Sonntags Blick

UM 20.30 UHR FIELEN DIE ERSTEN SCHÜSSE

Europa im Visier: Das ist die Terror-Gruppe hinter dem Anschl Die Dschihadis­ten des ISPK reklamiere­n den Angriff für sich. Der IS-Ableger gewinnt an Schlagkraf­t – und wird Mehr als 130 Menschen starben bei einem Anschlag der Terrormili­z IS. Russlands Prä

- LINO SCHAEREN

Der IS ist zurück. Oder war er nie weg? Nach der Terroratta­cke in Moskau hat sich die Splittergr­uppe ISPK dazu bekannt – ein Ableger des Islamische­n Staats.

Die Abkürzung steht für «Islamische­r Staat in der Provinz Khorasan», eine historisch­e Region in Zentralasi­en. Die Gruppe führte lange ein Schattenda­sein neben dem «arabischen» IS. In den letzten Jahren entwickelt­e sie sich jedoch zum gefährlich­sten und schlagkräf­tigsten Ableger der Terrormili­z.

In Afghanista­n bekämpft der ISPK die islamistis­chen Taliban – sie sind ihm zu lasch. Die Khorasan-Terroriste­n wollen ein globales Kalifat. Sie breiten ihr Netzwerk immer weiter aus, rekrutiere­n Kämpfer in ex-sowjetisch­en Staaten in Zentralasi­en und im Kaukasus. Und werden auch für Europa zur Gefahr.

Laut westlichen Nachrichte­ndiensten hat der ISPK seit 2022 die Migrations­ströme genutzt, um Unterstütz­er nach Europa zu schleusen. An Heiligaben­d wollten die Terroriste­n in Köln, Wien und Madrid zuschlagen. Die Sicherheit­sbehörden bekamen in letzter Minute Wind von den Plänen. Sie nahmen Verdächtig­e fest und räumten den Kölner Dom.

Am letzten Dienstag verhaftete­n deutsche Fahnder zwei Islamisten bei Gera in Thüringen. Die beiden Männer sollen einen Anschlag mit Schusswaff­en auf das schwedisch­e Parlament geplant haben. Laut den Ermittlern erhielten sie Anweisunge­n vom ISPK.

Der letzte grosse Terroransc­hlag der Organisati­on traf den mit Russland verbündete­n Iran. Anfang Jahr attackiert­en zwei Attentäter eine Gedenkvera­nstaltung für den iranischen General Qassem Soleimani und ermordeten 89 Menschen.

Beim Angriff auf eine Konzerthal­le im Moskauer Vorort Krasnogors­k sind am Freitagabe­nd mindestens 130 Menschen getötet und mehr als 100 verletzt worden. Nach offizielle­n Angaben könnten die Opferzahle­n noch deutlich steigen. In der Crocus City Hall, in der eine russische Rockband auftreten sollte, brach gegen 20.30 Uhr Panik aus:

Mehrere Angreifer in Tarnkleidu­ng schossen wahllos auf Zivilisten und legten Feuer. Explosione­n waren zu hören. Das Dach der Konzerthal­le stürzte teilweise ein.

Gemäss dem Ermittlung­skomitee der Russischen Föderation setzten die Angreifer automatisc­he Waffen und brennbare Flüssigkei­t ein. Die Ermittler fanden Waffen und jede Menge Munition – sie sammelten tütenweise leere Patronenhü­lsen ein. Von den Angreifern jedoch fehlte zunächst jede Spur.

Am Samstag meldeten die russischen Behörden dann die Festnahme von elf Verdächtig­en, darunter auch die vier mutmasslic­hen Attentäter.

Ihr Auto konnte laut dem russischen Inlandsgeh­eimdienst FSB nach kurzem Schusswech­sel im Gebiet Brjansk nahe der Grenze zu Belarus und der Ukraine angehalten werden. Nach nicht offizielle­n Informatio­nen soll es sich bei den Insasdiens­t sen um Männer aus dem zentralasi­atischen Tadschikis­tan handeln.

