Prestige (Switzerland)

DIE PASSENDE HANDSCHRIF­T

- Autor_georg Lutz Bilder_martinuzzi Interiors

EINE OPTIMALE INNENARCHI­TEKTUR, DIE ZU DEN GEBÄUDEN UND MENSCHEN PASST, BRAUCHT EINE VIELZAHL AN HANDWERKLI­CHEN KENNTNISSE­N, DESIGN-KOMPETENZ UND PSYCHOLOGI­SCHES FINGERSPIT­ZENGEFÜHL. NUR DANN FÜLLEN SICH SCHLAGWORT­E WIE HIGH-END-INNENARCHI­TEKTUR MIT LEBEN. DIE KOMBINATIO­N DER WÜNSCHE

VON KUNDINNEN UND KUNDEN UND EINE PROFESSION­ELLE BERATUNG KOMMEN BEI BARBARA MARTINUZZI INSPIRIERE­ND ZUSAMMEN. LUXUS KANN HIER GLEICHZEIT­IG ZURÜCKHALT­END UND IKONISCH SEIN. VOR ALLEM SPÜRT MAN IHN

ABER MIT ALL SEINEN SINNEN.

PRESTIGE: Seit über 15 Jahren arbeiten Sie mit Immobilien und im Bereich Innenarchi­tektur. Das Leben in den eigenen vier Wänden hat sich im Laufe der Jahre sicherlich ebenso verändert wie Immobilien­preise und Trends. Wo gab es Ihrer Meinung nach den grössten Wandel?

BARBARA MARTINUZZI: Meine Kundinnen und Kunden wollen ihre Häuser schöner, bequemer und atmosphäri­sch überzeugen­der gestalten. Lifestyle oder das Savoir-vivre sind hier nicht nur Schlagwort­e. Es geht immer darum, Räume individuel­l und optimal zu gestalten und auszustatt­en. Zeitlose Qualität steht im Vordergrun­d. Das hektische Leben, das einen so oder so umspült, braucht Rahmen und Ruhepole.

Aber es gibt da ja in Ihrer Branche Trends, beispielsw­eise in Richtung der leichten und nüchternen skandinavi­schen Designschu­le oder, um den anderen Pol zu erwähnen, einen üppigen Landhausst­il. Welchen Einfluss haben diese Trends auf Ihre Arbeit?

Ja, es gibt Moden und Trends, die aber weder für meine Kundinnen und Kunden noch für mich die zentrale Rolle spielen. Trends sind oberflächl­ich und gehen wieder vorbei. Jede Kundin, jeder Kunde hat seine eigene Persönlich­keit und sein eigenes Wohnumfeld. Diese beiden Ankerpunkt­e gilt es, optimal miteinande­r zu verbinden. Daher ist jedes Projekt anders, aber nicht beliebig. Dafür stehe ich mit meinem Namen.

Früher hatten wir klare Funktionsr­äume wie Küche und Bad. Heute überlappen sich die Räumlichke­iten. So ist die Küche heute ein zentraler Kommunikat­ionsraum. Wie sieht das heutige Wohnen aus?

Das Bad ist inzwischen ein privater Spa-bereich. Sauna und Dampfbad sind in den oberen Preisregio­nen fast schon eine Selbstvers­tändlichke­it.

Die Corona-pandemie war und ist zudem ein Treiber für neue Räumlichke­iten, die bisher eher ausserhalb angesiedel­t waren. Heute gibt es viele private Kinoräume und Fitnessstu­dios.

Spielt der vermehrte Einsatz von Technologi­e, beispielsw­eise im Rahmen des Smarthome, eine immer grössere Rolle?

Nur, wenn sich das Leben dadurch bequemer und besser gestalten lässt. Das Smarthome darf keine Spielwiese für TechFreaks sein. Es zählt nur echter Mehrwert. In Zeiten, in denen immer mehr über nachhaltig­e Lösungen nachgedach­t wird, ist nicht jedes technologi­sche Spielzeug, welches noch mehr Strom und Raum verbraucht, angesagt.

Gibt es Vorbilder für Ihren Werdegang?

Das Wohnen mit Stil und Harmonie habe ich von meiner Mutter gelernt. Sie hatte immer eine Leidenscha­ft für InterieurT­hemen gehabt. Sie hat sich für schöne Gegenständ­e und die Umgebung, in denen sie glänzen können, begeistert. Das Haus, in dem ich gross geworden bin, ist 200 Jahre alt. Meine Mutter hat dort ihrer Fantasie freien Lauf gelassen und ich habe Feuer gefangen. Design und Geschmack prägen seit dieser Zeit mein Leben.

Von der Tradition hat mich der griechisch­e und römische Klassizism­us sicher am meisten geprägt. Simple Formen und klare Strukturen liegen mir.

Und wie lässt sich die Philosophi­e zusammenfa­ssen?

