DER ST «Literatur ist OFF,
Hohe Ehre in Hohenems: Die österreichische Bestsellerautorin Monika Helfer (76, «Die Bagage») empfängt uns in ihrem Zuhause und spricht über gewobenen, beschriebenen und gerauchten Stoff.
Frau Helfer, ein Gespräch mit Ihnen über Stoffe ist wahrlich eine vielschichtige Sache. Monika Helfer: Weshalb meinen Sie?
Ich kann mit Ihnen über Texte und Textilien reden – eben haben Sie das Buch «Der Stoff» veröffentlicht, worin Sie Ihre Leidenschaft für Samt, Seide und Co. schildern.
Bereits als Zwölfjährige ging ich in Wien ins Stoffgeschäft Bottoni zu Frau Elfriede. Sie war Italienerin, begrüsste mich jeweils freundlich mit «Piccola» und liess mich in ihren Stoffen wühlen.
Sie beschreiben das sehr anschaulich: «Ich schob meine Hände zwischen die kühlen Lagen und zog daran und rollte ein wenig auf. Es war wie Händewaschen.» Kennen Sie das Gefühl heute noch?
Ja, das ist bei Seide so: Wenn man mit der Hand da drunter durchstreicht, dann ist das so kühl, einfach wunderbar.
Interessierten Sie sich mehr für das Gefühl bei der Berührung als für Farben und Muster?
Für die Farben habe ich mich schon auch interessiert, aber in erster Linie doch für die Stoffqualität.
Lässt sich die erfühlen?
Ja, absolut. Die halbsynthetische Chemiefaser Viskose ist zum Beispiel nicht schlecht, hat aber nie die Qualität von Naturfasern wie Baumwolle oder Seide.
Von Elfriede bekamen Sie jeweils kleine Stofffetzen und sammelten sie im «Monika Helfer Stoffheft eins». Haben Sie das noch?
Jaja, das habe ich immer noch. Allerdings habe ich es zurzeit einer Fotografin ausgeliehen. Das ist in der Grösse DIN-A4. Pro Seite habe ich drei Stoffe eingeklebt und darunter geschrieben, welche Art von Stoff es ist.
Gab es danach auch ein «Stoffheft zwei»?
Nein, das erste ist so dick, das reichte. Das habe ich den 1950er- und 1960er-Jahren erstellt – als ich dann 18 Jahre alt war, hörte ich damit auf.
Wollten Sie als Kind Schneiderin werden?
Nein, nie. Obwohl ich später viel genäht habe, weil wir nicht viel Geld hatten: Ich habe alte Kleider gekauft und immer die Knöpfe ausgewechselt. Und ich habe auch sehr viel gefärbt. Selbst dieses Stück, das ich trage, habe ich schwarz gefärbt – es war grossmustrig, aber das mag ich nicht.
Im Buch offenbaren Sie ein Geschick, Secondhandkleider aufzuhübschen.
Ja, ich bin geschickt darin, aber ich kann nicht schön nähen. Wie die Rückseite aussieht, ist mir egal, sie darf einfach nicht aufgehen. Schneiderin zu sein, ist sehr aufwendig: Man braucht Adleraugen und sitzt immer gebückt über der Maschine – nein, ich wollte immer schreiben.
Wann nahm Text gegenüber Textilie überhand?
Der Anbeginn des Schreibens war der Tod meiner Mama, als ich elf Jahre alt war. Das war für uns Kinder ein Schock, den jedes auf seine Art verarbeitete – mein Bruder hat sich später das Leben genommen; und ich begann, auf Zettel Texte zu schreiben. Das war für mich nicht Literatur, ich sah es als Trostzettel.