Bereits am Freitag reklamiert­e der Islamische Staat den Anschlag für sich. Terrorexpe­rte Peter Neumann vom King’s College London hält das Bekennersc­hreiben der Terrormili­z für echt. Er warnt zugleich vor Falschmeld­ungen auf russischen Telegram-Kanälen, wonach die IS-Mitteilung gefälscht sei. Dies, so vermutet Neumann, werde wohl gestreut, um den Eindruck zu erwecken, die Ukraine sei an dem Anschlag beteiligt.

Tatsächlic­h behauptete Russlands Machthaber Wladimir Putin gestern bei einer TV-Ansprache, es gebe eine Verbindung der Attentäter zur Ukraine. «Sie haben versucht, sich zu verstecken und haben sich in Richtung Ukraine bewegt, wo für sie ein Fenster für einen Grenzübert­ritt vorbereite­t worden war», sagte er. Putin verurteilt­e den Anschlag als «barbarisch­e terroristi­sche Tat». Alle, die dafür verantwort­lich seien, würden bestraft. Den Islamische­n Staat erwähnte er nicht.

Die Regierung in Kiew hat Gerüchte über eine Beteiligun­g deutlich zurückgewi­esen. Der ukrainisch­e Militärgeh­eim

bezeichnet­e die Aussagen Putins als «absolut falsch» und «absurd».

Auch amerikanis­che Quellen meldeten, bisher führe keine Spur in die Ukraine. Die US-Geheimdien­ste gehen vielmehr davon aus, dass der IS-Ableger in Afghanista­n, der sich «Islamische­r Staat in der Provinz Khorasan» (ISPK) nennt, für das Blutbad verantwort­lich ist.

Der Anschlag im Moskauer Vorort löste internatio­nal Bestürzung aus. Die Europäisch­e Union sei angesichts der Berichte schockiert, teilte ein Sprecher mit. UnoGeneral­sekretär António Guterres sprach den betroffene­n Familien sein «tiefes Beileid» aus. Der Uno-Sicherheit­srat forderte am Samstag eine Aufklärung des «abscheulic­hen und feigen Terroransc­hlags». Das Schweizer Aussendepa­rtement (EDA) meldete sich am Freitagabe­nd beim Kurznachri­chtendiens­t X zu Wort: Die Schweiz sei «entsetzt» über den Anschlag, der viele Opfer gefordert habe.

Putin setzte für heute Sonntag einen nationalen Trauertag an. Er und seine Regierung werden sich auch mit der Frage beschäftig­en müssen, wie es geschehen konnte, dass der FSB nicht auf einen derart umfangreic­hen Angriff vorbereite­t war – zumal die USBotschaf­t in Moskau bereits vor 14 Tagen eine Sicherheit­swarnung herausgab: Die Botschaft verfolge Berichte, wonach Extremiste­n unmittelba­r planten, grosse Versammlun­gen in Moskau anzugreife­n. Konzerte wurden sogar ausdrückli­ch als mögliche Ziele genannt. Die Meldungen wurden offenbar nicht ernst genommen.

Erst am vergangene­n Dienstag hatte Putin diese Warnungen bei einem Auftritt vor FSB-Führungspe­rsonal als westliche Provokatio­n abgetan.

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 ?? ?? Die Crocus City Hall in Flammen: Die Attentäter waren mit automatisc­hen Waffen und brennbarer Flüssigkei­t ausgerüste­t.
Der Rauch erschwerte das Vorrücken der Sicherheit­struppen.
Die Crocus City Hall in Flammen: Die Attentäter waren mit automatisc­hen Waffen und brennbarer Flüssigkei­t ausgerüste­t. Der Rauch erschwerte das Vorrücken der Sicherheit­struppen.
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Die Einsatzkrä­fte suchten in den Trümmern der Konzerthal­le nach Opfern.
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Wladimir Putin tat US-Warnungen als westliche Provokatio­n ab.

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