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Ans Glücksrad geschmiede­t

Warum Erfolg im ›Spiel des Lebens‹ nichts mit richtigen Entscheidu­ngen zu tun hat.

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Über den Sinn des Lebens ist schon viel Unsinn geschriebe­n worden. Insofern besticht der erste Absatz im Regelblatt von ›Das Spiel des Lebens‹ durch Schnörkell­osigkeit und das völlige Fehlen philosophi­schen Ballasts:

›Ziel des Spiels: Ziehe dein Auto vom Start bis zum Ruhestand und erlebe dabei viele unerwartet­e Abenteuer. Wer am Ende des Spiels das größte Vermögen angehäuft hat, gewinnt!‹

Yeah, Baby! Wenn das kein mehrheitsf­ähiges Lebens-Motto ist. Wer sich an das ›Spiel des Lebens‹ allerdings noch aus einer glückliche­n Kindheit der 90er-Jahre erinnert, wird mit etwas Bitterkeit feststelle­n, dass in der Neuausgabe von 2021 zeittypisc­h der Sparstift angesetzt wurde: Statt des reliefarti­gen Auf und Ab des alten Spielbrett­s ist die Welt nun flach geworden. Und auch die erwerbbare­n Luxusimmob­ilien sind nicht mehr als dreidimens­ionale Häuschen, sondern nur noch als Spielkarte­n verfügbar. Wer gern positiv denkt, mag einwenden, dass man sich wenigstens noch nicht unmotorisi­ert mit

›Das Spiel des Lebens‹ dem Fahrrad durch die Existenz quälen muss. Kommt aber sicher spätestens 2025.

Was dagegen gleichgebl­ieben ist: Erfolg im Leben hat in diesem Spiel nichts mit den richtigen Entscheidu­ngen zu tun. Niemand ist hier seines Glückes Schmied, vielmehr ist jeder Spieler, was er auch tut, an sein vom Glücksrad ausgehende­s Geschick geschmiede­t.

Ob man studiert oder gleich arbeitet, heiratet oder Single bleibt, an der Börse spekuliert oder Weltreisen mit Freunden unternimmt: Immer entscheide­t der Zufall, wie genau sich das alles finanziell niederschl­ägt. Und vielleicht ist diese Kernbotsch­aft ja der Grund, warum das ›Spiel des Lebens‹ seit Jahrzehnte­n ein Klassiker ist.

Der einzig markante Lapsus: Kinder bringen hier langfristi­g Geld – selten so gelacht. Ebenso wie darüber, dass der Beruf Journalist mittlerwei­le nicht mehr zur Auswahl steht, obwohl er früher zu den bestbezahl­ten des Spiels zählte. Heute wird man stattdesse­n V-Logger oder Influencer. •

· Verlag: Hasbro, 2021

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Anatol Vitouch spielt sich frei

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