bot. Man muss sich mal vorstellen, was sich da getan hat. Heute ist allein unser Social-Media-Team mit fünf Leuten jeden Tag damit beschäftig­t, Instagram, Facebook und Twitter zu füttern.

Gerade Instagram ist in den letzten Jahren als Vitrine für Künstler immer wichtiger geworden. Nutzen Sie selbst die sozialen Medien?

Für mich sind das Informatio­nstools, die man nutzt. Man muss sehr neugierig bleiben und sich Neuem stellen. Wenn man aufhört, sich der neuen Kunst zu öffnen, veraltet man schnell. Ich sehe mir vieles an, aber ich habe nicht so viel Zeit für Social Media. Es wird für mich vorgesiebt, und dann schaue ich selbst.

Julia Peyton-Jones leitet einen eigenen Think Tank, um neue Künstler zu finden. Mit dem haben wir in London recherchie­rt, wie ganz junge Künstler malen. Das lief zwar auch über Social Media, aber Atelierbes­uche sind und bleiben unverzicht­bar. Als Ergebnis haben wir einige junge Künstler ins Programm genommen, und manche haben bereits Karriere gemacht: Rachel Jones, Megan Rooney. Ganz junge Künstler, die wir in den Anfängen ihrer Karriere begleiten und die wir auf diese Art und Weise gefunden haben.

Sie haben Galerien in Salzburg, Paris und London und vertreten einige der wichtigste­n Künstler der Gegenwart. Was treibt Sie heute jeden Tag an?

Die Exzellenz. Das, was wir machen, besser zu machen. Ich sehe bei allem, was wir tun, das, was nicht gelingt. Manchmal ist das natürlich ein wenig übertriebe­n bei mir, aber ich sehe immer den Raum der Verbesseru­ng. Inzwischen habe ich aber gelernt, dass der Weg das Ziel ist. Weil man nie wirklich erreichen wird, was man erreichen will. Es geht um den Weg, und auf dem kann man sich immer verbessern, Stück für Stück.

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Die beinahe 5000Quadra­tmeter lassen die Galerie in Pantin fast schon zu einer Kunsthalle werden. Hier stellt der Galerist monumental­e Werke wie die des britischen Duos Gilbert&George aus.
 ??  ?? Georg Baselitz «Im Takt, aber leise», 2019. Courtesy Thaddaeus Ropac London,
Paris, Salzburg.
Georg Baselitz «Im Takt, aber leise», 2019. Courtesy Thaddaeus Ropac London, Paris, Salzburg.

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