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›Schmerz macht was Gutes mit dir‹

- Name: Stefan Halbwachs, 28 Beruf: Tätowierer

Wie fühlt es sich an, jemandem etwas für ewig unter die Haut zu malen?

Es ist ein Ritual, das sehr schmerzhaf­t ist. Es ist schwer zu erklären, was da abgeht, auch zwischen mir und dem Kunden. Definitiv ist es eine Art der Kommunikat­ion und Beziehung. Die Leute, die ich oft tätowiere, sind auch irgendwo meine Freunde. Wenn es zwischenme­nschlich nicht passt, tätowiere ich nicht. Mit manchen kannst du, mit manchen nicht, so ist es auch beim Tätowieren. Da gehts nicht ums Geld oder darum, ob ich muss: Ich muss gar nichts. Da gehts um Austausch und Erfahrung.

Der Schmerz macht die Situation besonders? Er ist wie ein Ventil, das öffnet und die Leute verändert. Sie kommen zu dir und sind danach etwas anderes als das, was sie vorher waren, weil sie etwas getan haben, das sie vielleicht vor ein paar Jahren nie getan hätten. Wenn du einfach voll dedica- ted bist und dir das abholst, wächst das Selbstbewu­sstsein immens.

Haben Sie schon Fehler beim Tätowieren gemacht?

Früher, als ich alles gemacht habe, ja. Jetzt würde ich sagen, dass Fehler nicht existieren. Meine Kunden wissen nicht, was passiert, und ich weiß es auch nicht, sie nennen mir nur ihr Körperteil.

Gibts ein Tattoo, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Martin habe ich vor kurzem einen kompletten Bodysuit gemacht. Das heißt, wir sitzen immer wieder drei Tage miteinande­r da, über ein ganzes Jahr. Dem kann ich einschenke­n. Wenn du dich drei Tage von mir tätowieren lässt, dann bist einfach im Arsch, da leidest du Höllenqual­en. Der sagt am Ende: ›Es war hart, aber morgen machen wir weiter.‹ Das Coolste am Tätowieren ist, wenn man merkt, wie sich die Menschen verändern, nicht nur äußerlich, auch im Kopf. Da gehts nicht darum, was es ist, sondern darum, wie es passiert.

Warum lassen sich Menschen tätowieren? Weils modern ist. Der Mainstream hat das Tätowieren ein bisschen zerstört. Es ist, wie wenn du zum Friseur gehst, dich schön machst. Für mich geht's um Schmerzen, Veränderun­g, geistigen Prozess, Leiden.

Die westliche Kultur ist keine Schmerzkul­tur, und da verpasst sie was. Auch wenn das komisch klingt, aber Schmerz macht was Gutes mit dir.

Können Sie von Ihrem Job leben?

Seit zehn Jahren. Jeder kann verlangen, soviel er will. 100 Euro die Stunde, 500 Euro die Stunde. Es gibt Leute, die das zahlen, verrückter­weise. Damit du auf das Level kommst, musst du viel zeichnen, die ganze Nacht, immer. Das bezahlt dir keiner.

Ist das Weiß Ihrer Augen tatsächlic­h tätowiert?

Ja, aber darüber spreche ich nicht so gerne, weil das eine legale Grauzone in Österreich ist. •

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Interview: Katharina Brunner Fotografie: Ursula Röck

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