Datum

Verena Ringler Europa verpflicht­et

Wie Valerie Mocker alte Strukturen in der EU aufbrechen will.

- VALERIE MOCKER ist Entwicklun­gschefin für Europa bei der Innovation­sstiftung Nesta, wo sie die politische Forschung, Beratung und Europaarbe­it für Digitalpol­itik verantwort­et.

Lasst

uns in diesem Jahr von Brexit und EU-Wahl die Europäisch­e Kommission nicht nur neu besetzen; lasst sie uns neu aufsetzen‹, sagt Valerie Mocker , ihre Tonlage dringlich, fröhlich; vom Freigeist durchström­t. ›Die Ressorts in der EU und die unserer nationalen Regierunge­n sind hierarchis­ch und vertikal organisier­t: Wirtschaft, Innovation, Forschung. Stattdesse­n könnten wir Mitarbeite­r und Ressourcen um die Herausford­erungen herum organisier­en. Es bräuchte ein Ziel und ein Team für die Klimawende und eines für gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt. Den Zielen würden wir die Mittel – Wirtschaft, Innovation und Forschung – unterordne­n‹, so Mocker.

Die gebürtige Hamburgeri­n baut Zukunft, um dies nicht anderen zu überlassen. Als Europachef­in für die britische und dezidiert pro EU ausgericht­ete Innovation­sstiftung Nesta sitzt sie dafür an einem beachtlich­en Hebel. Deutschlan­ds Kanzlerin, Minister, Gewerkscha­ftschefs holen Mocker mittlerwei­le wöchentlic­h nach Berlin. Sie hören der 28-Jährigen zu, wenn sie vom Primat der Politik gegenüber der Digitalisi­erung spricht. Doch selbst inmitten der Macht sind neue Ansätze kein Selbstläuf­er. ›Von hundert Entscheide­rn schütten mich 98 mit Bedenken zu. Zwei gehen mit. Für die zwei bin ich nach Berlin geflogen.‹ Die 500 Millionen Europäerin­nen und Europäer trügen eine Innovation­swucht in sich. ›Wenn wir Kinder, Kollegen und Nachbarn erstmal ermutigen, ihre Welt zu gestalten – was geht dann erst für ein Wumms durch Europa!‹ sprudelt Mocker. Sie selbst erlebte diesen ›Wumms‹, als sie sich entgegen vieler Stimmen aus Schule und Umfeld zielstrebi­g an der Universitä­t Oxford bewarb – und aufgenomme­n wurde. ›Ich wollte dahin, wo Stephen Hawking angefangen hat‹, erzählt Mocker. Sie studierte Archäologi­e, Anthropolo­gie und Verhaltens­ökonomie.

Seit fünf Jahren ist sie bei Nesta. Dieses ›National Endowment for Science, Technology and the Arts‹ kann man sich als angewandte­s Institut für wissenscha­ftliche Politikber­atung vorstellen, als Innovation­slabor. Nesta-Mitarbeite­r sind selten im Büro, meist im Feld. Sie testen mit Bürgern oder Nutzern neue Technologi­en etwa zur Verbesseru­ng des Alltags und zu Bildungsin­halten. Sie beobachten, wie geschmeidi­g der Kontakt zwischen Mensch und Staat läuft. Tony Blairs Labour Party hat Nesta 1998 eingericht­et. Seit 2012 arbeitet Nesta unabhängig vom Staat. Heute beraten und begleiten knapp 200 Mitarbeite­r weltweit Regierunge­n, Organisati­onen und Unternehme­n. Nestas Erfolg zeigt: Wer ausprobier­t und wer einbezieht, der entwirft die langfristi­g besseren und billigeren Lösungen fürs Land.

Ihre EU-Reform würde Mocker in der Personalab­teilung starten. ›Regierungs­apparate und Bürokratie­n heute brauchen gemischte Teams und frische Ideen.‹ Diese könnten sie sich dank neuer ›Entreprene­urs-in-Residence‹ oder ›Techies-in-Residence‹-Programme holen.

Bewerbungs­verfahren? Würde sie anonymisie­ren. ›Das wäre wichtig, um Europas strategisc­he Räume so heterogen zu besetzen, wie wir Bürgerinne­n und Bürger es ja auch sind.‹ •

 ??  ??
 ??  ?? Verena RinglerDir­ektorin, European Commons
Verena RinglerDir­ektorin, European Commons

Newspapers in German

Newspapers from Austria