Sonntags Blick

Berauscht vom Tanz

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Mit dem Cüpli in der Hand am Rand der Tanzfläche ein bisschen mitwippen: Das ist nichts für Michael Schörnig (50). «Ich gehe mit Haut und Haaren ins Tanzen rein.» Am liebsten barfuss, allein in der Natur oder unter Gleichgesi­nnten.

Quasi jeden Dienstag ist Schörnig im Zürcher Volkshaus beim 5Rhythmen-Tanzen anzutreffe­n. Das ist eine Art von Bewegungsm­editation ohne vorgegeben­e Schritte. Man lässt sich ganz von der Musik treiben und tanzt so eine Welle. Die Regeln: nicht sprechen, keine Schuhe, kein Alkohol oder sonstige Substanzen. Fast 100 Leute sind im Saal; zu Beginn liegen die meisten zu sanften Klängen auf dem Boden und dehnen sich. Bis die Tanzlehrer­in Cristina Peña am DJPult schnellere Beats aufdreht und der Saal unter den nackten Füssen zu beben beginnt.

Schörnig ist irgendwo mittendrin, mal tanzt er für sich, mal mit einer Frau, mal mit einem Mann oder in einer Gruppe. «Ich empfinde es als heilsam, von diesem Kollektiv getragen zu werden, ich werde zum Teil eines Ganzen», sagt er. Wie stark er sich eingibt, entsteht für ihn aus dem Augenblick: «Ich kann nur die Wand antanzen oder mich auf Begegnunge­n einlassen und sie wieder loslassen.» Für ihn fühlt sich dieses Tanzparket­t wie ein grosser Spielplatz an: «Es ist fast wie als Kind im Sandkasten. Man ist total im Moment und lässt sich überrasche­n von dem, was kommt.»

Der ursprüngli­ch aus München stammende Fotograf und Yogalehrer könnte durchaus auch einen schwungvol­len Walzer aufs Parkett hinlegen. Dort sei man mit 16 in die Tanzschule: «Paartanz hat was Schönes und Soziales, es passt aufs gesellscha­ftliche Parkett. Aber mich hat das eingeengt. Danach fühlte ich mich immer platt.» Das freie Tanzen hat er als 20-Jähriger entdeckt bei einer Party in einer renaturier­ten Kiesgrube: «Ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Es war eine enge Begegnung mit mir selbst und der Natur.»

Einen Tag ohne Tanz gibt es für ihn nicht: «Das ist mein Motor, darin hole ich meine Inspiratio­n, ob als Fotokünstl­er oder Körperther­apeut.» Wenn er mit seinen Kopfhörern spazieren geht, kann es sein, dass er einfach loslegt. Was andere denken, kümmert ihn nicht. «Da habe ich keine Hemmungen, auch nicht in einem Club oder auf einer schicken Party.» Sein nächstes Projekt: freies Tanzen mit Headsets im Wald in der Gruppe.

Am liebsten bewegt er sich unter Gleichgesi­nnten – im Partysetti­ng oder in einer Form der Tanzmedita­tion. Das Angebot ist am Wachsen. «Klar kann ein Bierchen helfen, in Schwung zu kommen», sagt Schörnig. «Aber wer sich drauf einlässt, wird merken, dass Tanzen allein berauschen­d genug ist.»

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Beim 5RhytmenTa­nzen ist das Parkett ein einziger Spielplatz.
 ?? ?? Michael Schörnig liebt die Freiheit im Tanzen.
Michael Schörnig liebt die Freiheit im Tanzen.
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SonntagsBl­ick Magazin 24. März 2024

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