AUS DEM LEBEN EINES GALERISTEN:
ERSTAUNLICHE GESCHICHTEN AUS 15 JAHREN IN DER KUNSTWELT
Jedes Jahr ist etwas Besonderes: seien es die Menschen, denen man begegnet ist, oder die Ereignisse, die sich zugetragen haben. Anlässlich des 15-jährigen Jubiläums des PRESTIGE-MAGAZINS ist Zeit für einen kurzen Rückblick über die wichtigsten, witzigsten und wahren Ereignisse aus der Welt der Kunst – mit besonderem Augenmerk auf die Künstler, zu denen ich mit meiner Galerie Terminus eine persönliche Beziehung hatte und habe.
Wortwörtlich mit einem grossen «Wurf» startete die Karriere des amerikanischen Bildhauers John Chamberlain. Denn erst als er seinen Vorschlaghammer voller Frust über das widerspenstige Material in das gerade bearbeitete Autoblech versenkte, konnte sein erstes Meisterwerk «Dolores James» entstehen. Diese unbändige kreative Kraft spürte man auch bei unserer grossen Ausstellung in der Galerie Terminus 2006.
2007 wurde der Kunstmarkt von dem britischen Künstler Damien Hirst erschüttert. Er machte endgültig deutlich, dass sich der materielle und der ideelle Wert eines Kunstwerks nicht decken. Denn der Wert der 8601 Diamanten, mit dem der Totenschädel seiner Arbeit «For the Love of God» verziert war, liegt unter dem erzielten Auktionspreis von 100 Mio. Dollar.
2008 wurde vom Tod des Ausnahmekünstlers Robert Rauschenberg überschattet. Er war nicht nur einer der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts, sondern auch ein gerngesehener Gast in der Galerie Terminus – besonders spektakulär mit der Präsentation seines BMW 635 CSI, den er im Rahmen der «Art Car»-initiative von BMW entwarf.
2009 war die Zeit der Exzesse am Kunstmarkt vorbei. Als Folge der internationalen Finanzkrise rund um die amerikanische Bank Lehman Brothers gingen die Verkaufszahlen runter. Doch zum befürchteten Crash kam es nicht. Im Gegenteil: Der Markt bereinigte sich von überzogenen Preisvorstellungen und setzte vermehrt auf Qualität und beständige Werte im Sektor zeitgenössische Kunst.
2010 besuchte uns der britische Künstler Allen Jones. Mit seinen skandalösen Skulpturen «Stuhl», «Tisch» und «Garderobenständer», welche leicht bekleidete Frauen in entsprechender Haltung zeigen, entflammt er bis heute die Gemüter – und das obwohl er sich als Feminist versteht. Das von Gunter Sachs erworbene Skulpturenset wurde übrigens nach dessen Tod für 2,2 Mio. Pfund versteigert.
2011 feierten wir auf der Art Basel Miami Beach deren 10-Jahre-jubiläum. Die Kunstmesse ist immer wieder ein Ort für ungewöhnliche Ereignisse: Sei es, dass das Publikum eine reale Messerstecherei als Performance interpretiert oder Maurizio Cattelan eine an die Wand geklebte Banane zur Kunst erklärt.
2012 ging in der Galerie Terminus mit den Arbeiten des amerikanischen Pop-art-künstlers Mel Ramos die kalifornische Sonne auf. Mit ihm verband uns eine lebenslange Freundschaft, und wir konnten uns ebenso wie der Deutsch-schweizer Playboy Gunter Sachs an A.C. Annie, Lola Cola, Della Monty und Tobacco Red – den «Famous Four» – nicht sattsehen.
2013 feierten wir mit Karl Otto Götz, Wegweiser des deutschen Informel und Lehrer von Gerhard Richter und Sigmar Polke, seinen 100. Geburtstag. Auf ihn geht die sogenannte «Rakeltechnik» zurück. Beim Spiel mit seinem Sohn stellte er 1952 fest, dass sich mit der Mischung aus Pigmenten und Kleister halb gegenständliche, halb abstrakte Strukturen erzeugen lassen, die man mit Werkzeug manipulieren kann.