Ich würde meinen Stil als minimalist­isches, zeitgenöss­isches, klassische­s Design bezeichnen. Ein zeitgenöss­ischer Dekoration­sstil zeichnet sich durch Einfachhei­t, subtile Raffinesse und die bewusste Verwendung von Texturen und klaren Linien aus. Interieurs betonen den Raum und nicht die Dinge. Klassizism­us, in seiner reinsten Form, ist eine ästhetisch­e Haltung, die von Prinzipien abhängt, wie man sie vom antiken Griechenla­nd und Rom her kennt, mit der Betonung auf Form, Einfachhei­t, Proportion, Klarheit der Struktur, Perfektion und emotionale Zurückhalt­ung. Das Konzept minimalist­ischer Architektu­r besteht darin, alles auf das Wesentlich­e zu reduzieren.

Was heisst dies übertragen auf ein konkretes Interieur?

Weniger ist mehr–energie muss fliessen können. Man braucht Raum, um besser leben zu können, aber keine grosse Villa, die man mit möglichst vielen Gegenständ­en überfracht­et. Im

«DAHER IST JEDES PROJEKT ANDERS, ABER NICHT BELIEBIG.»

Gegenteil, eine minimalist­ische Handschrif­t überzeugt viel mehr. Ausserdem braucht jedes Objekt seinen richtigen Ort. Die Einrichtun­g in einem Haus muss organisier­t wirken.

Wie schafft man bei dieser Reduktion noch Wohnlichke­it?

In meinen Lösungen schaffe ich Atmosphäre und Emotionen durch reichhalti­ge Texturen, und der Faktor Licht spielt eine sehr wichtige Rolle.

Da trifft die skandinavi­sche Denkschule, die auf Zurückhalt­ung und Funktional­ität setzt, auf die italienisc­he Schule, die manchmal verspielt sein will und auch mal ikonische Zeichen setzt.

Ja, es geht in diese Richtung. Auf jeden Fall erkennt man meine Handschrif­t.

Wie bewegt sich Barbara Martinuzzi in Ihrem Marktumfel­d gegenüber Ihren Wettbewerb­ern?

Ich will nicht in erster Linie Produkte verkaufen und damit Räume einrichten, sondern zunächst die Situation und die Bedürfniss­e verstehen und dann Lösungen anbieten und diskutiere­n.

Dann sind Sie eher Psychologi­n als Verkäuferi­n?

Das Ziel ist, neue Realitäten für Kundinnen und Kunden zu entwickeln. Es gilt, in einem Kundengesp­räch zunächst tatsächlic­h die rohen Wünsche herauszulo­cken. Diese treffen dann auf unsere profession­elle Erfahrung. Das spezielle Gefühl–und nicht nur die Nullachtfü­nfzehn-kenntnis, welche Farben zusammenpa­ssen – macht den Unterschie­d aus.

Diese Arbeit braucht viele unterschie­dliche handwerkli­che Kenntnisse. Haben Sie da ein Netzwerk für unterschie­dliche Expertisen?

Ja, ein solches Netzwerk ist wichtig, um in der gesamten Wertschöpf­ungskette die gleich hohe Qualität bieten zu können. Alles musss perfekt sein.

Wie definieren Sie Luxus?

Luxus entsteht nicht aus einer Situation der Opulenz. Luxus ist eher zurückhalt­end, er blufft nicht, aber man spürt ihn. Luxus ist ein Gefühl. Es muss auch nicht immer zwingend teuer sein. Luxus harmonisie­rt mit der Natur, baut sich nicht im Gegensatz zu ihr auf, sondern dockt an. Luxus kann eine Prise Raffinesse gut vertragen. Schlussend­lich ist er ein Ergebnis, ein Gesamtbild aus einigen positiven Gefühlen. Man fühlt sich gut.

Wir sollten noch ein konkretes Objekt mit Ihren Lösungen vorstellen. Sprechen wir über das «Doppio Gusto».

Das Restaurant Doppio Gusto ist ein Restaurant, bei dem wir die Einrichtun­g gestaltet haben. Es war früher an einem anderen Ort eine kleinere Pizzeria und ein Investor wollte die Lokalität vergrösser­n. Das Design greift den Namen Doppio Gusto, sprich zwei Geschmacks­richtungen, auf. Das Restaurant besteht jetzt aus zwei Teilen. Der eine Teil versprüht eine elegante Atmosphäre, dort ist auch ein Weinkeller angeschlos­sen, in dessen Räumlichke­iten die Gäste auch sitzen können. Der andere Teil strahlt den Charme eines spritzigen Bistros und einer familienge­rechten Pizzeria aus.

Dann reden wir hier von zwei Welten?

Nein. Das Spannende sind hier nicht die Trennlinie­n, sondern die fliessende­n Übergänge.

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 ?? ?? Projekt: «Uphill Residence»
Projekt: «Uphill Residence»
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Im Restaurant Doppio Gusto glänzen zwei Welten, die sich ergänzen.
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Barbara Martinuzzi ist Innenarchi­tektin und Gründerin von Martinuzzi Interiors.

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