Literatur zum Sehen, Hören und Begreifen
Der Wiener Verlag Nakadake nutzt die multimedialen Fähigkeiten von Tablets für digitale Bücher
Wien – Österreichs Verlage sind, was die Anpassung ihrer Produkte für den digitalen Markt betrifft, nicht gerade Avantgarde. Nur zögerlich versuchen sie, E-Books an die Leser zu bringen. Auch wenn stetige Zuwächse beim digitalen Lesestoff made in Austria zu verzeichnen sind, dominieren dennoch deutsche Verlagsprodukte den heimischen E-Book-Markt.
Im Oktober 2012 etwa kamen die 20 meistverkauften E-Books der Belletristik-Bestsellerliste – zumeist internationale Verkaufsschlager wie Shades of Grey – durchgehend aus deutschen Verlagen, führt der österreichische Buchmarktexperte Rüdiger Wischenbart in seinem „Global EBook Report 2013“aus. Auch wenn die digitalen Publikationen bei der am Dienstag eröffneten Frankfurter Buchmesse viel Aufmerksamkeit bekommen – noch sind E-Books dennoch ein Nebenprodukt der Printverlage mit ihren „richtigen“Büchern aus Papier und Druckerschwärze.
Ein kleines Verlagsprojekt, das versucht, sich unter diesen Marktzuständen zu etablieren, sieht sich da naturgemäß am Beginn einer langen Reise. Der Wiener Verlag Nakadake, der bisher hauptsächlich als Dienstleister Bücher in E-Books konvertiert hat, hat sich entschlossen, diese Reise anzutreten: Heuer hat Nakadake ein erstes eigenes Verlagsprogramm präsentiert: ausschließlich in digitaler Form und vorerst nur in Apples iBook-Store fürs iPad.
Für Verlagsleiterin Barbara Schodl sollten digitale Bücher, die genuin als solche konzipiert werden, auch die multimedialen und interaktiven Möglichkeiten des Mediums nutzen. Auch wenn sich das digitale Buch noch nicht so durchgesetzt habe, seien die Aussichten vielversprechend, zumindest wenn man die Zahlen aus dem englischsprachigen Raum anschaut, sagt Schodl. Im Kinderund Jugendbuchbereich hat sich die Publikationsform bisher am stärksten etabliert.
In Nakadakes digitalem Kinderbuch Ein kurzer Besuch bei Marcel von Thierry Robert wird Drei- bis Sechsjährigen der Text vorgelesen und Animationen und Soundeffekte wie Tierstimmen bereichern die Illustrationen. Eine Stimme, die auf Berührung Obst- und Gemüsebilder benennt, lädt zum Vokabellernen ein. Dagegen werden in einer englischen Opernserie von der Schriftstellerin Carina Ribichini erarbeitete lyrische Neufassungen von Aida oder dem Fliegenden Holländer vorgelesen und mit Musik-Hörbeispielen ergänzt. Weitere Kinderbücher und neuinszenierte Klassiker sind in Vorbereitung.
Auch für Kurzgeschichten, eine im Print weniger beachtete Textsorte, würden die multimedialen E-Books neue Möglichkeiten schaffen. Bezüglich zeitgenössischer Literatur ist Schodl im Gespräch mit jungen Autoren. Als Zwischenform von Hörbuch, textorientierten E-Books und illustrierten Büchern mit videospielartigen Animationen seien die digitalen Werke etwas Besonderes. Deshalb würden sie sich auch vom Klischee der E-Books als Gebrauchsliteratur, die man nicht im Regal haben will, abheben.
Auch den Verlust der Haptik eines Printprodukts beklagt Schodl nicht: „Interessant, dass man jetzt so viel über Haptik spricht. Davor hat man sich auch nicht so viele Gedanken gemacht.“Als Nächstes soll das Angebot auf Android-Tablets erweitert werden und auch auf Amazons Tablet Kindle Fire möchte man irgendwann vertreten sein. „Es wäre völlig verkehrt, Amazon auszuschließen.“www.nakadake.at