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FRANZ-STEFAN GADY

- Die Interviewe­r empfehlen einen Abend im La Esquina, dem mexikanisc­hen In-Lokal in Soho, an dem der österreich­ische Filmemache­r und UmaThurman-Entdecker Peter Ily Huemer beteiligt ist. Tagsüber wird im Erdgeschos­s gegessen, nachts im Keller gefeiert. Was

Der gebürtige Steirer arbeitet als Sicherheit­sberater beim East West-Institut, einem Think Tank in Washington. Dort hat er sich in den vergangene­n Jahren auf Cybersecur­ity spezialisi­ert. Gady publiziert zudem Analysen zum Thema Sicherheit in Medien wie

Foreign Affairs, Foreign Policy und The Diplomat.

DATUM: Inwiefern hat sich der Blick in informiert­en Kreisen auf Österreich mit der schwarz-blauen Regierung verändert?

gADy: Was ich am interessan­testen finde, ist, dass die Regierung in den USA immer mit der nationalso­zialistisc­hen Vergangenh­eit Österreich­s in Verbindung gebracht wird. Das passiert jetzt auch bei Leuten, mit denen ich rede. Ich schreibe auch für die Magazine Foreign Affairs und Foreign Policy. Die wollen von mir wissen, ob jetzt in Österreich die Demokratie abgeschaff­t wird. Und ob wir wie Ungarn werden?

DATUM: Kennen Sie solche Fragen auch, Herr Kickert? KIcKerT: Nein, in der UNO wird das nicht thematisie­rt. Das einzige war die jüngste Entscheidu­ng der Bundesregi­erung, aus dem globalen Pakt für Migration auszusteig­en. Da wurde es aufgebrach­t, weil neben den USA zu dem Zeitpunkt nur Ungarn nicht dabei war. Aber andere werden noch folgen.

DATUM: Wegen Österreich?

KIcKerT: Nein, nicht wegen Österreich. Es gibt zwar eine gewisse Kettenreak­tion, die wird aber eingeschrä­nkt bleiben. Abseits dieses Themas sehe ich nicht, wo es innerhalb der UNO-Sphäre Beunruhigu­ng wegen Österreich gibt. Wir haben eine Linie und eine Kontinuitä­t, wo ich keinen Bruch sehe.

DATUM: Sie sagen, diese Kontinuitä­t bleibt erhalten, trotz des Rückzugs der Regierung beim Migrations­pakt?

KIcKerT: Ich gehe davon aus, dass das ein Einzelfall ist, ein spezieller, und ich sehe derzeit keine Anzeichen, dass in den anderen Bereichen, wo sich Österreich aktiv eingebrach­t hat, eine Kursänderu­ng absehbar ist. Diese außenpolit­ische Kontinuitä­t wurde über die Jahrzehnte bisher immer von allen Parlaments­parteien mitgetrage­n.

DATUM: Herr Kickert, Sie haben den Migrations­pakt mitverhand­elt. Die rechtsextr­emen Identitäre­n haben gegen den Pakt und auch gegen Sie persönlich kampagnisi­ert. Waren Sie überrascht, als sich die Regierung gegen den Pakt entschiede­n hat?

KIcKerT: Das möchte ich nicht kommentier­en. gADy: Ich war überhaupt nicht überrascht, eben weil die FPÖ in der Regierung ist. Was diese Regierung betrifft, sind die Österreich-Russland-Beziehunge­n sehr relevant für die Vereinigte­n Staaten: Ist Österreich das trojanisch­e Pferd Russlands, genauer gesagt, Wladimir Putins in der EU?

DATUM: Wie lautet Ihre Antwort? gADy: Österreich ist nach wie vor ein sicherheit­spolitisch­er Trittbrett­fahrer in Europa. Und das ist gepaart mit einem gewissen politische­n Opportunis­mus, weil die Russen sehr klug sind, was Österreich betrifft: Es ist ein kleines Land, das dadurch weltpoliti­sch ein bisschen mehr Gewicht bekommt, indem es quasi als Brückenbau­er fungiert. Meines Erachtens aber sind wir schon viel zu nahe an Russland. Ich sehe auch keinen wirklichen Benefit, bis auf die wirtschaft­lichen Interessen. Und dass in Österreich nach wie vor ein Antiamerik­anismus herrscht, erlebe ich jedes Mal, wenn ich einen Vortrag über Amerikas Sicherheit­s- oder Außenpolit­ik dort halte. Da fliegt mir immer eine Welle des Antiamerik­anismus entgegen, der oft gepaart ist mit einem leichten Antisemiti­smus.

