Der Standard

Kurs auf Neuland

- Birgit Baumann

Erinnert sich noch jemand an den 12. Dezember 1985? Damals wurde Joschka Fischer im Landtag zu Wiesbaden als erster grüner Umweltmini­ster (von Hessen) vereidigt. Er trug – shocking! – weiße Turnschuhe, die heute im Haus der Geschichte in Bonn stehen.

Für viele Konservati­ve schien damals das Ende der Welt nahe. Und dann hatte der Lauf der Geschichte noch viel mehr Premieren zu bieten, die CDU und CSU zunächst das blanke Entsetzen ins Gesicht trieben. 1998 wurde tatsächlic­h ein Grüner, nämlich wieder Fischer, Vizekanzle­r und Bundesauße­nminister. 2011 passierte in Baden-Württember­g das schier Unvorstell­bare: Ein Grüner (Winfried Kretschman­n) verdrängte einen CDU-Ministerpr­äsidenten.

Heute erfolgt wieder ein erstes Mal, an das vor zwei Jahren noch keiner geglaubt hat: Union und Grüne sondieren, ob auf Bundeseben­e eine Koalition möglich ist. Es ist verständli­ch, dass alle Beteiligte­n vor dem Betreten von Neuland nervös sind. Schließlic­h lebten beide Seiten jahrzehnte­lang vom Kampf gegen den anderen recht gut.

Groß ist das Misstrauen, tief sind die Gräben. Aber es ist richtig, dass es heute zu dieser Sondierung kommt. Denn nur so bricht man festgefahr­ene Strukturen auf und ermöglicht Neues. Für Schwarz-Grün wird es wahrschein­lich diesmal noch nicht reichen. Aber vielleicht finden sich eines Tages jene Tassen, in denen der Sondierung­skaffee serviert wird, auch im Haus der Geschichte wieder – als Zeugnis für den ersten Schritt in eine neue Richtung.

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