IKG will „Gemeinde öffnen“
Kommission gegründet, um neue Mitglieder anzuwerben
Wien – Interne Schätzungen zeichnen ein düsteres Bild für die jüdischen Gemeinden in Europa: Es gibt 38 Länder in Europa, in denen Juden und Jüdinnen in Gemeinden leben. In 20, 30 Jahren wird rund die Hälfte dieser jüdischen Gemeinden verschwunden sein, schätzt man beim Europäischen Jüdischen Kongress (EJC). Es fehlt allerorts an Mitgliedern. „Die kritische Masse, die eine Gemeinde braucht, um existieren zu können, liegt bei 20.000 bis 35.000 Personen“, sagt EJC-Vizepräsident Ariel Muzicant. Auch in Wien liegt man weit unter dieser Zahl. Gerade einmal 8000 Mitglieder hat die Israelitische Kultusgemeinde (IKG). In seiner 15-jährigen Amtszeit als Vorsitzender seien zwar jedes Jahr 200 neue Mitglieder dazugekommen, sagt Muzicant, „das reicht aber bei weitem nicht aus“.
Die IKG versucht nun, gegenzusteuern – was bei der, wie Muzicant sagt, „Seuche der Judenfeindlichkeit in Europa“schwierig sei. „Wir müssen die Gemeinde öffnen, mehr informieren, das Judentum vorstellen“, sagt Muzicant. „Wer kennt noch die Riten, oder wer weiß etwa, dass er Jude ist, wenn er eine jüdische Mutter oder eine jüdische Großmutter mütterlicherseits hat?“Am Sonntag wird daher (mittlerweile zum dritten Mal) ein Tag der Offenen Tür im Wiener Gemeindezentrum in der Seitenstettengasse veranstaltet (11.00 bis 17.00 Uhr) – samt Führung durch den Stadttempel, Kantorenkonzert und koscherem Würstelstand.
Außerdem kümmert sich jetzt eine eigens gegründete Kommission darum, Mitglieder anzuwerben. Bis zu 20.000 Juden und Jüdinnen sollen in Österreich leben. „Es gibt aber eine Hemmschwelle, zu uns zu kommen. Die sagen: Ich bin nicht religiös. Was mach ich dort?“, versucht Muzicant das Desinteresse zu erklären. Dabei habe die IKG wichtige Servicefunktionen wie beispielsweise im Bildungs- oder Pflegebereich. Zumindest eine Sorge muss die IKG aber nicht haben: Überalterung ist kein Problem – ein Viertel der Mitglieder ist unter 18 Jahre alt.