›Der Supermarkt ist ein Irrenhaus‹
Warum der Tiroler Knödel ideal, Konsum nicht politisch ist und Weltraumessen depressiv macht. Ein Gespräch über unser Essen.
Warum der Tiroler Knödel ideal ist und Weltraumessen depressiv macht. Ein Gespräch über unser Essen.
3 53 Euro gibt der durchschnittliche österreichische Haushalt pro Monat für Lebensmittel aus. Ein wöchentlicher Mustereinkauf liegt auf dem Besprechungstisch in der DATUM-Redaktion. Historikerin Martina Kaller nascht eine Süßigkeit, während Gastronom und Veganer Karl Schillinger dem Fotografen Modell sitzt. Der Lebensmitteltechnologe Klaus Dürrschmid kommt als Letzter, er ist von der BOKU im 19. hergeradelt. Zeit für ein Gespräch darüber, warum wir essen, was wir essen.
Herr Dürrschmid, als Lebensmitteltechnologe beschäftigen Sie sich beruflich mit Lebensmitteln, wissen genau, wie sie hergestellt wurden. Nimmt man das in den Supermarkt mit?
KlAUs DürrschMiD: Ich bin sicher, dass man das in den Supermarkt, in die Küche und ins Restaurant mitnimmt. Ich meide zum Beispiel die Salatbüffets in den Supermärkten. Was sich da mikrobiologisch abspielt, ist sehr problematisch. Heiliger Bimbam! Auch bei all den Sprossen und Keimlingen bin ich sehr vorsichtig: die Sojasprossen, alles Gekeimte, die sind häufig ganz schlimm mikrobiologisch belastet.
Die sind aber beliebt im Moment!
DürrschMiD: Ja klar, aber ohne Ende verkeimt. Sie werden bei so hohen Temperaturen, in so einer Luft-
feuchtigkeit zum Keimen gebracht, dass sich da die Mikroorganismen explosionsartig vermehren. Das kriegt man nicht wieder in einen mikrobiologisch-hygienisch halbwegs sinnvollen Zustand. Also davon lasse ich die Finger. Plastikhandschuh an der Wursttheke, ja oder nein? DürrschMiD: Aus einer hygienisch-mikrobiologischen Sicht müsste man sagen: Kauft nur die verpackten Fleischwaren und Wurstwaren.
Aus Ihrer veganen Lebensweise haben Sie, Herr Schillinger, eine Geschäftsidee entwickelt und bauen mit der Swing Kitchen eine internationale vegane Burgerkette auf – gehen Sie überhaupt noch in den Supermarkt?
KArl schillinger: Ich esse sehr gerne Fleischalternativen aus Soja oder Seitan, die ich im Supermarkt kaufe. Wenn du dich dafür entscheidest, vegan zu leben, dann hast du davor schon ein gewisses Essverhalten gelernt. Und wenn du dann plötzlich die Hauptkomponente Fleisch weglässt, dann hast du ein riesiges Verzichtsmoment. Das kompensiere ich mit dem veganen Schnitzel. Auch weil man manchmal etwas beißen will.
MArTinA KAller: Der Supermarkt ist gesellschaftlich ein Ort, der eigentlich einem Irrenhaus gleicht, weil alle Personen, die sich darin aufhalten, überhaupt keinen Einfluss darauf haben, was darin passiert. Es ist alles zentral gelenkt, ich kann nicht einmal mit dem Verkäufer oder der Kassiererin verhandeln, ob ich vielleicht noch die angedetschte Zitrone zum halben Preis mitnehmen darf. Und alle Lebensmittel teilen eine Eigenschaft: sie sind uralt. Wir sagen frisches Brot und meinen vorge- gärte Teiglinge, die nur noch aufgebacken werden. Das kommt aus der Kriegswirtschaft, wie fast alle Entwicklungen in der Lebensmittelindustrie. Da hat es langlebige und auch leichtgewichtige Kost – Stichwort Verpackungen – gebraucht.
Mit welchen Konsequenzen?
