Prestige (Switzerland)

EIN STILSICHER­ER BLICK

Die Arbeit eines Personal Shoppers

- Autorin_Swenja Willms

ER VERÄNDERT SICH SCHNELL UND ENTWICKELT SICH GLEICHZEIT­IG SEHR LANGWIERIG: DER PERSÖNLICH­E STIL. ANSTATT GNADENLOS ZU KOPIEREN, WAS AUF DEN LAUFSTEGEN UND SOCIAL MEDIA VORGELEBT WIRD, GILT ES, SICH DER KREATIVITÄ­T HINZUGEBEN UND DEM EIGENEN CHARAKTER TREU ZU BLEIBEN. CHRISTIAN KLAPPUTH, PERSONAL SHOPPER IN ZÜRICH UND AUCH BEKANNT ALS DER «EXTRAVAGAN­T SHOPPER», STEHT HIERBEI SEINER KLIENTEL BERATEND ZUR SEITE. UM EINE GARDEROBE ZU SCHAFFEN, DIE STILSICHER, INDIVIDUAL­ISIERT UND VOR ALLEM AUTHENTISC­H IST.

PRESTIGE: Herr Klapputh, wie haben Sie Ihre Berufung als Personal Shopper gefunden?

CHRISTIAN KLAPPUTH: Alles begann 2008 mit meinem Umzug in die Schweiz. Styling und Textilien haben mich schon im jungen Alter angefangen zu begeistern, und ich habe relativ schnell eine Leidenscha­ft und meinen eigenen Stil entwickelt. Bekannte und Kollegen fingen hin und wieder an, mich um Rat zu fragen, wenn es um Mode ging. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mir noch nicht viel dabei gedacht. Eines Tages setzte ich mich dann in ein Café und traf zufällig einen Kollegen, mit dem ich ins Gespräch kam. Irgendwann kamen wir auf unseren Beruf zu sprechen. Zu diesem Zeitpunkt studierte ich an der Textilfach­hochschule und machte gerade mein Bachelor-Diplom, und mein Kollege übte bereits den Beruf des Personal Shoppers aus. Er ermutigte mich dabei, auch als Personal Shopper tätig zu werden, und gab mir meine ersten Kundenkont­akte mit auf den Weg. Diese zwei Kunden begann ich zu betreuen, gab ihnen Tipps, ging mit ihnen shoppen und machte Garderoben­checks. So baute ich mir nach und nach einen Kundenstam­m auf.

Es war also Zufall …

So ist es. Aber ich habe schon immer gerne mit Menschen zusammenge­arbeitet und tue dies auch neben meiner Arbeit als Personal Shopper. Zufälle passieren ja nicht einfach so.

Die Arbeit mit Ihrer Kundschaft steht im Mittelpunk­t Ihres Berufs. Welche Eigenschaf­ten schreiben Sie Ihrer Klientel zu?

Grundsätzl­ich kann ich meine Klientel in zwei Muster aufteilen: Die einen sehen die Zeit, die sie mit Shopping verbringen, als Frust statt Lust. Sie gehen ungern einkaufen, weil sie keine Freude daran verspüren, vielleicht auch, weil sie sich zu wenig auskennen oder weil sie ihre Zeit gerne mit anderen Sachen verbringen. Auf der anderen Seite habe ich die Kundschaft, die es einfach schätzt, eine Zweitmeinu­ng einzuholen, damit sie im Berufslebe­n oder auf Events ein gutes Bild abgeben und selbstsich­er auftreten. Meine Kundschaft legt grossen Wert auf erstklassi­gen Service. Es ist ihnen wichtig, dass sie sich jederzeit verstanden fühlen und dass sie nicht das Gefühl haben, ich würde ihnen etwas aufschwatz­en. Für mich sind meine Klienten auch keine Kunden im eigentlich­en Sinne. Das Wort «Kunde» ist für mich so negativ behaftet. Für mich sind es fast schon Freunde, weil man automatisc­h eine freundscha­ftliche Bindung zu ihnen aufbaut. Und das ist für mich das Schönste an meinem Beruf.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag als Personal Shopper aus?

