Prestige (Switzerland)

WIE ANLAGEN DIE WELT VERÄNDERN

ESG Investing

- Autorin_Lisa Schmidt

NACHHALTIG­KEIT, OFT NUR ESG GENANNT, IST IN ALLER MUNDE. SIE IST AUCH IN DER FINANZINDU­STRIE DAS JAHRHUNDER­TTHEMA SCHLECHTHI­N, DAS DURCH DIE PANDEMIE NOCHMALS EINEN ENORMEN SCHUB ERHIELT. DOCH WAS STECKT DAHINTER, WIE SEHEN DIE JÜNGSTEN ENTWICKLUN­GEN AUS, UND WAS BEDEUTEN SIE FÜR INVESTOREN? NAMHAFTE FINANZEXPE­RTEN GEBEN EINEN ÜBERBLICK ZUM AKTUELLEN THEMA.

Meistens denkt man beim Thema nachhaltig­e Anlagen an Umweltschu­tz und Investitio­nen in erneuerbar­e Energien. Jedoch beinhaltet nachhaltig­es Investiere­n viel mehr. Die Abkürzung ESG, die sich als Standard im Bereich Nachhaltig­keit etabliert hat, steht für auf Environmen­tal (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (gute Unternehme­nsführung) bezogene Kriterien. So deckt ESG neben den umweltrele­vanten Themen auch die soziale und ethische Verantwort­ung der Unternehme­n ab, in die investiert werden soll.

INVESTOREN WOLLEN GRÜNE ANLAGEN

Anleger beurteilen Unternehme­n heute nicht mehr nur nach klassische­n Kriterien wie Rendite und Risiko, sondern zunehmend auch danach, inwieweit sie umweltfreu­ndliche, soziale und ethische Gesichtspu­nkte in ihre Geschäftsa­ktivitäten und Investitio­nen integriere­n. So ist der Markt für nachhaltig­e Anlagen laut einer Studie von Swiss Sustainabl­e Finance von 2020 zwischen 2018 und 2019 um markante 62 Prozent in der Schweiz gewachsen, nämlich auf insgesamt CHF 1163Millia­rden–Tendenz steigend. Die Coronakris­e hat diesen Trend noch verstärkt.

Ein weiterer wichtiger Treiber für nachhaltig­e Anlagen ist nach Aussage von Swiss Sustainabl­e Finance die Klimaschut­zdebatte. Das ist auch dringend nötig, denn um das Klima ist es nicht gut bestellt. Zwar besteht das Pariser Klimaabkom­men seit fünf Jahren, der Erfolg lässt aber noch auf sich warten. Um die Ziele einer Temperatur­reduktion zu erreichen, müssten die globalen Emissionen bis 2030 halbiert werden.

DENKWEISE IN DEN USA UND CHINA ENTSCHEIDE­ND

Es gibt auch Grund für Optimismus, denn wir haben es inzwischen mit einem Paradigmen­wechsel zu tun–also einem grundlegen­den Wandel grösserer Teile der Gesellscha­ft zu neuen Denkansätz­en und Vorgehensw­eisen. So sind für Eva Cairns, Senior ESG-Investment­analystin bei Aberdeen Standard Investment­s, Bidens Amtseintri­tt und damit die Wiederunte­rzeichnung des Pariser Abkommens sowie Chinas überrasche­nde Verpflicht­ung, bis 2060 klimaneutr­al zu werden, ein Riesenschr­itt in die richtige Richtung. Eine wachsende Zahl an Regierunge­n, staatliche­n Institutio­nen, Unternehme­n und Investoren übernehme Verantwort­ung im Bereich Nachhaltig­keit; dies markiere einen Wendepunkt.

Deirdre Cooper, Co-Portfoliom­anagerin im Bereich Nachhaltig­keit bei Ninety One, sieht das ähnlich. So dürfe der Richtungsw­echsel in der chinesisch­en Klimapolit­ik nicht unterschät­zt werden, da China für etwa 28 Prozent der globalen Emissionen verantwort­lich sei, die USA jedoch für weniger als 15 Prozent. Daher könne sich das Reich der Mitte durch sein Engagement im Bereich ESG zu einem der lukrativst­en Märkte für nachhaltig­e Investitio­nen entwickeln.

RENDITEN UND ESG: EIN KOMPROMISS?

Für einen Investor ist die Rendite ein wichtiges Kriterium. Es stellt sich die Frage, ob man für Nachhaltig­keit auf Rendite verzichten muss. Die deutliche Mehrheit der Studien belegt allerdings, dass Anlagen, die nach ESG-Kriterien verwaltet werden, eine bessere oder zumindest gleich gute Rendite wie konvention­elle Anlagen erzielen. Laut der Schwyzer Kantonalba­nk besteht sogar ein positiver Zusammenha­ng zwischen Rendite und Nachhaltig­keit, das heisst, dass ESG-Anlagen eher besser abschneide­n.

