Kapo führt bekannten Rechtsextremen ab
Er wirkt umtriebig, telegen und war in seiner österreichischen Heimat auch schon Talkshow-Gast in den Massenmedien: Martin Sellner (35) ist das jugendlich wirkende Gesicht der Neuen Rechten Europas.
Hinter der netten Fassade steckt radikales Gedankengut. Der Sohn eines Homöopathen, der in Wien ein Philosophiestudium bis zum Bachelor abschloss, war acht Jahre lang Aushängeschild der Identitären Bewegung Österreich. Zu den wichtigsten inhaltlichen Punkten, für die er steht, gehört die Verschwörungstheorie des Bevölkerungsaustauschs. Demnach plant ein nicht näher definierter Herrscherzirkel, gezielt die Einwanderung aus muslimischen und afrikanischen Kulturen zu fördern, um die weisse Mehrheit in Europa zu brechen. Gegenreaktion ist die Rückführung alles Fremdländischen, die Remigration.
In Deutschland machte ein Bericht der Plattform «Correctiv» Furore, wonach sich mehrere AfD-Politiker mit Sellner getroffen haben, um angeblich Remigrationspläne zu besprechen.
In der Szene ist er ein gefragter Redner, auch in der Schweiz: Die rechtsextreme Junge Tat lud ihn gestern ein. Angekündigt war ein Vortrag über Remigration im «Umkreis Zürich», wie auf dem Flyer zu sehen ist, der SonntagsBlick vorliegt. Teilnehmer mussten teils ihre Identitätskarte schicken, einige sogar einen Facetime-Call absolvieren. Wer hinwollte, wusste also um die Brisanz.
Die Zürcher Kapo hatte beim Bund ein Einreiseverbot beantragt. Diese Massnahme trafen bereits die Behörden in den USA – weil er mit dem neuseeländischen Christchurch-Attentäter in Kontakt war –, in Grossbritannien und wohl auch in Deutschland. Lange war unklar, ob der Bund das Einreiseverbot erlassen hatte.
Gestern ging das Katz-und-Maus-Spiel los. Der Veranstaltungsort wurde bis zuletzt geheim gehalten. Zunächst hiess es, dass der Anlass in Hagenbuch ZH vonstattengeht. Sellner reiste erst unbehelligt ein und gab eine PR-Show auf X.
Wer sich erfolgreich angemeldet hatte, erhielt eine Nachricht. Erster Schleusepunkt war bei Koblenz AG. Dort kontrollierte die Polizei mehrere Personen. Von dort wurden die Rechtsextremisten ins Weinbaumuseum in Tegerfelden AG geleitet.
Deutlich über 100 Rechtsextreme fanden sich zusammen. Doch als der Vortrag begann, stellte die Polizei den Strom ab und stürmte den Saal. Sellner wurde abgeführt. Mass-Voll-Chef Nicolas Rimoldi (29) veröffentlichte auf X ein Video von der Aktion.
Es handelte sich laut Kapo nicht um eine Verhaftung, sondern um eine «Anhaltung», um die Veranstaltung wegen Sicherheitsbedenken zu beenden. Gestern Abend war er dann wieder auf freiem Fuss.