Versuchung statt Vertrauen
Sie erinnern sich noch an die legendäre Parlamentsnacht Ende September 2008? Damals beschlossen die Parteien kurz vor der Nationalratswahl mit wild wechselnden Mehrheiten noch schnell ein paar Goodies für ihre Kernschichten – die in Summe fette 2,8 Milliarden ausmachten: den Wegfall der Studiengebühren, die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Medikamente, einen neuen Heizkostenzuschuss für Mindestpensionisten und so weiter und so fort.
Gestehen sich SPÖ und ÖVP bei einem gemeinsamen Weiterregieren koalitionsfreie Räume zu, würden damit Abstimmungstohuwabohus wie einst Tür und Tor geöffnet. Denn für beide Parteien wäre die Versuchung bei Verhandlungsblockaden – für die Rot und Schwarz ohnehin berühmt-berüchtigt sind – allzu groß, sich eben andere Mehrheiten im Nationalrat für ihre Anliegen zu suchen.
Kein Regierungspakt kann derart eng geschnürt, kein koalitionsfreier Raum begrenzt genug definiert sein, dass sich die Klubobleute mit ihren erfahrenen Stäben nicht sofort auf die Suche nach allen Schlupflöchern begeben würden, um mit anderen Partnern möglichst oft gemeinsame Sache zu machen. Und absehbar ist auch: Nach dem ersten Seitensprung – selbst wenn legitimiert – wäre das Vertrauen zwischen Genossen und Bürgerlichen wieder einmal zerrüttet – und ihr ewiger Dauerstreit, den ja angeblich alle so satthaben, für ein weiteres halbes Jahrzehnt prolongiert.