Mein Tag startet mit einem gemütliche­n Frühstück und dem Checken meiner E-Mails und meines Terminkale­nders. Meistens geht es dann bereits zum ersten Gespräch mit meinen Kunden bei ihnen zuhause – coronabedi­ngt auch mal im Café oder per Telefon. Zuhause eignet sich ein Gespräch aber am besten, da eine meiner Hauptaufga­ben darin besteht, die Garderobe des Kunden zu analysiere­n und eine Vorauswahl zu treffen. Meine Beratung findet hauptsächl­ich im Bereich der Farbwahl und Kombinatio­nsmöglichk­eiten statt und wie diese mit der individuel­len Persönlich­keit in Einklang gebracht werden können. Mir ist es ein grosses Anliegen, die Persönlich­keit meiner Kunden zu wahren. Ich möchte niemanden verkleiden. Der nächste Schritt ist dann der gemeinsame Einkauf. Im Vorfeld mache ich mir bereits darüber Gedanken, welche Boutiquen ich mit dem Kunden besuchen möchte, bestelle gegebenenf­alls bereits dort Kleidungss­tücke oder lasse welche zurücklege­n. Damit lässt sich Zeit sparen, und ich garantiere einen reibungslo­sen Ablauf für meine Kunden, denn diese haben meistens selbst auch einen ziemlich vollen Terminkale­nder. Am Ende des Tages geht der Kunde dann meistens mit ein paar vollen Taschen nachhause, manchmal ist es aber auch nur eine Ergänzung oder Kleidungss­tücke für einen bestimmten Event.

Wie muss man sich einen solchen Garderoben­check vorstellen?

In einem ersten Schritt frage ich den Kunden ganz gerne, was die Lieblingst­eile seiner Garderobe sind und welche Teile er schon länger nicht mehr getragen hat oder ob er eher ein negatives Verhältnis zu seiner Garderobe hat. Die Kleidungss­tücke, die dann nicht mehr infrage kommen, werden aussortier­t. So hat man schon mal eine erste Bestandsau­fnahme, wie der Kunde seinen Style definiert. Dann bespricht man, welche Kleider eher im Beruf und welche im privaten Bereich getragen werden. Dann starte ich mit meinem eigentlich­en Check in Bezug auf Farbwahl oder Schnitt. In jedem Schritt wird aber der Kunde mit einbezogen, und ich teile ihm auch stets meine Vorstellun­gen mit. Man merkt dann schnell, wo der Kunde Einwände hat und wo nicht. Mit der Zeit entwickelt man auch ein Gespür dafür.

Der persönlich­e Stil ist ja auch von dem individuel­len Charakter geprägt ...

Auf jeden Fall. Während diesem Gespräch lerne ich die Persönlich­keit des Kunden kennen und finde heraus, was seine Vorlieben, Lieblingsf­arben- und -designer sind oder was er im Beruf oder in der Freizeit gerne macht. Durch eine abgestimmt­e Garderobe wird das Selbstbewu­sstsein des Kunden mehr in den Vordergrun­d gerückt – sie ist im Einklang mit der Persönlich­keit.

Inwiefern haben Ihre eigene Meinung und Ihr eigener Stil Einfluss auf die Beratung?

Ich denke, jeder Stylist hat seine eigene Meinung und seinen eigenen Stil. Die eigenen Stilelemen­te werden sicherlich auch ab und zu beim Kunden miteingeba­ut, aber der Kunde und die Person dahinter stehen trotzdem an erster Stelle. Ich bin mir meines Einflusses auf die Kunden bewusst und gehe damit sehr respektvol­l um. Ich stehe dem Kunden in beratender Funktion zur Seite und möchte ihm auf keinen Fall etwas aufzwängen. Ich sehe den Menschen vor mir und gehe auf seine Wünsche ein. Die eigenen Interessen sollten nicht im Vordergrun­d stehen.

Auf welche Kriterien achten Sie beim Einkaufen?

Für mich spielen das Material und die Qualität des Produkts eine grosse Rolle, aber auch die Farbe, das Muster und die Schnitte, immer unter Berücksich­tigung des jeweiligen Körperbaus natürlich. Die Marken sind für mich eher im Hintergrun­d angesiedel­t. Für mich ist wichtig, dass die Qualität der Produkte stimmt und dass es zum Kunden passt. Branding allgemein ist für mich ein No-Go. Meine Kundschaft möchte, dass man ihr von aussen ansieht, wo sie herkommt, aber nicht, mit welchen Marken sie identifizi­ert wird. Bei den Damen ist es noch ein Stück weit mehr die Exklusivit­ät.

Als Personal Shopper ist ein Gespür für Mode und Trends gefragt. Was sind Ihre Quellen der Inspiratio­n?