KAller: Wir sehen in allen Ackerbaugesellschaften eine ähnliche Ernährungsstruktur. Ungefähr 80 Prozent der Nahrung sind ein stärkehaltiges Nahrungsmittel, das mit sehr wenig oder gar keinen Zutaten, möglichst auch nur Wasser und Salz, zubereitet wird. Dann haben wir die, nennen wir es Kraut und Rüben, die variieren je nach Jahreszeit und Bedingungen, und dazu kommt eine letzte Zutat, die kleinste, der Geschmacksverstärker. Denken Sie an die Tiroler Knödel: Viel trockenes Brot, etwas Speck und Sauerkraut dazu. Doch diese Verteilung ist erodiert. Die industrielle Nahrungsmittelindustrie hat den Stärkeanteil durch Fett, vor allem tierisches Fleisch, sowie Zucker ersetzt, um die Produkte haltbar zu machen. Die Produkte und die Logistik in unseren Supermärkten heute kommen aus der Heeresverpflegung.
Das heißt, wir essen wie die Soldaten?
KAller: Wir essen die Produkte und Innovationen eines Apparats, der auf Krieg ausgerichtet war.
Der durchschnittliche österreichische Haushalt gibt pro Woche circa 80 Euro für Lebensmittel aus, das entspricht zwölf Prozent seines Einkommens, und einkaufen kann ich zeitsparend im Supermarkt. Die Alternative wäre deutlich unbequemer.
DürrschMiD: Die Lebensmittelindustrie ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Schauen Sie nur einmal an, welche Vielfalt da auf dem Tisch liegt. Aber durch die Industrialisierung ist es vor allem ab den 1950er Jahren zu einer ganz massiven Entfremdung der Konsumentinnen und Konsumenten vom Produktions- und Herstellungsprozess gekommen. Sodass sich über die Jahre und Jahrzehnte ein starkes Misstrauen entwickelt hat. Was passiert im verborgenen Herstellungsprozess überhaupt, fragt man sich. Und all die Lebensmittelskandale der letzten Jahrzehnte haben dazu geführt, dass das ganze Lebensmittelversorgungssystem, wie es in unserer Gesellschaft üblich ist, desavouiert wurde. Auf der einen Seite. Auf der anderen Seite aber funktioniert das konventionelle Lebensmittelversorgungssystem so perfekt, dass es einer unglaublichen Anstrengung bedarf, ihm zu entkommen. Die Kriegswirtschaft hat sich in Friedenszeiten für ihre Fertigprodukte neue Absatzmärkte gesucht und die Haushalte gefunden.
KAller: Ja, da stecken sehr viele – vor allem ökonomische – Überlegungen dahinter. Nehmen wir die Pelati-Tomate, wie sie in all den Tomatendosen und Sugos drinnen ist. Die Pelati-Tomate ist ein Produkt aus dem Labor, sie wurde darauf gezüchtet, dass man sie mechanisch mit großen Maschinen ernten kann. Deshalb reifen alle Tomaten gleichzeitig an der Staude und haben eine dicke Haut, damit der Greifarm der Erntemaschine sie nicht verletzt. Entwickelt wurde die Pelati-Tomate in den 1910er Jahren in den USA.
DürrschMiD: All diese Produkte, das Obst, das Gemüse, sind in Wahrheit keine Naturprodukte, sondern Kulturprodukte. Die sind über Jahrzehnte, Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende vom Menschen für seine Zwecke geformt. Und ob die Zucht jetzt irgendwo am Land erfolgt oder in einem Labor, ist für das Ergebnis im Prinzip völlig irrelevant.
KAller: Ich wollte nur ein Beispiel bringen, was für eine Stoßkraft die amerikanische Landwirtschaft hatte. Die Ernährungswissenschaft war übrigens auch die erste
›Das konventionelle Lebensmittelversorgungssystem funktioniert perfekt. Es bedarf unglaublicher Anstrengung, ihm zu entkommen.‹
Wissenschaft, wo es einen tatsächlichen US-amerikanischen Beitrag an Originalität gegeben hat. Die USA waren 1918, vor allem aber ab 1945 als Kriegsgewinner die Einzigen, die Lebensmittel exportieren konnten. Und sie tun dies immer noch in großem Maßstab.