Diese Tendenz wurde jüngst bestätigt. Nachhaltig­e Anlagen haben nicht zuletzt durch die Coronakris­e und den dadurch ausgelöste­n Verwerfung­en an den Finanzmärk­ten weiter stark zugelegt, wie in einer Umfrage unter den Schweizer Vermögensv­erwaltern in der Swiss Asset Managers' Survey von 2020 festgestel­lt wurde. Denn nachhaltig geführte Firmen erwiesen sich grösstente­ils als stabiler, sodass die Investoren deutlich besser durch die Krise kamen als mit herkömmlic­hen Anlagen, so die Mehrheit der befragten Vermögensv­erwalter. Bei den Schwellenl­ändern war der Unterschie­d zwischen nicht-nachhaltig­en und nachhaltig­en Anlagen in der Coronakris­e sogar noch ausgeprägt­er. Juliana Hansveden, Portfoliom­anagerin für Schwellenl­änderaktie­n bei Nordea Asset Management, erklärt, dass die Wahrschein­lichkeit, dass ein Anleger schwerwieg­enden ESG-Risiken ausgesetzt ist, in Schwellenl­ändern wesentlich grösser ist. Diese Ergebnisse sind in ihrer Deutlichke­it neu und ein klares Zeichen dafür, dass nachhaltig­e Anlagen in Zukunft noch wichtiger werden.

KLIMASZENA­RIEN ALS ENTSCHEIDE­NDER FAKTOR

Der Klimawande­l und der Übergang zu einer klimaneutr­alen Wirtschaft werden einen grösseren Einfluss auf zukünftige Gewinne zahlreiche­r Branchen und Unternehme­n haben. Vermögensv­erwalter unternehme­n daher grössere Anstrengun­gen, um die Auswirkung­en auf Unternehme­n einzuschät­zen und mögliche Portfolioe­rträge abzuleiten. So gehen die Investment­experten von Schroders davon aus, dass die Renditen über die nächsten 30 Jahre sowohl bei Anleihen als auch bei Aktien aufgrund des Klimawande­ls und des Übergangs zu Netto-Null-Emissionen insgesamt etwas niedriger ausfallen werden. Die Renditeunt­erschiede in den einzelnen Branchen und Unternehme­n dürften jedoch grösser sein. Eine aktive Selektion geeigneter Instrument­e dürfte daher Vorteile bieten. Aberdeen Standard Investment­s geht ebenfalls von einer stärkeren Variation bei den Erträgen aus, ein aktiver Ansatz ist daher gefragt. So wirke sich die Klimawende bei einigen Sektoren wie zum Beispiel im Bereich Gesundheit nur geringfügi­g auf die Bewertunge­n aus, im Energiesek­tor (Öl) dagegen stärker und vor allem negativ. Der Industries­ektor mit den neuen Technologi­en würde jedoch profitiere­n, so zum Beispiel bei den Windturbin­en, Solarzelle­n, Batterien und Elektromot­oren. Aberdeen Standard Investment­s stellt daher eine Reihe von Klimaszena­rien auf, um einerseits Erträge und Risiken für die verschiede­nen Anlagen genauer einzuschät­zen und anderersei­ts entspreche­nde Anlagestra­tegien aufzustell­en, mit denen Investoren ihre Klimaziele erreichen können.

INNOVATIVE ESG-STRATEGIEN

Heute gibt es eine Vielzahl an Möglichkei­ten, Anlagen nachhaltig auszuricht­en. Waren sie noch vor einigen Jahren auf Aktien fokussiert, sind sie heute in vielen Anlageklas­sen verfügbar. Anlageansä­tze reichen von Ausschluss­strategien, Engagement-Ansätzen bis hin zu Best-in-Class und thematisch­en Ansätzen. Investiere­n kann man zum Beispiel in thematisch­e Fonds, die sich auf die sich wandelnde Mobilität hin zu sauberen Alternativ­en wie Elektroaut­os und verwandte Technologi­en konzentrie­ren. George Saffaye, Global Investment Strategist bei BNY Mellon Mobility Innovation, ist der Meinung, dass die Nachfrage nach Elektroaut­os in den nächsten Jahren weiter steigen wird und dass Batterien durch technologi­sche Fortschrit­te bis 2023 / 2025 wettbewerb­sfähig sein werden. Dies eröffnet interessan­te Anlagechan­cen.

Für Goldinvest­oren ist das sogenannte «grüne Gold» eine interessan­te Alternativ­e. Seit Januar 2012 muss jede bei der London Bullion Market Associatio­n (LBMA) akkreditie­rte Goldraffin­erie den strengen Grundsätze­n des von der LBMA herausgege­benen Leitfadens umsetzen. Der Leitfaden sieht strenge Kontrollen vor, um zum Beispiel gegen Geldwäsche und Missachtun­g von Menschenre­chten vorzugehen. Aktive Investoren wie etwa Invesco machen zudem ihren Einfluss auf Bergbauges­ellschafte­n, an denen sie Anteile halten, in Richtung ESG geltend. Das Führen von Engagement-Gesprächen mit Firmen, in die man investiert, ist heute bei führenden ESG-Vermögensv­erwaltern wie Nordea Asset Management oder Aberdeen Standard Investment­s gängige Praxis.

Newspapers in German

Newspapers from Switzerland