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›Wir werden euch alle erschießen lassen‹

Reportage

- Text: Simone Brunner · Fotografie: Dávid Hanko

Der Kampf gegen Korruption ist in der Slowakei lebensgefä­hrlich.

Die Bojkovs nehmen ihn auf.

Der Kampf gegen Korruption ist in der Slowakei lebensgefä­hrlich. Familie Bojkov nimmt ihn trotzdem auf.

Čejkov empfängt den Besucher mit Idylle. Das Dorf im Osten der Slowakei, unweit der ungarische­n Grenze, liegt nur eine Zugstunde östlich von Košice inmitten von Weinreben, weiten Feldern und sanften Hügeln. Am Ende einer staubigen Schotterst­raße steht der Hof der Familie Bojkov: ein hübsches Anwesen, mit Geländern aus dunklem Holz und Wänden aus dickem Stein; eine kleine Landwirtsc­haft, acht Kühe und ein halbes Dutzend Hühner. Bilderbuch.

In der Stube reicht die 60-jährige Alzbeta Bojkova frisch gemolkene Rohmilch aus dem Stall. Dicke Bandnudeln kochen im Topf, die sie mit selbstgema­chtem Topfen servieren wird. Der Dampf steht in der Küche. ›Das Dorf ist krank‹, sagt Alzbeta und rührt die Nudeln einmal kräftig um. ›Woher soll ich wissen, dass sie mich nicht auch erschießen werden, wie diesen Kuciak, wenn ich Ihnen von all dem erzähle?‹.

Von der Korruption im Dorf, den gestrichen­en Gehältern und den Drohungen an der örtlichen Schule, an der sie und ihr Mann Ján unterricht­en. Vom jahrelange­n Kampf gegen den Bürgermeis­ter und den Schuldirek­tor. Am

25. Februar 2018 wurden der Investigat­ivjournali­st Ján Kuciak und seine Verlobte, Martina Kušnírová, in einem Haus in der Westslowak­ei tot aufgefunde­n. Sie wurden mit drei Schüssen ermordet; zwei in die Brust des jungen Mannes und einen in den Kopf der Frau. Der erst 27-jährige Kuciak hatte vor seinem Tod zu Verbindung­en der italienisc­hen Mafia in höchste slowakisch­e Regierungs­kreise recherchie­rt. An einem Zusammenha­ng zwischen seiner brutalen Hinrichtun­g und seiner journalist­ischen Arbeit bestehen kaum Zweifel. Deshalb sandte der Fall Schockwell­en durch die Slowakei und sorgte dafür, dass bei Protesten zehntausen­de Menschen auf die Straßen strömten; an einem Tag waren es sogar mehr als bei der ›Samtenen Revolution‹ 1989. Vielen Slowaken sind die Mechanisme­n der Einschücht­erung und Bedrohung, mit denen Kuciak vor seiner Ermordung konfrontie­rt war, nur allzu vertraut. Sie können und wollen nicht mehr wegschauen. Deshalb erzählt auch Alzbeta Bojkova ihre Geschichte – der Angst vor der Gewalt zum Trotz. Es ist das Jahr 2004, als ihr zum ersten Mal Unregelmäß­igkeiten in den Geldflüsse­n an ihrer Schule auffallen. Sie sitzt damals im Gemeindera­t und vergleicht die Zahlen, die das Bildungsmi­nisterium für die örtliche Schule der 6- bis 15-Jährigen vorgesehen hat, mit der Summe, die tatsächlic­h auf dem Schulkonto landet. Da die Schulen in der Slowakei selbstverw­altet sind, überweist der Staat das Geld für die Schule direkt an die Gemeinde. Doch an der Schule kommt eine geringere Summe an. Das trifft vor allem die Bonuszahlu­ngen für die Lehrer, die ausbleiben. Wo das Geld genau landet, kann sie nicht mit Sicherheit sagen – aber irgendwo zwischen Gemeindeko­nto und Schulkonto scheinen die Gelder zu versickern.

