Spannende Seitensprünge
Nach Wahlniederlagen reden alle von einer Koalition „neuen Stils“. Doch soll tatsächlich einmal vom starren Pakt nach rot-schwarzem Muster abgerückt werden, schlagen Bedenkenträger vom Kanzler abwärts die Hände über den Köpfen zusammen, um reflexartig vor italienischem Durcheinander zu warnen.
Es sagt viel über den verkümmerten Zustand der Demokratie aus, dass etwas als bedrohliche Utopie begriffen wird, was laut Papierform parlamentarische Normalität sein müsste. In der Verfassung steht kein Wort davon, dass die Mehrheitsfraktionen artig die strengen Vorgaben einer Regierung nachhüpfen müssen. Nach freiem Willen sollen Mandatare handeln – was Seitensprünge nicht ausschließt.
Ein koalitionsfreier Raum, in dem Regierungsparteien auch mit der Opposition Mehrheiten schmieden, verspricht nicht nur eine lebendigere Volksvertretung, sondern auch ein Ende diverser Blockaden. Beispiel: Will die schwarze Lehrergewerkschaft weitere dreißig Runden lang verhandeln, zieht die SPÖ das neue Lehrerdienstrecht eben gemeinsam mit FPÖ und Grünen durch. So manchem ÖVPler wäre das insgeheim wahrscheinlich sogar recht.
Im Chaos muss der Partnertausch nicht münden, schließlich kann die Regierung – vom Budget bis zum Misstrauensantrag – präzise Grenzen setzen. Gelegentlich werden im politischen Freiraum die Fetzen fliegen, doch das ist besser als Totenstille im großkoalitionären Grab.