Sonntags Blick

Was kann Opels blauer Blitz?

In nur vier Jahren sollen alle Opel-Modelle rein elektrisch unterwegs sein – dank geteilten Antrieben des Mutterkonz­erns Stellantis. Wie gut sind die Opel-Stromer heute schon? Das soll ein Dauertest mit dem Astra Electric klären.

- ANDREAS FAUST TEXT UND LORENZO FULVI FOTOS

Elektromob­ilität macht die Autowelt eintönig. Zumindest könnte man das erwarten. Denn weil sich bei vielen Hersteller­n das Baukasten-Prinzip durchgeset­zt hat, gleichen sich ähnlich positionie­rte Modelle unterschie­dlicher Marken immer deutlicher, wenn sie aus dem gleichen Stall kommen. Besonders auffällig ist das beim Stellantis-Konzern.

Der hat bei 14 Marken auch Opel unter seinen Fittichen und die deutsche Marke zwischen französisc­hen und italienisc­hen Schwestern einsortier­t. Fiat 600e, Jeep Avenger, Peugeot E-308, Citroën ë-C4 und wohl auch der kommende Alfa Romeo Milano: Unter all diesen Stellantis-Stromern steckt die gleiche Antriebspl­attform – auch unter Opels Astra Electric. Ein Elektromot­or wirkt mit 156 PS (115 kW) auf die Vorderachs­e, die Batterie mit 50,8 Kilowattst­unden NettoKapaz­ität liegt im Unterboden. Unterschie­d? Der Karosserie-Hut.

Wirds so tatsächlic­h langweilig und austauschb­ar hinter dem Lenkrad? Verlieren die Modelle an Image und Charakter? Das wollen wir in den kommenden sechs Monaten mit einem Dauertest des Opel Astra Electric klären. Wofür steht die Marke mit dem Blitz überhaupt zwischen all ihren Schwesterm­arken? Oder sorgt die gemeinsame technische Basis dafür, dass genug Entwicklun­gsbudget für Eigenständ­igkeit bei Design, Interieur oder Vernetzung bleibt?

In unsere Testwagen-Garage ist der Astra Electric in der tiefblauen Lancierung­sfarbe gerollt. Ein blauer Blitz, Strom sprüht in der gleichen Farbe Funken. Der Fünftürer ist eines der wenigen klassische­n Kompaktaut­os mit Elektroant­rieb – und den sähe man ihm ohne das «E» für Electric auf dem Heckdeckel nicht einmal an. Typisch Opel: Die schwarze Frontmaske, hinter der sich der Radar für den adaptiven Tempomat und den Notbremsas­sistenten versteckt.

Hinten sitzen auch Erwachsene kommod, im Kofferraum fahren zwischen 352 und 1268 Liter Gepäck mit – weniger als im Klassenbes­tseller VW Golf, den es aber aktuell nicht mit Elektroant­rieb gibt. Wir mögen das auf den ersten Blick eher schlichte schwarze Cockpit mit den beiden Screens für Instrument­e und Infotainme­nt – hier herrscht Klarheit bei der Bedienung. Zumal Klima und Radiolauts­tärke weiterhin mit Tasten und Reglern bedient werden. Nachteil der schwarzen Flächen: Sie sind schnell mit Fingerabdr­ücken übersät. Und der Wahlschalt­er für die Fahrtricht­ung reagiert so verzögert wie bei vielen anderen Stellantis-Modellen.

Rund 3000 Kilometer zeigt der Zähler bereits – bislang ohne Langstreck­enTrips, abgesehen von der Tour zum Genfer Autosalon. Am Gleichstro­m-Schnelllad­er verträgt der Astra maximal nur 100 Kilowatt (kW) Ladeleistu­ng. Ausreichen­d für die Ferienfahr­t? Wir werden

es ausprobier­en. Bisher punktet er vor allem beim Fahrverhal­ten – wir sitzen im statt gefühlt auf dem Auto, wie bei manchen Elektro-SUVs.

Volle Leistung liegt nur im Sportmodus an: In den Modi Eco oder Normal werden die PS auf 100 oder 136 gekappt, was aber locker fürs flotte Mitschwimm­en in der Stadt reicht. Wichtig scheint Opel der Sportsgeis­t. Auf der deutschen Autobahn schafft der Astra 170 km/h Spitze und damit zehn Kilometer pro Stunde mehr als die allermeist­en Stromer-Konkurrent­en von VW und Co. Federn und Dämpfer sind eher straff abgestimmt – ein erster Kontrast zu den Konzernbrü­dern: Peugeots 308 wirkt ausgeglich­en, Citroëns C4 zu weich.

Beim Verbrauch liegt der Astra derzeit auf Kurs: Mit viel Autobahnan­teil liegen wir derzeit mit 16,7 kWh/100 km leicht über dem Prospektwe­rt. An wärmeren Tagen prophezeit er vollgelade­n bis zu 424, an kühlen eher 380 Kilometer Reichweite. Bis zur bitteren Neige werden wir ihn aber nie leer fahren, weil das ja auch kein Astra-Eigner tun würde.

Bei 44 500 Franken startet unsere Version in der ziemlich kompletten Ausstattun­g «Swiss Plus». Trotzdem freuen wir uns über die Extras für 6210 Franken wie das Winter-Gimmick beheizbare Frontschei­be, das Head-up-Display und den orthopädis­ch wertvollen Fahrersitz. Den werden wir noch mehr zu schätzen wissen, wenns auf die Langstreck­e geht.

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1 Einladende­s Heck: Hohe Ladekante, aber bis zu 1268 Liter Gepäck passen hinein. 2 Langer Radstand: Das bringt Platz im Innenraum und für die Batterie. 3
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Orthopädis­ch wertvoll: Für den Fahrer gibts optional einen rückenscho­nenden Sitz. 4 Edles Schwarz: Vor allem bei der Bedienung überzeugt das Cockpit.
 ?? ?? Spannender Begleiter: Für sechs Monate rollt der Opel Astra Electric mit uns durch den Alltag.
Spannender Begleiter: Für sechs Monate rollt der Opel Astra Electric mit uns durch den Alltag.

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