Deshalb haben bald Neuwagen eine Black
Spurhalter, Müdigkeitswarner und Notbremser: Ab 1. April müssen aufgrund einer neuen Regelung der Europäischen Union auch Schweizer Neuwagen zahlreiche Assistenzsysteme verpflichtend an Bord haben. Und was bedeutet das für uns Autofahrende?
Wer in den letzten Monaten einen Neuwagen gekauft hat, der dürfte es gemerkt haben: Ständig piepsen, blöken oder blinken Warnsignale in neuen Autos. Knapp das Tempolimit überschritten oder kurz aufs Navi geschaut – und schon mahnen Tempoassistent und Aufmerksamkeitswarner lautstark, langsamer zu fahren und nach vorne zu schauen. Manchmal sogar gleichzeitig.
Der Grund liegt in der neuen General Safety Regulation der Europäischen Union (EU), die für Neufahrzeuge verpflichtende Fahrassistenzsysteme vorschreibt. Bereits 2018 hat sich die EU zum Ziel gesetzt, die Zahl der Verkehrstoten und der Schwerverletzten bis 2030 zu halbieren. Erste Erfolge sind erkennbar: Die Zahl der Verkehrstoten ist seit der Jahrtausendwende in Europa rückläufig. Bis 2050 soll es keine tödlichen Verkehrsunfälle mehr geben. Die neuen Pflichtassistenten sollen dabei helfen, indem sie Gefahrensituationen verhindern und zu regelkonformem Verhalten motivieren – sonst wird gepiepst.
Neu lancierte Modelle müssen diese Assistenten bereits seit Juli 2022 an Bord haben. Ab Juli dieses Jahres in der EU und bereits ab April bei uns in der
Schweiz müssen nun alle angebotenen Neuwagen entsprechend ausgerüstet sein. Das heisst: Die Autohersteller müssen auch schon länger auf dem Markt befindliche Modelle nachrüsten. Bei vielen war das Update immerhin problemlos, weil die Assistenten entweder schon serienmässig eingebaut oder als Option gegen Aufpreis angeboten wurden.
Warum solch eine EU-Regelung auch im Nicht-EU-Land Schweiz gilt? Weil unsere Autos bei Inverkehrsetzung den EUTypgenehmigungen entsprechen müssen. Und die beinhalten auch die neuen Regelungen für Pflicht-Assistenzsysteme. Altfahrzeuge müssen nicht nachgerüstet werden; die Regelung gilt nur für neu in Verkehr gebrachte Fahrzeuge.
Den grössten Eingriff bedeutet dabei die sogenannte Blackbox. Freiwillig boten bisher einige Autoversicherer solch einen Unfalldatenspeicher an. Wer ihn montieren liess, profitierte von tieferen Versicherungsprämien.
Neu ist die «ereignisbezogene Datenaufzeichnung» aber ein Muss. Sie zeichnet Fahrdaten wie Tempo, Gaspedalstellung, Aktivität von Anti-Blockiersystem (ABS) und elektronischer Stabilitätskontrolle (ESP), Neigung und den Lenkwinkel ständig in einem temporären Speicher auf. In regelmässigen Intervallen werden dabei alte Daten wieder überschrieben – man kann also nicht Stunden, Tage oder Wochen zurückschauen.
Fest abgespeichert wird erst, wenn die Unfallsensoren beispielsweise zur Auslösung des Airbags einen Crash registrieren. Dann werden rückwirkend fünf Sekunden vor und 300 Millisekunden nach dem Unfall fix abgespeichert. So sollen sich Unfälle leicht rekonstruieren lassen – auch, ob ein Unfallfahrer in Selbstüberschätzung das ESP abgeschaltet hatte.
Unterwegs dürfte sich der intelligente Geschwindigkeitswarner (engl. Intelligent Speed Assistance oder kurz ISA) am meisten bemerkbar machen. Er schaut aufs Navi und die per Kamera erkannten Verkehrszeichen. Wird das geltende Tempolimit überschritten, mahnt das Auto akustisch oder optisch im Kombidisplay. Dazu sind aktuelle digitale Navikarten und eine möglichst fehlerfreie Verkehrsschildererkennung nötig.
Gerade Letztere funktioniert nicht immer einwandfrei; zumal Verkehrszeichen für Limite und ihre Aufhebung sich in ihrer Grafik von Land zu Land minimal unterscheiden. Da wird das erlaubte Tempo nicht immer zweifelsfrei erkannt. Aber: Das Auto bremst weder ab, noch reduziert es die Leistung. Denn die Fahrerin ist nach wie vor verantwortlich, wie weit sie das Gaspedal durchdrückt.
Schliesslich wird sich auch der Müdigkeitsund Aufmerksamkeitswarner besonders häufig zu Wort melden.
Er überwacht zum Beispiel die Lenkbewegungen: Werden diese ruckartig, geht der Algorithmus von nachlassender Aufmerksamkeit aus und regt eine Pause an – zum
Beispiel per Anzeige eines KaffeetassenSymbols. Als Option boten das bisher schon viele Modelle an.
Bei einigen frisch lancierten wie Toyotas bZ4X oder Subarus Solterra überwacht eine Kamera auch das Fahrertgesicht und mahnt Konzentration an, sobald er häufig blinzelt oder die Augen zu lange schliesst. Bei der China-Marke Nio schreit der KI-gesteuerte Assistent Nomi auf dem Armaturenbrett «Stay focused!» («Bleib aufmerksam!»), sobald man nur aufs Navi schielt. Noch können Assistenzsysteme kaum zwischen dem notwendigem Blick auf Navi oder Radio und Aufmerksamkeitsverlust unterscheiden.
Und wenn die Piepserei nervt? Am besten bleibt man unter dem Tempolimit und aufmerksam – dann meldet sich kein Warnsignal. Wenn der Spurhalteassistent mit ständigem Eingriff in die Lenkung nervt, lässt er sich auch abschalten. Doch bei jedem Neustart sind alle Assistenten wieder scharfgestellt – EU-Vorschrift.