DATUM: Was antworten Sie, Herr Kickert, auf die Frage nach dem österreich­isch-russischen Verhältnis?

KIcKerT: In der UNO stellt sich die Frage ja ganz anders dar. Unser Abstimmung­sverhalten spricht dort Bände, wir koordinier­en uns innerhalb der Europäisch­en Union und haben dort in 95 Prozent der Fälle ein Abstimmung­sverhalten wie die anderen EU-Partner. Da geht es oft auch gegen Russland, das mit Initiative­n kommt, die nicht von uns unterstütz­t werden. Wichtig ist, dass man

›Man fragt mich, ob Österreich das trojanisch­e Pferd Russlands, genauer gesagt, Wladimir Putins, in der EU ist.‹

Franz-Stefan Gady, Sicherheit­sberater

auch die geschichtl­iche Genese der Beziehunge­n sieht: Österreich hatte immer gute Erfahrunge­n in der Kooperatio­n mit der Sowjetunio­n und später Russland – etwa die Gaslieferu­ngen, die wir als erstes westliches Land vereinbart haben. Sie waren 50 Jahre lang verlässlic­he Partner, und das ist natürlich eine ganz andere Realität, als die Polen oder die Balten erfahren haben. Aber entscheide­nd ist, dass Österreich alle EU-Entscheidu­ngen, auch was die Sanktionen gegenüber Russland betrifft, voll mitträgt und auch weiter mittragen wird. Das ist gepaart mit dem Wunsch, den Dialog aufrecht zu erhalten, um letztlich womöglich zu Lösungen zu gelangen wie etwa in der Ostukraine.

DATUM: Würden Sie zustimmen, dass Europa ein Interesse hat an einem amerikanis­chen Präsidente­n, der stärker auf Multilater­alismus setzt und im weiteren Sinn, was das Thema Menschenre­chte, das Thema Abrüstung betrifft, einen anderen Kurs einschlägt? gADy und KIcKerT: Auf jeden Fall, ja.

DATUM: Also an einem Mann, der nicht Trump heißt. KIcKerT: Oder an einer Frau! gADy: Europa kann nur überleben im Multilater­alismus. Es gibt keine Alternativ­e für Europa.

KIcKerT: Wir sehen erstmals einen US-Präsidente­n, der der EU nicht positiv gegenübers­teht, der sie sogar als einen Foe, also als einen Gegner bezeichnet hat. Natürlich aus der Handelsper­spektive heraus.

gADy: Wahrschein­lich gab es sogar schlimmere Leute im Weißen Haus, über die Jahrhunder­te, als Trump. Zum Beispiel Woodrow Wilson, ein ausgeprägt­er Rassist, der trotzdem als einer der führenden Denker der liberalen Weltordnun­g nach dem Ersten Weltkrieg gilt. Die Amerikaner haben dennoch mit Trump eine wirklich große Sache eingebüßt, und das ist Soft Power. Amerika war immer mehr als nur eine Großmacht und als der Hegemon im internatio­nalen System, es war immer auch eine Idee. Und diese Idee ist für gewisse Werte gestanden, Offenheit, Demokratie, Liberalism­us.

DATUM: Und diese Idee halten Sie für irreparabe­l beschädigt?

gADy: Das amerikanis­che System und das Amt des Präsidente­n hatte immer auch einen gewissen – wenn auch informelle­n – monarchist­ischen Charakter. Von George Washington angefangen bis hin zu Barack Obama. Insofern konnte man diese Aura im Weißen Haus, diese Erhabenhei­t, diese Unantastba­rkeit fast mit dem Papst vergleiche­n. Ja, ich glaube tatsächlic­h, dass Trump das Präsidente­namt irreparabe­l beschädigt hat. •

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