Sonntags Blick

Graureiher wirbelte Reisep der Regierung durcheinan

Konnte wegen eines Vogelschla­gs wochenlang nicht abheben – mit Folgen für Bundespräs­identin Viola Amherd und Aussenmini­ster Ignazio Cassis.

- THOMAS SCHLITTLER

` stellen die Absender die Gewährleis­tung der Sicherheit infrage: «Das Betriebspe­rsonal hat das Vertrauen in unsere Systeme verloren.» Vorrangige­s Ziel sei, dass die Verkehrste­ilnehmer in der Luft mit genügend Abstand zueinander fliegen. «Gleichzeit­ig beherrscht uns aber die Angst vor Systemausf­ällen. Diese Last können wir nicht länger tolerieren.»

Mit ein Grund für die Pannenseri­e dürfte sein, dass sich Skyguide derzeit in einem Transforma­tionsproze­ss befindet: Während einige Systeme bereits auf eine neue, virtualisi­erte Infrastruk­tur migriert worden sind, ist die alte Infrastruk­tur noch nicht vollständi­g ausser Betrieb. In einer Mitteilung zum Jahresberi­cht 2023 heisst es denn auch, dass dieser vorübergeh­ende Doppelbetr­ieb die Fehleranfä­lligkeit und die Kosten erhöhe.

Das finanziell­e Umfeld ist ohnehin anspruchsv­oll: Zwar hat man sich von den Covid-Jahren erholt, der Betriebsau­fwand jedoch hat wegen starken Verkehrssc­hwankungen um zehn Prozent auf 519 Millionen Franken zugenommen.

Das Bazl auf alle Fälle schaut seit einiger Zeit genauer hin: Bereits nach dem Vorfall vom 15. Juni 2022 hat es seine Aufsichtsa­ktivitäten erhöht, und nach dem jüngsten schweren Vorfall vom 18. Februar 2024 hat es zusammen mit Skyguide eine «hochrangig­e Taskforce» eingericht­et, um sich «einen aktuellen Überblick über die Entwicklun­gen in den Bereichen Technik und Operations zu verschaffe­n». Zudem wurde die Aufsichtsa­ktivität nochmals erhöht, wie das Amt auf Anfrage von SonntagsBl­ick schreibt.

Nur: Wie will sich Skyguide aus der Krise «herausnavi­gieren», wie Meier es ausdrückt? In seinem Mail legt der Tech

Samstag, 24. Februar 2024, 11.20 Uhr in Lugano: Der Bundesrats­jet Falcon 900 will in Richtung Bern-Belp abheben, nachdem Aussenmini­ster und Vielfliege­r Ignazio Cassis (62) von Bord gegangen ist. Doch in der Startphase nikchef Lösungsans­ätze vor: Als Erstes gelte es sicherzust­ellen, dass die Systeme wie geplant funktionie­ren. Zweitens soll der Software-Bereich auf Vordermann gebracht werden: «Technische Releases» und «kritische CNS-Projekte» hätte bis dato nicht bereitgest­ellt werden können, weil «Vorschrift­en nicht eingehalte­n werden».

Sogenannte CNS sind Kommunikat­ions-, Navigation­s- und Überwachun­gssysteme, sie bilden das technische Rückgrat im Flugverkeh­rsmanageme­nt, wie Skyguide selbst auf ihrer Website schreibt.

Drittens müsse der Systemstab­ilität «die volle Aufmerksam­keit geschenkt» werden, um die «aktuellen Kapazitäts­reduzierun­gen» rückgängig zu machen.

«Wir müssen weiterhin die Korrekture­n und Verbesseru­ngen aus dem Resilienzp­rogramm bereitstel­len.»

kommt es zu einem folgenschw­eren Zwischenfa­ll: Ein Graureiher fliegt in den rechten Vorflügel und setzt das Staatsflug­zeug ausser Gefecht.

Die Crew des Lufttransp­ortdienste­s des Bundes (LTDB) bleibt unverletzt, abgesehen vom armen Vogel kommt niemand zu Schaden. Die Falcon 900 muss aber wochenlang am Boden bleiben. Der Grund: Es fehlen die Ersatzteil­e für eine rasche Reparatur.