Der transnationale Handel mit Lebensmitteln, die Globalisierung der Warenströme setzt viel früher ein. Die moderne Schifffahrt und neue Kühltechniken ermöglichen es Argentinien schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts, sein Rindfleisch in die halbe Welt zu schicken. Zuvor hatte man das Fleisch in der Pampa verrotten lassen, da die Rinder vorrangig der Lederproduktion dienten.
KAller: Das erste mit Fleisch beladene Schiff, das nach Europa kam und 1878 im französischen Le Havre anlegte, war ein Schiff aus Argentinien, das stimmt. Die verwilderten Rinder waren in Argentinien mehr oder weniger da, und auf ihrem Rücken hat es das Land zumindest für ein paar Jahrzehnte zu beträchtlichem Wohlstand gebracht. Wir dürfen nicht vergessen: Der Fleischexport war ein riesiges Geschäft. Man hat alle möglichen Varianten ausprobiert, um Fleisch zu konservieren, man hat es sogar einbalsamiert.
Herr Schillinger, warum essen Sie gar kein Fleisch mehr? schillinger: Ich bin ein Wirtshauskind aus Niederös- terreich. Mein Vater hat immer hausgeschlachtet, was wir dann verkocht haben. Und dann stirbt er plötzlich, und die nächste Sau wird fällig. Weder meine Mutter noch ich haben es übers Herz gebracht, das Tier zu töten. Und einen Dritten wollten wir es auch nicht tun lassen. Dann haben wir die Konsequenz gezogen und aufgehört, Fleisch zu essen. Meine Mutter, meine zwei Schwestern und ich sind dann innerhalb von wenigen Wochen vom Schwein über Kalb und so weiter zu Vegetariern geworden.
Sie sind als Familie kollektiv übergetreten? schillinger: Ja. Ich war 19 Jahre alt, als ich mich für die vegetarische Lebensweise entschied. Damals kam noch der Pfarrer zu mir und hat gesagt: Herr Schillinger, Sie können die Schweine nicht leben lassen, das ist Blasphemie, wenn Sie das Tier über den Menschen stellen! Veganer wurde ich dann schrittweise. Meine Mutter hat das Gasthaus in Großmugl ohne Küche, nur mit Käsetoast weitergeführt, bis meine Frau angefangen hat, dort mit veganen Gerichten zu experimentieren, vegane Laibchen, Gemüsestrudel und so. Und dann hat sie mir zuliebe einmal ein Cordon bleu aus Seitan und Soja gemacht. Und das hat eingeschlagen wie eine Bombe. Dafür sind die Leute aus Los Angeles und London gekommen. Bei uns haben sie bis zum Schluss ( Schillinger konzentriert sich geschäftlich mittlerweile auf die Swing Kitchen, Anm.) vor allem zu den tierisch benannten Speisen gegriffen und weniger zur klassisch vegetarischen G’schicht. Man ist zum Schillinger nach Großmugl gefahren, um Wildragout zu essen. Auch wenn es Sojaeiweiß in einer Rotweinpilzsoße war.
Um Eiweißrohlinge aus Soja herzustellen, muss man ein komplexes Verfahren anwenden, die Extrusion, ähnlich dem für Erdnussflips und Frühstücksflocken. Da werden unter Druck und hoher Temperatur Rohstoffe gepresst. Das ist nicht Bauernhofromantik, sondern Industriealltag. DürrschMiD: Der Extruder kommt aus der Kunststoffindustrie. Das ist in Wahrheit wie ein Fleischwolf mit Erhitzungs- und mechanischen Scherprozessen. Die Lebensmitteltechnologen sind draufgekommen, dass man damit eigentlich alle möglichen Stoffe verarbeiten kann. Wir haben an der BOKU damit zum Beispiel mit ›Hühnerstücken› aus Soja experimentiert, Hühnerbrustfilets, so etwas in die Richtung. Das hat unglaublich gut funktioniert. Nach entsprechender Aromatisierung erkennt man kaum mehr, dass es sich um ein hochgradig verarbeitetes Produkt handelt und kein richtiges Hendlfleisch ist. Und wenn es um Faschiertes geht, wenn man aus dem Extrudat eine Sauce Bolognese macht, merkt das kein Mensch.
schillinger: Ich sehe die Entwicklung der Fleischersatzprodukte in sechs Generationen. Dann ist man bei der Perfektion angekommen, wo kein Unterschied zum tierischen Protein mehr ausmachbar ist. Wir befinden uns gerade auf dem Sprung in die fünfte Generation. In 20 Jahren wird im Supermarkt das Sojaschnitzel neben dem Schweineschnitzel liegen. Dann kommt die große vegane Revolution. Vor allem, weil das Fleischersatzprodukt dann billiger sein wird.