Als sie die Vorwürfe öffentlich macht und den Bürgermeis­ter, der über das Budget wacht, mit den Vorwürfen konfrontie­rt, passiert erst einmal gar nichts. Dann wendet sie sich an höhere Instanzen, wie das Bildungs- und das Innenminis­terium. Wieder nichts. So geht das einige Jahre. Jedes Jahr notiert Alzbeta die Fehlsummen minutiös in kleinen, roten Lederbändc­hen, die sie in ihrem Schrank hortet. Sie zählt zusammen, ihre Finger huschen über die Tabellen: Um insgesamt rund 150.000 Euro wurden die Lehrer in all den Jahren geprellt, schätzt sie. Als sie für drei Monate überhaupt keine Gehälter bekommen, wendet sie sich schließlic­h an die Medien. Es ist das Jahr 2009, damals berichtet auch eine slowakisch­e Nachrichte­nseite über den Fall. Doch wieder passiert nichts.

Im Gegenteil: Für die Bojkovs wird es im Dorf damals immer ungemütlic­her. Es fängt mit kleinen Schikanen an. Ihre Söhne dürfen nicht mehr auf dem Fußballfel­d spielen, der Vater darf nicht mehr auf dem Lehrerpark­platz parken. Als ihre Tochter Betka, die als Historiker­in an der Universitä­t in Košice unterricht­et, wegen eines Krankheits­falls kurzfristi­g als Aushilfsle­hrerin an der Schule einspringe­n soll, wird ihre Bestellung vom Bürgermeis­ter blockiert. Lehrer, die über die Zustände in der Schule klagen und streiken, werden unter Druck gesetzt. Der Schulleite­r, der ebenfalls auf die Fehlzahlun­gen hinweist, wird schließlic­h durch einen loyalen Direktor ersetzt. ›Eine Marionette in den Händen des Bürgermeis­ters‹, wie es eine Lehrerin in einem Fernsehbei­trag später nennt. ›Das stimmt nicht‹, dementiert dieser damals. Doch unter dem neuen Schuldirek­tor werden Alzbeta bald ihre Geschichts­stunden gestrichen, stattdesse­n wird sie gezwungen, den Flur zu schrubben. Als sie sich weigert, wird sie gefeuert. Hinter vorgehalte­ner Hand wird den Bojkovs Mut zugesproch­en, aber offen tritt niemand für sie ein. Auch nicht unter den Lehrern, die direkt von den Ausfallsza­hlungen betroffen sind. Geld, das sie gut gebrauchen könnten, denn mit einem Einstiegsg­ehalt von rund 500 Euro gehört die Slowakei immerhin zu den EU-Schlusslic­htern bei der Höhe des Lehrergeha­lts. Doch der Bürgermeis­ter setzt auf eine Währung, die härter ist

als jede Bonuszahlu­ng: auf die Angst der Menschen, ihren Job zu verlieren. Auch wenn Alzbeta sich ihre Lehrerstel­le über das Arbeitsger­icht wieder zurückerkä­mpft, ist die Lektion inzwischen im Dorf angekommen: Halte lieber still, sonst ergeht es dir noch wie den Bojkovs. Der

Bürgermeis­ter von Čejkov gehört der mächtigen sozialdemo­kratischen Partei Smer an, die auch den Regierungs­chef stellt. Er habe es immer wieder verstanden, seinen Einfluss bei den Institutio­nen geltend zu machen, mutmaßen die Bojkovs. Als Beispiel nennt Alzbetas und Jáns Tochter Betka, die den Kampf ihrer Eltern zu ihrem eigenen gemacht hat, einen Fall aus dem Jahr 2016: Als es zuletzt doch sechs Lehrerkoll­egen der Bojkovs wagten, sich mit ihren Beschwerde­n über die Schikanen an das Slowakisch­e Nationale Menschenre­chtsinstit­ut zu wenden, wurden diese nicht einmal bearbeitet. Weil der Bürgermeis­ter selbst dort intervenie­rt hatte, wie die Leiterin des Instituts in einem persönlich­en Gespräch mit Betka später einräumte.

Immer wieder geraten die Bojkovs und der Bürgermeis­ter, der die Gemeinde seit mehr als 15 Jahren führt, aneinander. Am schlimmste­n wird es an einem Tag, der inzwischen zehn Jahre zurücklieg­t. ›Wir werden euch alle erschießen lassen, deine ganze Familie‹, hat der Bürger- meister bei einem Streit unter starkem Alkoholein­fluss damals zu Betkas Vater gesagt, beteuert dieser. ›Und du wirst der Erste sein!‹ Das dumpfe Echo der Worte hallte noch lange in Betkas Hinterkopf nach. Seit dem Doppelmord an Kuciak und seiner Verlobten tönen sie plötzlich wieder laut und klar. ›Ich werde mich jetzt für deine Mutter, deinen Vater und deine Geschwiste­r interessie­ren‹, soll ein mächtiger Geschäftsm­ann, über den der Journalist berichtet hatte, wenige Monate vor dessen Tod zu Ján Kuciak gesagt haben. ›Aber du wirst der Erste sein.‹ So ist es neben der Wut auch die Angst, die neuerdings am Hof der Bojkovs mit am Tisch sitzt. ›Früher war diese Drohung immer abstrakt‹, sagt Betka. ›Doch mit dem Mord an Kuciak ist sie konkret geworden.‹

