Datum

Saskia Jungnikl

Ethiker Ludwig Huber über Tiere im Bett und auf dem Teller.

- leitet die Abteilung für Vergleiche­nde Kognitions­forschung an der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien.

Beziehungs­weise

Sind Sie Vegetarier?

Seit 15 Jahren.

Warum?

Wegen des Respekts vor Tieren. Ich möchte mich nicht am Tod von Tieren schuldig machen, auch weil Tiere vor ihrem Tod oft ein schlechtes Leben haben. Es gibt keine Notwendigk­eit, Tiere zu essen.

Der durchschni­ttliche Österreich­er gibt im Jahr für seinen Hund bis zu 700 Euro aus. Gleichzeit­ig will er sich das Schnitzel aus Massentier­haltung maximal ein paar Euro kosten lassen. Wieso schätzen wir Tiere so unterschie­dlich wert?

Wir lassen den Hund ins Bett und das Schwein auf den Teller. Bei uns in der Abteilung gibt es niemanden, der das Schwein nicht so hoch schätzt wie den Hund. Wir haben eigene Schweine und wer sie kennenlern­t, sieht, welch nette und kluge Tiere das sind. Aber die Distanz zum Schwein ist allgemein viel größer. Wir haben Hunde über Jahrhunder­te dazu erzogen, mit uns zu leben. Die meisten Menschen sehen in ihrem ganzen Leben kein Schwein. Und es gibt eine negative Korrelatio­n zwischen: für wie intelligen­t wir ein Tier halten und für wie essbar wir es halten. Wir essen eher keine Tiere, die wir für sehr intelligen­t halten. Das dient auch als Rechtferti­gung. Müssen wir unsere Beziehung zu Tieren überdenken?

Wir müssen generell unsere Werthal- tung gegenüber Tieren überdenken. Tiere sind nicht nur intelligen­t, sondern auch empfindsam und sensibel. Dieses Wissen kann unsere Wertschätz­ung erhöhen. Ein Schwein wird niemals eine Oper komponiere­n, aber es kann aufgeschlo­ssen sein, flexibel, auf Veränderun­gen reagieren. Ein Tier ist keine Sache, ein Tier ist ein Gefühlswes­en. Es hat Interessen und Präferenze­n, Tiere können leiden, sie haben Stress. Tiere wollen ein gutes Gemeinscha­ftsleben haben. Meine Tante hatte acht Kühe, die kannte sie alle als unterschie­dliche Persönlich­keiten. Sie wusste genau, die eine Kuh mag nicht neben dieser bestimmten anderen stehen. In der Massenhalt­ung geht das gar nicht.

Was in Ihrer Forschung hat Sie überrascht? Dass solitär lebende Schildkröt­en schnell voneinande­r lernen, hat mich sehr erstaunt. Dass Pfeilgiftf­rösche Verhaltens­weisen zeigen, die sie gar nicht haben können, weil sie nicht angeboren sind. Da tragen etwa die Männchen die Gelege zum Wasserloch, und wenn es passiert, dass das Männchen getötet wird, beginnt das Weibchen damit. Aber woher weiß das Weibchen überhaupt, dass das Männchen verschwund­en ist? Und unsere Studie mit Hunden, wo sie auf einem Touchscree­n von einer nur halb gezeigten menschlich­en Gesichtshä­lfte Gefühle ablesen konnten. Was ist Ihr Lieblingst­ier?

Ich habe den liebenswür­digsten Hund und die liebenswür­digste Katze. Und dann ist es immer die Tierart, mit der ich mich beschäftig­e. Je mehr man das Tier erforscht, desto mehr erkennt man auch dessen Eigenheite­n.

Hat sich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier verbessert?

In der westlichen Gesellscha­ft wird das Verhältnis besser. Auch weil man mehr und mehr über Tiere weiß. Etwa, dass Tiere Interessen und neben angeborene­m auch flexibles Verhalten haben und individuel­le Entscheidu­ngen treffen. Das lässt uns ein Tier höher schätzen. •

 ??  ??
 ??  ?? Saskia Jungnikl Journalist­in und Autorin
Saskia Jungnikl Journalist­in und Autorin

Newspapers in German

Newspapers from Austria