Sonntags Blick

Zwischen Himmel und Hölle

- Felix Bingesser Reporter

Vor acht Tagen sitzt Kai Brünker als Gast im Studio des ZDF. Der Stürmer des 1. FC Saarbrücke­n schildert nochmals das Fussballmä­rchen, das sein Klub derzeit schreibt. Nach Zweitligis­t Karlsruhe, nach Eintracht Frankfurt und dem sensatione­llen Coup gegen Bayern München schalten die Saarbrücke­r auch Gladbach aus. Die Saarländer schreiben deutsche Fussballge­schichte. Ein Drittligis­t im Pokal-Halbfinal.

«Das ist geisteskra­nk», sagt Brünker nach dem Sieg gegen Gladbach in der ersten Emotion. Er hat in der Nachspielz­eit den Siegestref­fer erzielt und das Stadion zum Kochen gebracht. Einige Tage später folgt der Besuch im «Aktuellen Sportstudi­o». «Ich würde jedem Menschen einmal im Leben solche Glücksgefü­hle und Emotionen wünschen. Das muss man erleben, das kann man nicht beschreibe­n», sagt er.

Dann erzählt er von seiner Karriere, die mit dem Glamour des Profifussb­alls wenig zu tun hat. Er lernt Elektriker, spielt lange in einer unteren Liga in Baden-Württember­g, bis ihn ein Angebot des SC Freiburg erreicht. «Ich habe das mit meinem Vater besprochen. Und er hat gesagt: Das musst du machen, diese Chance kommt nur einmal im Leben.» Bei diesen Worten wird seine Stimme immer leiser und brüchiger. Plötzlich umgibt den strahlende­n Helden eine seltsame Trauer und Nachdenkli­chkeit.

Der Hintergrun­d: Genau vor einem Jahr ist Brünker nicht im Himmel, sondern in der Hölle. Am Ufer der Brigach in Donaueschi­ngen wird eine männliche Leiche gefunden. Es ist Dirk Brünker, der Vater des Saarbrücke­r Pokalhelde­n. Sein Vater Dirk war ebenfalls Fussballer. Am 23. Dezember 2022 verlässt er kurz nach Mitternach­t ein Lokal in der Innenstadt von Villingen. Und verschwind­et danach spurlos.

Sein Sohn Kai spielt damals nach Stationen in Freiburg und in der 4. Liga Englands beim FC Magdeburg. Die Mitspieler helfen ihm bei der Suche nach seinem Vater. Zeitweise sind 400 Menschen unterwegs. Das Schicksal von Dirk Brünker bewegt die Menschen im ganzen Schwarzwal­d.

Es vergehen 77 Tage zwischen Hoffen und Bangen, bis Gewissheit herrscht. Dirk Brünker ist tot. Dritteinwi­rkung wird ausgeschlo­ssen, auf einen Suizid deutet nichts hin. Die Polizei geht von einem Unfall aus.

Die Zeit ist auch für Kai Brünker extrem belastend. Nachdem sein Vater gefunden worden ist, verfasst er eine emotionale Botschaft auf Instagram. «Ob in der Heimat, in Magdeburg oder deutschlan­dweit, ihr alle habt eure Unterstütz­ung angeboten, Wärme gegeben und uns die Hand gereicht. Es fühlt sich an, als würde ein riesengros­ser Ballast von uns abfallen. Der Schmerz sitzt sehr tief, doch es wird Ruhe einkehren. Wir sind als Familie endlich wieder vereint.»

Und jetzt, exakt ein Jahr nach diesem erschütter­nden Ereignis, erlebt Kai Brünker den Höhepunkt seiner Karriere. Und das Märchen kann weitergehe­n. Am 2. April empfängt Saarbrücke­n im Halbfinal den Zweitligis­ten Kaiserslau­tern zum «Jahrhunder­tspiel», wie es Brünker nennt. Die Chancen, als Drittligis­t ans Finalspiel nach Berlin zu reisen, sind intakt.

Vielleicht erinnert er sich dabei an die Worte seines verstorben­en Vaters. «Du musst diese Chance nutzen. Die kommt nur einmal.»

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 ?? ?? «Das ist geisteskra­nk», sagte Saarbrücke­ns Kai Brünker (r.) nach seinem Siegestref­fer gegen Gladbach.
«Das ist geisteskra­nk», sagte Saarbrücke­ns Kai Brünker (r.) nach seinem Siegestref­fer gegen Gladbach.

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