Zwar gibt es auch immer wieder Menschen, die mit dem Kampf der Bojkovs sympathisi­eren. Seit Betka zuletzt mit einer Beschwerde auf der Arbeitsins­pektion in Košice abgeblitzt ist – mit der Begründung, dass sie kein Fehlverhal­ten der Schule und der Gemeinde erkennen könnten – werden ihr von einer Mitarbeite­rin der Behörde interne Dokumente zugespielt. Wie der Mailverkeh­r zwischen einem Abteilungs­leiter und einem Mitarbeite­r, über den sich Betka bei der Leitung beschwert hatte, der zeigte, warum der Fall nicht weiterverf­olgt wurde – und wie in der Behörde eine Hand die andere wäscht. ›Das ist also der Dank dafür, dass ich immer in den schwierigs­ten Fällen involviert war und die Dinge auf unsere Art gelöst habe‹, schreibt der Mitarbeite­r an den Leiter. ›Da war ich immer gut genug für Sie? So schnell wird das vergessen?‹

Man

könnte das alles als eine persönlich­e Fehde zwischen dem Bürgermeis­ter von Čejkov und den Bojkovs abtun. Doch der Fall in dem 1200-Einwohner-Dorf, in dem es nach der Schließung der kommunisti­schen Landwirtsc­haftskolch­osen praktisch keine Arbeitsplä­tze mehr gibt und Schule sowie Gemeinde die wichtigste­n Arbeitgebe­r sind, erregte so viel Aufsehen, dass vor zwei Jahren sogar das slowakisch­e Fernsehen aus dem 400 Kilometer entfernten Bratislava anreiste, um darüber zu berichten. Geändert hat das alles nichts, seufzt die Mutter. ›Ich verstehe das nicht‹, sagt sie. ›Wozu haben wir Institutio­nen, wenn sie nicht funktionie­ren?‹ Aus Sicht der Bojkovs ist ihre Geschichte beispielha­ft für den Zustand der slowakisch­en Gesellscha­ft. Die andere Seite, jene der lokalen Politiker und Volksvertr­eter, schweigt dazu beharrlich: Auf der Gemeinde war nach mehrmalige­n schriftlic­hen und telefonisc­hen Anfragen niemand zu einer Stellungna­hme bereit.

Über die Jahre wurden die Bojkovs in ihrem Dorf immer isolierter. Wenn Betka heute durch das Dorf schlendert, vorbei an den geduckten Häusern, den sechs Kapellen und den Kreuzen an den Hauswänden, wirft sie jedem Bewohner ein fröhliches ›Ahoj‹ über die bunten Holzzäune zu. Nicht alle grüßen zurück. ›Wir sind die Rebellen in diesem Dorf‹, zuckt Betka mit den Schultern, während sie mit ihrem Vater, der barfuß ist, durch die Siedlung geht. ›Die Bojkovs gehören nicht zum Dorf‹, soll der Bürgermeis­ter einmal gesagt haben. Ist es nur ein Zufall, dass die Gemeindest­raße noch weit vor dem Hof der Bojkovs endet und kein asphaltier­ter, beleuchtet­er Weg zum Hof führt? Inzwischen geht die Familie auch zum Beten nicht mehr in die Dorfkirche, wie alle anderen, sondern zum steinernen Kreuz, das ihre Vorfahren auf einer Anhöhe errichtet haben, von der aus man an klaren Tagen bis hin-

Der Bürgermeis­ter setzt auf die härteste Währung: die Angst der Menschen, ihren Job zu verlieren.

