Sonntags Blick

Verliebt auf dem Tanzparket­t

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Die Füsse gleiten mit Leichtigke­it übers Parkett, das Tanzpaar bewegt sich in eingespiel­ter Harmonie: Immer wieder leuchten die Augen von Anita Brülhart (66) auf, zwischendu­rch schliesst sie sie. Entweder weil sie sich auf einen Schritt konzentrie­rt oder weil sie es schlicht geniesst, sich von ihrem Mann Philipp (70) zum langsamen Walzer führen zu lassen.

«Das war anfangs für mich gar nicht so einfach», sagt sie. «Denn es war ungewohnt, mich führen zu lassen», sagt sie und lacht. Fast 20 Jahre ist es her, seit sich das Paar im Danceorama in Ostermundi­gen BE kennengele­rnt hat. «Ich habe mir mit dem Tanzkurs hier einen Jugendtrau­m erfüllt», sagt sie. «Als ich 16 war, sind viele in die Tanzschule, ich habe das damals irgendwie verpasst.» Im Danceorama werden klassische Gesellscha­ftstänze unterricht­et. Und es ist die einzige Tanzschule in Bern, die den Damen einen Tanzpartne­r stellt.

Einer dieser Taxi-Tänzer war Philipp Brülhart, der sich inzwischen schon fast 30 Jahre mit Gesellscha­ftstänzen von Foxtrott bis Rumba auf dem Parkett bewegt. Seine Motivation: Bewegung und Musik. «Man muss einfach dranbleibe­n, aber wenn man es mal raushat, macht es richtig Spass.»

Besonders das Führen sei eine Herausford­erung. «Das habe ich in intensiven Kursen wirklich gelernt.» Sanft, klar und kaum sichtbar gibt er den Impuls, und schon gleitet seine Frau in die nächste Figur. «Man stimmt sich aufeinande­r ein», sagt Anita Brülhart. «Tanzen ist eine wunderschö­ne Art, sich als Paar gemeinsam zu bewegen.»

Dass sie sich im Tanzkurs verlieben würde, damit hatte sie nicht gerechnet, im Gegenteil: «Ich hatte grad genug von Männern», sagt sie. «Aber wenn die Liebe kommt …» Ihre Augen funkeln wieder. Das Tanzen als Paar könne auch eine Herausford­erung sein. «Wenn was nicht stimmt in der Beziehung, dann kommt das beim Tanzen an die Oberfläche», sagt Philipp Brülhart. Seine Frau ergänzt: «Mit seinem Lebenspart­ner ist man halt viel näher und direkter. Klar kann da mal ein hartes Wort fallen.»

Früher trainierte­n sie bis viermal die Woche, inzwischen nicht mehr so oft. Einmal sei aber zu wenig. «Wir üben jeden Monat eine neue Figur ein», sagt er. «Wenn man sich die merken will, muss man üben.» Beide sind überzeugt, dass sie das Tanzen nicht nur körperlich, sondern auch geistig fit hält. Und etwas ist für Philipp Brülhart ganz besonders daran: «Seit ich tanze, bin ich gewachsen!» Damit meint er seine Haltung. Tatsächlic­h fällt sein gerader Rücken auf: «Andere knicken im Alter langsam ein, bei mir ist es das Gegenteil.»

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