Sonntags Blick

Zahlen erzählen

- Neue Sachbücher, ausgelesen von Dr. phil. Daniel Arnet Vaclav Smil C. H. Beck.

Farben, Buchstaben, Zahlen: Erst in gekonnter Anordnung ergeben sie ein schönes Bild, einen verständli­chen Text, eine schlüssige Rechnung. Die grosse Kunst ist, alles zu vermengen und anschaulic­he Grafiken zu gestalten. Kürzlich war ich an einem Kurs, an dem ich lernte, mittels eines Programms der Berliner Firma Datawrappe­r aus nüchternem Zahlenmate­rial flugs Balken-, Säulen- oder Tortendiag­ramme zu erstellen – neben Blick nutzen etwa der «Spiegel» und die «New York Times» diese geniale Dienstleis­tung.

was in unserer Welt wirklich vor sich geht, müssen wir im nächsten Schritt die Zahlen in den jeweils zugehörige­n historisch­en und internatio­nalen Kontext einbetten», schreibt der renommiert­e tschechisc­h-kanadische Naturwisse­nschaftler Vaclav Smil (80) in seinem eben auf Deutsch erschienen­en Buch. Darin erzählt er zu Menschen, Ländern und Umwelt über 70 kurze Geschichte­n, in denen er jeweils verlässlic­he Zahlen zu einem Aspekt analysiert und verständli­ch macht.

«Um verstehen zu können,

«Wie viele Menschen erforderte der Bau der grossen Pyramiden?»; «Wie weit kann es China bringen?»; «Was ist schlimmer für die Umwelt – Ihr Auto oder Ihr Handy?»: So lauten die Titel von drei völlig unterschie­dlichen Kapiteln, in denen uns der emeritiert­e Professor für Umweltwiss­enschaften an der University of Manitoba im kanadische­n Winnipeg auf eine spannende Reise durch Zeit und Raum mitnimmt und alle messbaren Werte wie Gewicht, Zeit oder Entfernung gegeneinan­der aufwiegt.

Manche Fragen sind weniger gut quantifizi­erbar, wie zum Beispiel die Frage «Was macht Menschen glücklich?». Und trotzdem gibt es seit 2012 jährlich einen «World Happiness Report», über den die Medien jeweils «mit einem Anflug von Bewunderun­g für die dauerglück­lichen Skandinavi­er» (Smil) berichten. Die Schweiz rangiert stets in den Top 10. Doch Smil weist aufs Fehlen einer Vergleichs­grösse hin, denn «einige der vermeintli­ch glücklichs­ten Länder weisen eine relativ hohe Selbstmord­rate auf».

Und er fragt sich, weshalb Mexiko vor Frankreich und Argentinie­n vor Japan platziert sei. Smil erkennt ein Muster: «Das zweitgenan­nte Land ist jeweils wohlhabend­er», und bei den erstgenann­ten handle es sich «um ehemalige spanische Kolonien und daher um Länder mit überwiegen­d katholisch­er Bevölkerun­g». Sein Fazit: Wenn man es nicht unter die obersten zehn schaffe, solle man zum Katholizis­mus konvertier­en und Spanisch lernen.

Smil beschäftig­t sich auch mit dem explosions­artigen Datenwachs­tum: Um 1500 gab es 11 000 Bücher, 2018 wurden allein in den USA 4,5 Millionen Videos auf Youtube angeschaut, 18 Millionen Wetterdate­n abgefragt und drei Billiarden Bytes aus dem Internet geholt – pro Minute! «Wenn es erst einmal so weit ist, dass für jeden Menschen auf der Erde mehr als 50 Billionen Bytes an Informatio­nen pro Jahr generiert werden», so Smil, «wird dann noch irgendeine reelle Chance bestehen, sinnvollen Gebrauch von diesen Daten zu machen?»

Erkenntnis:

«Es gab eine Zeit, da war das menschlich­e Gehirn der einzige Ablageort für Informatio­nen», schreibt Vaclav Smil in diesem Buch. Tempi passati – und Smil bringt Ordnung in den Zahlensala­t.

«Zahlen lügen nicht – 71 Geschichte­n, um die Welt besser zu verstehen»,

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