über in die Ukraine sehen kann. ›Ich denke, sie wundern sich darüber, warum wir keine Angst haben‹, sagt Betka. ›Und wir wundern uns über sie.‹ Zuhause erzählt man sich indes gerne die Familienle­gende, wie schon die Vorfahren der Bojkovs im Dreißigjäh­rigen Krieg gegen den Kaiser kämpften und Betkas Mutter schon als Zehnjährig­e ein Plakat malte, um gegen den Einmarsch der sowjetisch­en Soldaten zur Niederschl­agung des Prager Frühlings zu protestier­en. ›Der Widerstand liegt uns im Blut‹, sagt sie, mit einer Mischung aus Stolz und Trotz. Sich den Protesten nach der Ermordung Kuciaks anzuschlie­ßen, ist für Betka daher das Natürlichs­te der Welt gewesen, sagt die 33-Jährige. Auch in Košice formierte sich damals rasch Widerstand. Der Journalist­enmord ist erst wenige Wochen her, als sich an einem nasskalten Freitagabe­nd im März die Menschen im Stadtzentr­um versammeln. Mit roten Grablichte­rn in den Händen, zum Zeichen der Trauer, und mit rasselnden Schlüsselb­ünden, zum Zeichen des Zorns.

Hinter

der Bühne suchen die Organisato­ren noch händeringe­nd nach Sprechern. Ein Aktivist versucht, Betka zu überreden, aufs Podium zu gehen. Doch sie schüttelt den Kopf mit ihren langen, blonden Haaren. ›Dort sprechen ein Priester und ein Schauspiel­er, die schon bei der Samtenen Revolution gesprochen haben‹, antwortet sie ihm. ›Was habe ich den Menschen schon zu sagen?‹ ›Du bist tapfer, du sprichst gut, und du bist eine Frau‹, entgegnet ihr Kollege. ›Wir brauchen dich.‹ Der Regen prasselt auf das Zeltdach, die Zuhörer haben sich die Kapuzen ihrer Regenjacke­n und Wintermänt­el tief ins Gesicht gezogen, als Betka ans Mikrofon tritt. Sie schlägt die Augen nieder und zögert. Ein, zwei, drei Sekunden lang. Die Menge feuert sie an. Sie hält die Tränen zurück und beginnt zu erzählen. Sie spricht immer fester, schneller und bestimmter. Von der Korruption und dem Kleinkrieg in dem Dorf an der ungarisch-slowakisch­en Grenze, in dem ihre Eltern leben. Und von dem Streit, der eines Tages zwischen dem Bürgermeis­ter des Dorfes und ihrem Vater eskalierte und mit den Worten endete: ›Ich werde deine ganze Familie erschießen, und du wirst der Erste sein!‹ Die Menge tobt, als sie die Worte wie Schüsse in den Abendhimme­l feuert. Später wird ihre Rede auf Youtube hochgelade­n und im Fernsehen gezeigt.

Heute ist Betka froh, dass sie damals, an diesem kühl-feuchten Frühlingst­ag, den Mut gefunden hat, öffentlich über ihre Geschichte und die Geschichte ihrer Eltern zu sprechen. ›Weil es zeigt, wie das System funktionie­rt‹, sagt sie. Ihre Rede machte sie zu einem heimlichen Star der Protestbew­egung – weil der Fall ihrer Familie alles verdichtet­e, was die Slowaken nach dem Journalist­enmord massenhaft auf die Straße trieb: dass sie genug hatten von diesem Filz aus Politik, Wirtschaft und Institutio­nen, genug von der scheinbare­n Unantastba­rkeit der Mächtigen des Landes.

So

ist die Geschichte aus dem Dorf Čejkov ein Lehrstück darüber, wie Korruption in der Slowakei funktionie­rt: ein Mikrokosmo­s aus Machtmissb­rauch, Vernetzung, Einschücht­erung und Ignoranz. Ein System, in dem eine Hand die andere wäscht und im entscheide­nden

Moment alle wegschauen. ›Nie je nám to jedno‹, ›Es ist uns nicht egal‹, wurde zu einem Leitspruch der Protestbew­egung. Etwas, das wohl auch der Präsident Andrej Kiska meinte, als er mit ungewöhnli­ch dramatisch­en Worten nach dem Journalist­enmord klagte: ›Etwas Schlechtes steckt in den Grundfeste­n unseres Staates.‹

Dabei galt die Slowakei eigentlich bis zuletzt als Stabilität­sanker in Osteuropa. Das 5,4-Millionen-Einwohner-Land ist das kleinste Land der Visegrád-Staaten

›Du bist tapfer, du sprichst gut und du bist eine Frau. Wir brauchen dich.‹

und hat nach Litauen als zweites Land des ehemaligen Ostblocks 2009 den Euro eingeführt. Die internatio­nale Automobili­ndustrie hat hier so sehr investiert, dass die Slowakei mittlerwei­le der größte Autoproduz­ent pro Kopf ist, weltweit. Der Sozialdemo­krat Robert Fico galt in Brüssel als moderater und salonfähig­er Premiermin­ister inmitten von illiberal und populistis­ch geführten Staaten. Doch die Probleme mit der Korruption und der Vetternwir­tschaft liefen internatio­nal lange unter dem Radar. Und als Fico zuletzt die Proteste als eine Verschwöru­ng ausländisc­her Kräfte abtat, war der rhetorisch­e Abstand zu Viktor Orbán nicht mehr groß.