Vor Kurzem ist eine Studie der Universität Oxford mit drastischen Ergebnissen erschienen. Der Mensch muss global um 75 Prozent weniger Rind und um 90 Prozent weniger Schwein essen und darf nur noch die Hälfte der Eier konsumieren, wenn wir die Klimaerwärmung auf unter eineinhalb Grad Celsius beschränken wollen. schillinger: Ganz viele Kunden kommen zu uns, weil sie ein- oder zweimal in der Woche dem Klima etwas Gutes tun wollen. Allein mit unserem Restaurant haben wir seit Jänner 2015 mehr als sechs Milliarden Liter Wasser und 1.700 Tonnen CO₂-Äquivalent gespart – indem wir vegane und nicht tierische Burger serviert haben. Nur 20 Prozent unserer Kunden leben vegan.
KAller: Es ist gut, wenn man sich diese Zahlendimension einmal vor Augen führt. Mich befällt nur immer so etwas Zusätzliches: Das ist wie bei den Verpackungen.
›Viele Kunden kommen zu uns, weil sie ein- oder zweimal in der Woche dem Klima etwas Gutes tun wollen.‹
Wir werden jetzt mit dem Sackerlverbot gequält und leisten alle brav unseren Beitrag, damit die Meere nicht noch mehr verschmutzt werden. Aber gehen Sie mal in das Großverteilerzentrum, schauen Sie sich die ganzen Ballagen dort an. Das steht ja in keinem Verhältnis. Die pflanzen uns doch! Und vielleicht tun sie das beim Schnitzel auch. Länder wie China und Indien, ganze Kontinente fast, fangen mit dem Fleischessen erst richtig an.
Der Verzicht auf das Plastiksackerl, der Griff zu einem bestimmten Lebensmittel hat doch auch ein psychologisches Moment. Der Mensch kann damit Handlungsfähigkeit in einer als immer orientierungsloser empfundenen Welt demonstrieren.
KAller: Handlungsmächtig bin ich als politischer Mensch. Im Supermarkt treffe ich keine politische Entscheidung, die treffe ich woanders. Ich möchte meine politische Handlung nicht auf eine Konsumentscheidung beschränken. Dafür ist die Situation zu komplex.
Unter den Hashtags #foodporn und #foodpornography findet man auf Instagram 200 Millionen öffentliche Beiträge. Warum stellen wir unsere Ernährungsweise so zur Schau? KAller: Das hat mit Inszenierung zu tun. Da zeige ich, dass ich auf der richtigen Seite bin.
Das heißt, dass ich im Restaurant und für Instagram den Bulgursalat bestelle und zuhause doch die Fertigpizza in den Ofen schiebe?
DürrschMiD: Man hat über das Essen schon immer gezeigt, wer man ist. Oder wer man sein will. Über Soziale Medien kann man es jetzt besonders prononciert machen. Außerdem essen wir immer mehr außer Haus. Das explodiert. Die Consumer Sciences beschäftigen sich schon gar nicht mehr so sehr mit dem Supermarkt, sondern mit Essen im öffentlichen Bereich, in Restaurants und Kantinen. Der Österreicher nimmt rund 50 Prozent seiner Kalorien außer Haus zu sich.
KAller: Der urbane Raum, vom antiken Rom bis in die Neuzeit, kennt in den seltensten Fällen Küchen in den Wohnungen. Die Küche ist ein Konzept vom Land. Stellen Sie sich vor, es hätte in den Städten jeder seine offene Feuerstelle gehabt! Der Sparherd, mit eingeschlossener Feuerkammer, kommt erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf. Die meisten Menschen auf der Welt aßen und essen auf der Straße. Die Truppe am Würstelstand inszeniert sich dabei genauso wie der Kreative im siebten Bezirk, der schnell-schnell etwas aus dem Bioladen hinunterschlingt, weil er keine Zeit hat.
