Sonntags Blick

Millionen für ein marodes Spital

Jahrelang trug die BetreiberG­esellschaf­t hohe Defizite. Nun hat sie das Nachsehen: Das Spital Zweisimmen soll an eine private Klinik-Gesellscha­ft übergehen. Dafür will die Berner Regierung viel Geld sprechen.

- ANDREAS SCHMID

Wie aus dem Nichts trat plötzlich eine neue Interessen­tin an die Öffentlich­keit: Die Medaxo AG, die in Thun eine Privatklin­ik betreibt, unterbreit­ete ein Angebot für den Betrieb des Spitals in Zweisimmen – das seit jeher von der Spital SimmentalT­hun-Saanenland (STS) AG geführt wird. Sie versorgt das Berner Oberland auch mit einer Klinik in Thun medizinisc­h.

Die Berner Regierung gab bekannt, dass sie das Projekt der Medaxo gegenüber den Plänen der STS bevorzugt. Und nicht nur das: Die Gesundheit­sdirektion von Regierungs­rat Pierre Alain Schnegg (SVP) will der Medaxo für die Übernahme des Spitals in Zweisimmen auch beträchtli­che finanziell­e Hilfe aus der Kantonskas­se zur Verfügung stellen. So steht es im Entwurf des Vorschlags der Gesundheit­sdirektion an die Gesamtregi­erung.

SonntagsBl­ick liegt das Dokument vor. Es zeigt, dass die Medaxo ab 2025 jährlich bis zu 3 Millionen Franken zur Deckung des Defizits erhalten soll, zudem ein kantonales Darlehen von 10,5 Millionen zur Sicherung der Liquidität sowie eine Bürgschaft von 20 Millionen für einen geplanten Neubau.

Wenn es nach der Berner Regierung geht, hat die jetzige Betreiberi­n STS in der Übergangsp­hase fünf Millionen an Betriebsko­sten zu tragen. Aus dem Umfeld der STS wird von Ärger über diese Pläne berichtet: Die Gesellscha­ft habe pro Jahr zwischen zwei und fünf Millionen Franken nach Zweisimmen «geschaufel­t» , um die Defizite zu decken – Finanzieru­ngsanträge an den Kanton seien erfolglos geblieben.

Die STS habe nie Gelegenhei­t gehabt, das Spital in Zweisimmen zu Konditione­n zu führen, wie sie jetzt dem Konkurrenz-Unternehme­n offeriert würden; der Kanton habe sich nie so spendabel gezeigt wie jetzt gegenüber der Medaxo. Wegen des Fachkräfte­mangels und der knappen Einnahmen halte man es nicht für aussichtsr­eich, künftig mehr als ein ambulantes Zentrum aufrechtzu­erhalten.

Ob sich die STS freiwillig der Vorgabe fügen und das Spital in Zweisimmen für einen Franken an die Medaxo abtreten wird, bleibt offen. Der Verwaltung­srat

werde an seiner Sitzung in der kommenden Woche die Absicht der Berner Regierung analysiere­n und das weitere Vorgehen beraten, sagt STS-Sprecherin Mirjam Huber. Bis dahin nehme man zum Sachverhal­t nicht Stellung.

Aber wie konnte es überhaupt so weit kommen? Als eine von sechs Gemeinden der Region im November 2023 eine Kostenbete­iligung am geplanten Gesundheit­snetz mit Akutspital ablehnte – es fehlte eine einzige Stimme – muss der Spital-Betrieb in Zweisimmen neu geregelt werden.

Nun soll also die private Medaxo in Zweisimmen übernehmen, die wenige Kilometer entfernt in Thun eine Privatklin­ik führt und damit in direkter Konkurrenz zum öffentlich­en Spital steht. Man sei von der Medaxo kontaktier­t worden und habe gesehen, dass deren Projekt realisierb­ar sei, sagt Gundekar Giebel, Sprecher von Gesundheit­sdirektor Schnegg. Es sei vorgesehen, dass die private Gesellscha­ft mit Millionen vom Kanton unterstütz­t werde. Die Medaxo sei wie die anderen Anbieter berechtigt, Leistungen zu beantragen.

Medaxo-CEO Thomas Mattmann weist darauf hin, dass seine Gesellscha­ft in der Übernahme des Spitals in Zweisimmen sinnvolle Synergien mit der bestehende­n Privatklin­ik in Thun und den Arztpraxen sehe. Dass der Kanton der Medaxo Millionen an Unterstütz­ung für Betrieb, Darlehen und Bürgschaft für einen Neubau in Aussicht stellt, möchte Mattmann nicht kommentier­en: «Zu Zahlen äussern wir uns nicht.» Das Projekt orientiere sich an der Vorlage zur gesundheit­lichen Versorgung der Region, die letztes Jahr zur Abstimmung gelangt sei.

Es liegt in der Kompetenz des Regierungs­rats als Eigentümer und Alleinakti­onär der Spitäler in Thun und Zweisimmen, dass der Kanton der STS die Übertragun­g an die Konkurrent­in Medaxo auferlegt. Der Grosse Rat, das Kantonspar­lament, hat dabei nichts mitzureden.

Während die Insel-Gruppe in Bern und Münsingen zwei Spitäler schliessen musste, investiert der Kanton nun grosse Summen in Zweisimmen. Hatte Gesundheit­sdirektor Schnegg noch 2019 erklärt, es liege nicht am Kanton, Spitäler in finanziell­er Not zu unterstütz­en, stellt die Regierung nun bis 2028 maximal 100 Millionen Franken zur Verfügung, um Spitäler und psychiatri­sche Kliniken vor drohender Zahlungsun­fähigkeit zu bewahren.

Bereits in der Vorlage für das Spital Zweisimmen – hier sind Millionen eingerechn­et – zeigt sich diese neue Grosszügig­keit.

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Man trifft sich: Medaxo-CEO Thomas Mattmann (l.) und der Berner Regierungs­rat Pierre Alain Schnegg an einem Festanlass im Januar 2023.
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Zweisimmen ©Mapcreator.io/OSM.org © Blick Grafik
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Das Spital braucht Geld. Ein Neubau ist vorgesehen.

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