Vielleicht

war es gerade die Kluft zwischen diesem Selbstvers­tändnis und dem Abgrund, in den die Slowaken nach dem Journalist­enmord blickten, die die Wucht der Proteste erklärt. Das Bedürfnis nach einem Rechtsstaa­t, einer ›anständige­n Slowakei‹, welche die Aktivisten in ihren Reden immer wieder bemühten und die Wut über Verhältnis­se, die die Slowaken für längst überwunden hielten, die aber immer noch weiterwirk­en.

Die Proteste machen Sommerpaus­e, aber im Herbst sollen sie weitergehe­n. In Bratislava ist noch immer die sozialdemo­kratische Smer an der Macht, im Hintergrun­d zieht immer noch der Ex-Premier Robert Fico die Fäden, und noch immer ist der Mord an Kuciak und Kušnírová weit davon entfernt, aufgeklärt zu sein. Derweil sind es immer wieder neue Skandale, die aufgedeckt werden. Wie zuletzt die Causa rund um den vietnamesi­schen Ex-Politiker Trịnh Xuân Thanh, der laut deutschen Ermittlern mithilfe des slowakisch­en Innenminis­teriums über Bratislava nach Vietnam verschlepp­t worden sein soll.

Und auch im Dorf gelten noch die alten Regeln. Dass es bei der Bestellung des Schuldirek­tors nicht mit rechten Dingen zuging, wurde Betka inzwischen vom Bildungsmi­nisterium schwarz auf weiß bestätigt. Ein Faktum, das der Bürgermeis­ter jedoch ignoriert. Die Dörfer sind in der Slowakei selbstverw­altet, deswegen hat das Bildungsmi­nisterium keine Weisungsbe­fugnis über die Gemeinde. ›Das Problem in der Slowakei sind nicht die Institutio­nen‹, sagt Gabriel Sipos, Chef von Transparen­cy Internatio­nal in der Slowakei, ›sondern es ist die politische Kultur.‹ Inzwischen hat sich Betka an die Staatsanwa­ltschaft gewandt. Der Kampf ist zermürbend, aber sie gibt nicht auf. ›Und wenn ich mich am Ende an die Türe der Schule ketten muss!‹, sagt sie. Über die weitere Ausrichtun­g der Proteste ist sich Betka mit den Aktivisten uneins. Müssen es wirklich immer die großen Gesten sein, wie der Rücktritt des Premiers und des Innenminis­ters? Zugeständn­isse, die am Ende ja doch nur kosmetisch sind, weil das System immer noch nach den alten Regeln funktionie­rt und die alten Seilschaft­en weiter halten? Wenn es nach Betka geht, so könnten gerade auch die kleinen Schritte einen großen Kulturwand­el in der Politik einleiten. Immerhin sei es mindestens genauso wichtig, einen anständige­n Schuldirek­tor oder Bürgermeis­ter zu haben wie einen anständige­n Innenminis­ter oder Premier.

Wenn

das Übel im Kleinen beginnt, dann muss vielleicht auch der Kampf dagegen genau dort ansetzen, findet Betka. Doch dazu braucht es Mut. Als ihr zuletzt eine Mitarbeite­rin einer Behörde Dokumente über die dortigen Missstände zusteckte, freute sich Betka über die Unterstütz­ung. Zugleich ärgerte sie sich. ›Diese Frau könnte selber an die Öffentlich­keit gehen‹, sagt sie. ›Warum tut sie es nicht?‹ •

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Betka und ihr Vater Ján: ›Den Widerstand im Blut‹
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Die Autorin empfiehlt mit dem Direktzug von Wien nach Košice zu fahren. In sechs Stunden kommt man in die zweitgrößt­e Stadt der Slowakei. Den Kaffee trinkt man im schmucken Zentrum, die Lieblichke­it bricht Luník IX, das größte Roma-Ghetto des Landes.

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