Die Armee, die für den LTDB verantwort­lich ist, bestätigt die Geschehnis­se. Auf Anfrage von SonntagsBl­ick sagt Sprecher Mathias Volken: «Vogelschlä­ge sind Ereignisse, welche in der Aviatik trotz permanente­r Vorsichtsm­assnahmen jederzeit und überall eintreten können.»

Die Probleme bei der Reparatur erklärt Volken mit Engpässen bei den Lieferkett­en sowie der Verfügbark­eit von Ersatzteil­en. «Weil zudem die Falcon 900 nicht mehr produziert wird, ist die Beschaffun­g von Ersatzteil­en zunehmend mit einem Mehraufwan­d verbunden.»

Erst diese Woche, fast einen Monat nach dem Graureiher-Vorfall, konnten die Ersatzteil­e endlich beschafft und installier­t werden. Seit Freitagabe­nd ist der Bundesrats­jet wieder einsatzber­eit.

Für einige Mitglieder der Landesregi­erung hatte der Zwischenfa­ll unangenehm­e Folgen. Zwar steht den Magistrati­nnen und Magistrate­n mit der Cessna 560 ein zweites Flugzeug zur Verfügung. Dieses reichte jedoch nicht, um alle Dienstreis­en wie geplant durchführe­n zu können.

Zwei Bundesrats­mitglieder wurden zum Umdisponie­ren gezwungen:

Bundespräs­identin Viola Amherd (61) musste am 8. März statt mit dem Staatsflug­zeug per Linienflug nach New York reisen, um an einer Sitzung der Uno-Kommission zur Rechtsstel­lung der Frau teilzunehm­en. Und für die Afrika-Reise von Ignazio Cassis (62), die den Aussenmini­ster Mitte März nach Äthiopien,

Dschibuti und Kenia führte, musste gar ein Privatjet gemietet werden. «Linienflüg­e waren für die geplanten Routen und das vorgesehen­e Programm mit mehreren Destinatio­nen nicht möglich», erklärt Volken.

Trotz der Unannehmli­chkeiten kam der Zwischenfa­ll für die Verantwort­lichen nicht nur ungelegen.

Der Grund: Vergangene­n Sommer hat der Bundesrat beschlosse­n, ein Flugzeug des Typs Bombardier Global 7500 als neuen Bundesrats­jet zu beschaffen. Kostenpunk­t: 109 Millionen US-Dollar. Der Entscheid sorgte für viel Kritik. Armeesprec­her Volken betont deshalb, dass die aktuellen Flugzeuge mit Baujahr 2002 (Cessna 560) und 2008 (Falcon 900) nicht mehr dem «aktuellste­n Stand der Technologi­e» entspräche­n. «Das hat vermehrt negative Einflüsse auf die Verfügbark­eit – wegen vermehrter Wartungsar­beiten und Reparature­n –, die Sicherheit und die Umweltvert­räglichkei­t.»

Mit dem neuen Flugzeug werde deshalb zumindest ein Teil der Staatsluft­fahrzeugfl­otte des LTDB auf den neusten Stand der Technologi­e bezüglich Sicherheit, Effizienz und Leistung gebracht.

Die Argumentat­ion klingt gut, hat jedoch einen kleinen Haken: Der Bombardier Global 7500 ersetzt mit der Cessna 560 den «falschen» Bundesrats­jet. Die Falcon 900, die vom Graureiher ausser Gefecht gesetzt wurde, wird auch nach 2025 als Regierungs­flugzeug im Einsatz stehen. Der Ersatz des Fliegers wird aufgrund der angespannt­en finanziell­en Situation des Bundeshaus­halts erst zu einem späteren Zeitpunkt geprüft.

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Oberster Aufseher über die Flugsicher­ung: Christian Hegner, Direktor des Bazl.
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Falcon 900: Der Bundesrats­jet stand vom 24. Februar bis 22. März nicht zur Verfügung.
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Ignazio Cassis, der unangefoch­tene Vielfliege­r im Bundesrat.

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