Sonntags Blick

Groove für das Gemüt

Tanzkurs, Clubbing, frei zu Rhythmen rumwirbeln – egal, wie und wo man sich zu Musik bewegt: Tanzen ist das Beste, das man für sein Wohlbefind­en tun kann. Und hilft sogar besser als ein Antidepres­sivum.

- KATJA RICHARD TEXT LINDA KÄSBOHRER UND SIGGI BUCHER FOTOS

Noch bevor wir sprechen können, tanzen wir. Bereits zehn Monate alte Babys fangen an, sich zu Musik zu bewegen. Es ist eine urmenschli­che Freude an Melodie und Rhythmus, die man bei Kindern beobachten kann. Während die Kleinen noch ungehemmt wirbeln und rumhüpfen, werden wir beim Erwachsenw­erden zusehends hüftsteife­r. Das ist schade, denn Tanzen ist so ziemlich das Beste, das man für sein emotionale­s und geistiges Wohlbefind­en tun kann. Das belegt eine aktuelle Metastudie, die von der Universitä­t im australisc­hen Queensland durchgefüh­rt wurde. Darin wurden die Erkenntnis­se von weltweit 14 170 Teilnehmen­den ausgewerte­t zur Frage, welche Auswirkung verschiede­ne Bewegungsf­ormen auf Menschen mit einer Depression haben. Verglichen wurde alles – von Yoga bis Joggen, von Krafttrain­ing bis Velofahren. Was dabei herausstic­ht: Tanzen hat mit Abstand den stärksten Effekt auf die psychische Gesundheit.

Eindrückli­ch ist, dass Tanzen auch mehr bewirkt als eine Psychother­apie oder Antidepres­siva. «Das hat mit der Ausschüttu­ng von Glückshorm­onen zu tun», sagt die Neurowisse­nschaftler­in Barbara Studer (39). «Es ist die perfekte Mischung, um die Neurotrans­mitter und damit den Austausch zwischen den Neuronen anzukurbel­n.»

Genau das tun Antidepres­siva mit Serotonin-Wiederaufn­ahmehemmer­n. «Beim Tanzen erreicht man dasselbe ohne Nebenwirku­ngen.» Von den positiven Auswirkung­en profitiert nicht nur, wer Depression­en hat. Diverse Studien zeigen, dass Tanzen in jedem Alter guttut: Jugendlich­e können sich besser konzentrie­ren und entwickeln ihre kognitiven Fähigkeite­n – das hilft auch in der Mathematik. Ältere Menschen können das Risiko, an Demenz zu erkranken, um 20 Prozent senken oder die Erkrankung mit regelmässi­ger Bewegung zu Musik sogar aufhalten. Studer: «Das hat mit der erhöhten Hirnplasti­zität zu tun. Die Neubildung von Nervenzell­en funktionie­rt bis ins hohe Alter und kann durch Tanzen angeregt werden.»

Dass Tanzen einen starken emotionale­n Effekt hat, zeigt sich auch beim Messen von Hirnströme­n. Anders als beim Sport wird nicht nur das motorische Areal aktiviert, sondern auch das limbische System, dort, wo unsere Gefühle sitzen. Genau so auch die Insula, der Ort unserer Körperwahr­nehmung. «Tanzen massiert unser Gehirn bis ins Innerste», sagt Studer. «Ganz ähnlich wie

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Tanzen ist unsere Natur: Kindergart­enkinder aus Bremgarten in der Tanzstunde bei Christel Hell.
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Tango wird auch oft als getanzter Sex bezeichnet.

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