Das Silicon Valley hat einen neuen Liebling: Soylent ist ein Ernährungsdrink, der verspricht, Mahlzeiten zu ersetzen.
›Im Supermarkt treffe ich keine politische Entscheidung, die treffe ich woanders.‹
Man hat dann mehr Zeit für anderes, und eine Küche in der Wohnung braucht es auch nicht mehr. Ist das die Zukunft?
DürrschMiD: Ich bin überzeugt, dass das ein Nischenprodukt bleiben wird. Aber in der Nische wird es funktionieren. Manche Leute haben wirklich die Schnauze voll, sich die ganze Zeit überlegen zu müssen, wie sie sich denn gesund ernähren sollen, was jetzt schon wieder in ist und als ernährungsmedizinisch richtig gilt. Sie wollen das von einem Wissenschaftler vorgesetzt bekommen, damit sie Zeit für andere Dinge des Lebens haben. Aus sensorischer und ernährungspsychologischer Sicht ist das natürlich haarsträubend. Da bleibt nichts übrig von den vielen Qualitätsdimensionen der Lebensmittel. Das ist immer dasselbe Texturerlebnis, es gibt keinen Geruch vorab, das schaut immer gleich aus. Außerdem fällt der soziale Kontext des Essens weg, was einem dramatischen Verlust von Kultur und damit auch von Genuss gleichkommt. Vielleicht aber wird so ein Drink in gewissen Lebenssituationen seinen Platz finden: Wenn ich zum Beispiel wahnsinnigen Stress in der Arbeit habe. Dann trinke ich vielleicht künftig so etwas, wo ich früher die Wurstsemmel genommen hätte. Oder vielleicht kommt es zu einer Polarisierung: Dass ich unter der Woche solche Produkte konsumiere, und am Wochenende wird dann groß aufgekocht.
KAller: Die Science-Fiction kennt die Idee, die Nahrungsaufnahme zu eliminieren, Essen auf die Verdauung zu reduzieren, seit Langem. Seit den 1950er-Jahren forschen zudem Wissenschaftler daran, wie man die Astronauten im Weltall ernähren kann. Es hat sich herausgestellt, dass die Astronauten beißen müssen, sonst werden sie depressiv. Sie müssen in der Kapsel ihre schwebenden Spaghetti essen! Außerdem: Die Venture-Kapitalisten stecken viel Geld in solche Produkte. Die eigenen Mitarbeiter, die Leute im Silicon Valley werden angehalten, sehr gut und vor allem miteinander zu essen. Das ist auch auf den amerikanischen Elite-Universitäten so: Die wissen schon, dass es wichtig ist, dass die Leute miteinander sprechen, wenn man will, dass sie gut denken können und Höchstleistung erbringen. Und Ernährungsdrinks gibt es seit den 1960er-Jahren: Damals als Diätprodukte.
DürrschMiD: Wir wachsen in eine bestimmte kulinarische Tradition hinein. Ich bin im Mühlviertel aufgewachsen, und mein Großvater, ein Tierarzt, hat immer die besten Stücke Fleisch von den Bauern bekommen: ›Für den Herrn Doktor.‹ Ich habe zwei Jahre lang versucht, vegetarisch zu leben, bin aber durch einen Schweinsbraten zu Weihnachten wieder zum Fleischesser geworden. Vegetarisch zu leben, das ist eine wirkliche Entbehrung für mich. Wir essen nicht, was uns schmeckt, das Gegenteil ist der Fall: Es schmeckt uns, was wir zu essen gelernt haben. Essgewohnheiten sind wahnsinnig konservativ und hartnäckig. Man macht die Leute unglücklich, wenn man diese Gewohnheiten über Nacht brechen will. Wir werden daher nicht von heute auf morgen auf eine fleischlose Gesellschaft umstellen können. Und das Essen als soziales Ereignis abzuschaffen, wird erst recht nicht gelingen. •
Die Interviewerin empfiehlt,
Gemüsegrillspieße mit Tofu anstatt Schweinestückchen auszuprobieren. Österreich ist einer der größten Anbauer von Biosoja in der EU, das Soja ist gentechnisch unverändert. Schmeckt auch Menschen, die gerne Fleisch essen.