2014 starb der Avantgarde-künstler Otto Piene kurz nach der Eröffnung seiner letzten grossen Retrospektive-ausstellung in Berlin in einem Taxi. Als Mitglied der Gruppe ZERO, zu der auch Heinz Mack und Günther Uecker gehören, bescherte er der deutschen Nachkriegskunst eine «Stunde Null» und begeisterte uns mit seinen aufblasbaren Skulpturen, seinen Rauchbildern oder seinen archaischen Keramiken.
Galerien zeigen nicht nur fertige Werke – manchmal helfen sie auch, Vergangenes wiederzubeleben. 1983 malte der Pop-art
Künstler Roy Lichtenstein sein 29Meter langes Wandgemälde «Green Street Mural» für die Gagosian Gallery in New York, das alle seine bis dahin entstandenen Phasen beinhaltete. Leider hielt es nur sechs Wochen. Erst
2015 konnte es mit Hilfe seines damaligen Studioassistenten rekonstruiert werden.
Obwohl der Malerfürst Markus Lüpertz zu den «Big Five» – den teuersten deutschen Künstlern – gehört, ist seine Kunst hoch umstritten. Gerne unterwandert er mit seinen üppigen, bunten und archaisch anmutenden Werken gängige Schönheitsideale. Das war auch der Grund, warum ihm die Augsburger Bürger die Aufstellung seiner Brunnenfigur «Aphrodite» verwehrten. 2016 feierten wir mit ihm seinen 75. Geburtstag.
2017 staunten wir nicht schlecht: Leonardo da Vincis Werk «Salvator Mundi» wurde für 450 Mio. Dollar versteigert und ist damit das teuerste Kunstwerk der Welt. Höchst erstaunlich, wenn man bedenkt, dass man es bei seiner Entdeckung für eine billige Kopie hielt und seine Provenienz bis heute umstritten ist.
Blockchain-technologie und Kryptowährungen sind Themen, die den Kunstmarkt auch in Zukunft beschäftigen werden. Interessant ist etwa die Möglichkeit, mit einer Blockchain-datenbank Kunstwerke zu authentifizieren und Besitzerketten nachzuweisen. Seit 2018 akzeptiert die Galerie Terminus Bitcoin als Zahlungsmittel für hochwertige Kunst.
Es ist ziemlich schwer, die richtigen Worte zum Werk eines Künstlers zu finden–wir kennen das Problem auch 2019 nur zu gut. Zum Werk des amerikanischen Pop-artkünstlers Tom Wesselmann existiert eine sehr gute und ausführliche Abhandlung. Doch was auf den ersten Blick wie die Arbeit eines routinierten Kunstkritikers aussieht, war in Wirklichkeit der Künstler selbst, der unter dem Pseudonym «Slim Stealingworth» selbst zur Feder gegriffen hatte. 2020 verkündete Gerhard Richter das Ende seiner aktiven Malerkarriere. Ein Schock für die Kunstwelt, gilt der Künstler doch als der weltweit wichtigste lebende Künstler. Die Erleichterung war also gross, als Richter klarstellte, dass er nur die grossen, kraftraubenden Werke damit gemeint hatte und er sich weiterhin mit kleinen Papierarbeiten beschäftigen wird.
2021 schüttelten wir den Kopf über den StreetArt-künstler Banksy. Dieser hatte sein Werk «Love is in the Bin» vor laufenden Kameras zerstört, noch während dessen Versteigerung im Gange war. Handelte es sich um eine clevere Marketingstrategie oder einen bissigen Kommentar zum Kunsthandel? 2021 kam das Bild, das ein Mädchen mit rotem Herzballon zeigt, wieder auf den Markt und wurde für 16 Mio. Pfund versteigert.