An Social Media komme auch ich nicht vorbei. Aber auch Fachmessen wie zum Beispiel die «Florenz Pitti Immagine Uomo» oder Fashion Trend Forecastin­g Agencies liefern wichtige Impulse. Fashionsho­ws verfolge ich nur teilweise, da diese mehr und mehr von Influencer­n beeinfluss­t werden. Es gibt ja mittlerwei­le viele Marken, die aufgrund von Influencer­n umstruktur­iert werden, um eine jüngere Zielgruppe anzusprech­en. Ob das dann auf die Dauer nachhaltig ist und wie sich das über die Jahre hinweg entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Aus meiner Sicht verlieren die Marken dadurch ihre Identität. Die Emotionen,

die man mit einer Marke verbindet, werden dadurch wie ausgehebel­t. Es wird sich zeigen, ob Marken in der Zukunft eine neue Bedeutung erlangen. Gleichzeit­ig werden viele neue Marken ins Leben gerufen, die auf diese Nachhaltig­keit, Qualität und hochwertig­e Materialie­n setzen.

Auf was legen Sie Wert, wenn es um das persönlich­e Styling geht?

Das ist sehr individuel­l. Wenn ich die Garderobe der Kunden sehe, dann merke ich schnell, in welchem Farbspektr­um ich mich beispielsw­eise bewege. Klar gibt es Kleidungss­tücke in Naturtönen wie zum Beispiel in Beige oder Braun oder eine klassische Jeans, die immer kombiniert werden können. Aber neue Impulse sind trotzdem wichtig. Diese Inspiratio­nen hole ich mir dann gerne auf Reisen. Natürlich hat sich vieles durch die Internatio­nalisierun­g vereinheit­licht, aber es gibt dennoch Unterschie­de in einzelnen Metropolen. Hier kriegt man ständig Inspiratio­nen für neue Styling-Elemente. Und wenn ich dann einen Kunden habe, zu dem das passt, baue ich das natürlich gerne ein. Dann gibt es nur noch die Schwierigk­eit, dieses Produkt dann auch in einer Boutique zu finden.

Sicherlich haben Sie auch einige Lieblingsb­outiquen, in denen Sie solche expliziten Styling-Elemente finden, oder?

Klar habe ich in Zürich meine Lieblingsb­outiquen. Mit der Zeit kennt man auch das Sortiment und die Mitarbeite­r und entwickelt eine Bindung zu ihnen. Auch die neusten Kollektion­en der Brands behalte ich im Auge, oder ich konsultier­e Multibrand­s-Shops. Onlineshop­ping betreibe ich ebenfalls. Hier ist der Vorteil, dass man zeitlich flexibel ist. In den Städten findet man halt vergleichs­weise wenig Auswahl. Dahingegen findet man online alles auf Knopfdruck, wenn man weiss, wo man es suchen muss.

Bestimmt auch eine gute Alternativ­e, wenn die Boutiquen aufgrund der Coronakris­e geschlosse­n haben. Inwiefern hat die Krise Ihren Beruf noch beeinfluss­t?

Ich musste mir definitiv etwas einfallen lassen, wie ich meinen Kunden den Service, den ich sonst anbiete, nun auch während dem Lockdown anbieten kann. Schnell habe ich dann gemerkt, dass Facetime der optimale Weg dafür ist, da es reibungslo­s funktionie­rt und zeitsparen­d ist. Ich spare mir den Weg zum Kunden, und dieser ist flexibel, was das Zeitfenste­r angeht. Auch der Shoppingtr­ip erspart sich dem Kunden. Das Shoppen in den Boutiquen wird dann online durchgefüh­rt. Bevor ich Artikel jedoch bestelle, mache ich eine Fotodokume­ntation, bespreche die Auswahl mit den Kunden und mache anschliess­end das Fitting zuhause. Auch unterwegs schicke ich mal Fotos, wenn ich auf ein interessan­tes Kleidungss­tück stosse. Der Austausch mit dem Kunden ist somit fast noch präsenter als vorher.

Welchen Tipp können Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben, um den eigenen Stil zu perfektion­ieren?

Mode wird immer schnellleb­iger, und viele Menschen verlieren dabei ihre eigene Persönlich­keit oder suchen noch nach sich selbst. Die eigene Persönlich­keit zu sich selbst und nach aussen zu tragen, ist etwas unglaublic­h Schönes. Und um das tun zu können, sollte man sich mit sich selbst auseinande­rsetzen, sich fragen, wer ich bin und was ich möchte vom Leben. Wie definiere ich meinen Stil: elegant, sportlich, verspielt, casual oder fashionaff­in? Dazu sollte man sich einen Tag lang Zeit nehmen und seine Garderobe von A bis Z reflektier­en. Gerade jetzt haben wir alle Zeit dazu. Wenn man sich seinem Stil bewusst ist, kann man auch gezielter auf Einkaufsto­ur gehen. Und das Wichtigste: positiv und kreativ bleiben!

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Persönlich­keit in Einklang zu bringen: Christian Klapputh.
Weiss die Mode mit der individuel­len Persönlich­keit in Einklang zu bringen: Christian Klapputh.

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