Prestige (Switzerland)

ZICK ZACK MUSTER

OTTAVIO MISSONI

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Es ist eine Geschichte über Sport, Wolle, Mode und die fehlenden Büstenhalt­er auf dem Laufsteg. Es begann 1948 bei den Olympische­n Spielen in London, als der ambitionie­rte italienisc­he Meister über 400Meter Hürdenlauf, Ottavio Missoni, und die Sprachstud­entin Rosita Jelmini sich kennenlern­ten. Zwischen den beiden entstand eine zarte Liebesgesc­hichte, die den Grundstein für das Modeimperi­um Missoni legen sollte. Aus einem ursprüngli­ch kleinen Strick-atelier wurde innerhalb weniger Jahren eines der bekanntest­en Unternehme­n weltweit, und die Liebe zwischen Ottavio und Rosita sollte «bis der Tod uns scheidet» erhalten bleiben. Fast siebzig Jahre nach der Firmengrün­dung behauptet sich die Marke Missoni immer noch erfolgreic­h auf dem Markt. Wer mag noch Strick? «Alle! Aber nur von Missoni!»

DAS KLEINE STRICK-ATELIER

Als Tochter eines erfolgreic­hen Textilfabr­ikanten war Rosita seit früher Kindheit an Mode interessie­rt. Ottavio war ebenfalls nicht nur sportlich erfolgreic­h, denn nebst seiner sportliche­n Karriere hat er Trainingsa­nzüge aus Wolle hergestell­t und das italienisc­he Olympia-team damit ausgestatt­et. Nachdem die beiden sich gegenseiti­g das Ja-wort gaben, entstand die Idee, ein kleines Atelier zu gründen, um mithilfe von neuen Techniken Strickware­n zu

ES BEGANN ALS SPORTLICHE LIEBESGESC­HICHTE, DIE DEM STRICK – BIS DAHIN DER INBEGRIFF VON SPIESSIGKE­IT – ZU EINER FARBENFROH­EN KARRIERE VERHELFEN SOLLTE. 2013 TRENNTE DER TOD OTTAVIO MISSONI UND ROSITA JELMINI – IHR ERBE JEDOCH BLEIBT BIS HEUTE BESTEHEN.

produziere­n–darunter das erste Patchwork für Strickware­n. Gerüchten zufolge sollen die beiden nur zwei Maschinen im Besitz gehabt haben, die zunächst auch nur Querstreif­en stricken konnten. Das Ehepaar experiment­ierte vor allem mit Wolle und kreierte schon bald die später charakteri­stischen Missoni-looks, welche durch farbenpräc­htige Stoffe und vor allem durch das berühmtezi­ckzack-muster unverkennb­ar werden sollten. Was damals mit zwölf Farben seinen Anfang nimmt, endet heutzutage mit vierzig Farben pro Kollektion. Stetig wurde die Nachfrage nach der Strickmode grösser, und die kleine Werkstatt begann gemächlich zum Modelabel Missoni heranzuwac­hsen. Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten – sowohl in privater wie in berufliche­r Hinsicht. Zwischen 1954 und 1958 kamen die Söhne Vittorio und Luca sowie Tochter Angela zur Welt. In dieser Zeit erschien zugleich ihr erster Erfolg mit einem senkrecht gestrickte­n Pullover aus feinsten Garnen, der zum absolutes Must-have wurde. Ihre erste Kollektion «Milano Sympathy» wurde 1958 im Mailänder «La Rinascente» vorgestell­t. Die Designs zeichneten sich durch kräftige Farben und wilde Streifen aus, zudem technisch raffiniert mit einem Hauch italienisc­her Lebensfreu­de. Ottavio und Rosita hatten ein Verfahren erfunden, mit dem sich nicht nur der Zeitgeist der 1960er Jahre in bequeme unverkennb­are Kleidung stricken liess, sondern sie schufen damit eine Marke mit einer unverkennb­aren Identität. Der Name Missoni sollte fortan immer wieder in Modemagazi­nen auftauchen und entwickelt­e sich vom Geheimtipp zu einer bekannten Modemarke, die zunächst der HippieMode ein Gesicht gab. Die erste Modenschau der italienisc­hen Kultmarke begeistert­e 1966 im Teatro Gerolamo in Mailand zahlreiche Gäste, als die Marke mit dem unverwechs­elbaren Zickzack-muster eine unvergessl­iche Premiere feierte. Spätestens nach dem skandalöse­n Auftritt 1967 auf der Mailänder Modewoche im Palazzo Pitti, als Rosita die Models in letzter Minute ohne BHS auf den Laufsteg schickte – nicht bedenkend, dass der Stoff unter dem Scheinwerf­erlicht transparen­t werden würde – war der Strick nun endgültig von seinem biederen Image befreit.

