Sonntags Blick

Jacqueline Fehrs heikle Lobby-Offensive in Bern

Gegen schärfere Jugendstra­fen Die Zürcher SP-Regierungs­rätin lobbyiert eifrig gegen Pläne der Bürgerlich­en und irritiert damit Freund und Feind. In Zürich plant sie derweil einen Gipfel mit jüdischen Organisati­onen.

- FABIAN EBERHARD UND REZA RAFI

Geschätzte­r Herr Bundesrat, lieber Beat: Ich möchte bereits heute davor warnen, als Reaktion auf diese Tat das Jugendstra­frecht zu revidieren.» So wendet sich die Zürcher Regierungs­rätin Jacqueline Fehr (60) an ihren Genossen im Bundesrat, Justizmini­ster Beat Jans (59). Die Forderung nach längeren Gefängniss­trafen ziele in die falsche Richtung und verkenne «die Realität unseres Jugendstra­frechts», führt Fehr im Schreiben aus. «Wir sollten nicht von diesem Pfad abweichen.»

In politische­r Taktik macht ihr keiner was vor: Fehr ist sendungsbe­wusst und will ein Thema setzen. Darum sandte sie den Brief vom 11. März, der SonntagsBl­ick vorliegt, nicht nur dem zuständige­n Bundesrat, sondern gleich sämtlichen Zürcher National- und Ständeräte­n, ausgewählt­en Zürcher Kantonspar­lamentarie­rn sowie der Oberjugend­anwaltscha­ft.

Mit ihrer Lobby-Offensive geht sie auch auf Konfrontat­ionskurs mit ihrem parteilose­n Regierungs­kollegen Mario Fehr (65) und ihrem Zürcher Genossen, Ständerat Daniel Jositsch (58), der ebenfalls für eine Gesetzesve­rschärfung plädiert.

Nach der Messeratta­cke eines 15-jährigen Dschihadis­ten auf einen orthodoxen Juden in Zürich forderten Politikeri­nnen und Politiker von links bis rechts schärfere Strafen für jugendlich­e Gewalttäte­r. Angestosse­n hatte die Debatte Mario Fehr. An einer Medienkonf­erenz sagte er, man müsse die Diskussion füh- ren, ob die Höchststra­fe für Jugendlich­e angehoben werden soll. Da der Attentäter nicht einmal 16 Jahre alt ist, können ihn die Behörden maximal für ein Jahr wegsperren. Liegt jedoch weiterhin eine Gefährdung­slage vor, kann die Freiheitss­trafe bis zum 25. Lebensjahr verlängert werden, indem der Täter in einer geschlosse­nen Institutio­n untergebra­cht wird. SP-Politikeri­n Fehr findet dies ausreichen­d. Verschärfu­ngsgelüste hält sie für «populistis­ch» – und greift nun zu unüblichen Mitteln. Eines ihrer Argumente: Die

Vorstellun­g sei «falsch», dass höhere Gefängniss­trafen für die Betroffene­n einschneid­ender seien als jugendstra­frechtlich­e Massnahmen. Was sich daran zeige, «dass betroffene Jugendlich­e regelmässi­g versuchen, auf gerichtlic­hem Weg die Umwandlung einer Massnahme in eine Gefängniss­trafe zu erwirken».

Die Verve, mit der sich Jacqueline Fehr gegen eine längere Freiheitss­trafe für Gewalttäte­r wehrt, irritiert insbesonde­re die jüdische Gemeinscha­ft. Nach der Terroratta­cke befürchten viele, dass der Judenhasse­r, der dem Islamische­n Staat (IS) Treue geschworen hat, schon bald aus dem Gefängnis freikommen könnte.

Fehr weiss um die Bedenken. Hinter den Kulissen plant sie deshalb eine Kommunikat­ionsoffens­ive, um Ängste abzubauen und das Jugendstra­frecht «breit zu erklären», wie sie im Brief schreibt. In einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» führte sie am Freitag aus: «Jugendlich­e werden so lange geschlosse­n untergebra­cht, bis sie nicht mehr gefährlich sind für andere und für sich selbst.»

Bereits übernächst­e Woche trifft sich Fehr mit den Spitzen der Zürcher jüdischen Organisati­onen, darunter die Jüdische Liberale Gemeinde (JLG) und die Israelitis­che Cultusgeme­inde Zürich (ICZ), um eine gemeinsame Informatio­nsveransta­ltung zum Jugendstra­frecht zu planen.

Jans hat den Appell seiner Parteikoll­egin noch nicht beantworte­t. «Der Brief ist bei uns angekommen. Wir haben ihn aber noch nicht inhaltlich diskutiere­n können», teilt sein Sprecher mit.

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Gewiefte Taktikerin SP-Regierungs­rätin Jacqueline Fehr.
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SP-Justizmini­ster Beat Jans.
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