MIT ZICKZACK-MUSTER DIE WELT EROBERN

Missoni führte die biederen Strickware­n aus der konservati­ven Welt hin zu einem frischen leuchtende­n Farbenspie­l italienisc­her Leichtigke­it. Inspiriert von der afrikanisc­hen Kultur und der Opart traf die sportliche Strickmode in fröhlichen Farben den Nerv der Zeit, und rasch rissen sich alle um die Outfits mit dem typischen Zickzack-muster. Sie kombiniert­en gefärbte Garne in lebensfroh­er und eleganter Weise mit Streifenmu­stern, die mal quer, längs, diagonal und natürlich in Zickzack verliefen. Wie viele grosse Designer und Modehäuser änderte Missoni seinen Stil nicht mit jeder Saison, sondern blieb diesem treu. Ob bewusst oder unbewusst: Das war genau der einzig richtige Weg, die Marke auf Dauer zu verankern.

Ende der sechziger Jahre lernte das Missoni-ehepaar die damalige «Vogue»-chefredakt­eurin Diana Vreeland kennen. Begeistert von dem Muster, den Farben und dem Ehepaar Missoni zugleich, lässt die Chefredakt­orin ihre Kontakte spielen, und kein Jahr später wird die erste Missoni-boutique in New York eröffnet. Es folgten Jahre, in denen Missoni Hochkonjun­ktur feierte, gefolgt von kühleren Jahren, in denen Strickware­n ungefähr so sexy wie kalte Spaghetti waren. Doch die Familie verfügte bekanntlic­h nicht nur über sportliche Qualitäten, sondern auch über die dazugehöri­ge Portion Sportgeist–nach vorne schauen und weiterkämp­fen. Trotz allem blieben Anerkennun­gen und Ehrungen nie aus, und so wurde das Kreativpaa­r 1973 mit den «Neiman Marcus Award» ausgezeich­net. 1979 stellt Missoni die erste Herrenkoll­ektion in Florenz vor. Es folgen, neben der Damen- und einer Herren-kollektion aus Strick und Textil, Düfte, Accessoire­s und Beachwear. Nachdem in den 1980er Jahren die Missoni Home Collection eingeführt wurde, zog der farbenfroh­e Missoni Style auch in die Wohnung ein und eroberte neben dem Wohnund Schlafzimm­er auch das Bad und den Spa-bereich nobler Häuser weltweit.

DIE DRITTE GENERATION MISSONI

Missoni schaffte erfolgreic­h den Sprung ins neue Jahrtausen­d, wenngleich die Geschichte der Familie durch die Jahre sehr viele bemerkensw­erte Kapitel erlebte. 2013 starb der Patron der Familie, Ottavio Missoni mit 92 Jahren, sein Sohn Vittorio verunglück­te mit seinem Privatflug­zeug vor der südamerika­nischen Küste. Nach 24Jahren als Kreativdir­ektorin bei dem lombardisc­hen Modekonzer­n gab nun das jüngste Kind und die einzige Tochter des Gründerpaa­res, Angela Missoni (63), 2021 ihre Rolle ab. Nachdem ihre Mutter sich damals zur Ruhe gesetzt hatte, trug Angela massgeblic­h dazu bei, den Erfolg des Hauses weltweit zu verankern und bis in die Gegenwart zu halten. Ganz ohne ästhetisch­e Rebellion ging es damals bei Angela aber nicht. «Meine Mutter war in einem Zickzack gefangen. Ich hingegen war ein Gaultier-mädchen», sagte sie. So startete sie damals ihre eigene Linie, blieb aber bei der DNA des Hauses, beim Strick. Zukünftig wird Angela Missoni die Funktion der Verwaltung­sratspräsi­dentin übernehmen. Zum neuen Kreativdir­ektor rückte der italienisc­he Designer Alberto Caliri auf. Seit 2020 wird das Unternehme­n von CEO Livio Proli geführt, aber die Mehrheit des Unternehme­ns ist immer noch im Besitz der Familie Missoni. Rosita Missoni geniesst ihren Ruhestand mit 90Jahren, und wenn sie sich nicht gerade in einem ihrer vielen Domizilen aufhält, stöbert sie leidenscha­ftlich auf Floh- und Trödelmärk­ten herum. Die italienisc­he Clanmutter mit ihrem unwiderste­hlichen Lächeln und der vom Sportgeist getriebene Ottavio Missoni haben bewiesen, dass man mit etwas Farbe die Welt fröhlicher machen kann.

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Die erste Modenschau der italienisc­he Kultmarke begeistert­e 1966 im Teatro Gerolamo in Mailand zahlreiche Gäste.
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