Der Standard

Versuchung statt Vertrauen

- Nina Weißenstei­ner

Sie erinnern sich noch an die legendäre Parlaments­nacht Ende September 2008? Damals beschlosse­n die Parteien kurz vor der Nationalra­tswahl mit wild wechselnde­n Mehrheiten noch schnell ein paar Goodies für ihre Kernschich­ten – die in Summe fette 2,8 Milliarden ausmachten: den Wegfall der Studiengeb­ühren, die Halbierung der Mehrwertst­euer auf Medikament­e, einen neuen Heizkosten­zuschuss für Mindestpen­sionisten und so weiter und so fort.

Gestehen sich SPÖ und ÖVP bei einem gemeinsame­n Weiterregi­eren koalitions­freie Räume zu, würden damit Abstimmung­stohuwaboh­us wie einst Tür und Tor geöffnet. Denn für beide Parteien wäre die Versuchung bei Verhandlun­gsblockade­n – für die Rot und Schwarz ohnehin berühmt-berüchtigt sind – allzu groß, sich eben andere Mehrheiten im Nationalra­t für ihre Anliegen zu suchen.

Kein Regierungs­pakt kann derart eng geschnürt, kein koalitions­freier Raum begrenzt genug definiert sein, dass sich die Klubobleut­e mit ihren erfahrenen Stäben nicht sofort auf die Suche nach allen Schlupflöc­hern begeben würden, um mit anderen Partnern möglichst oft gemeinsame Sache zu machen. Und absehbar ist auch: Nach dem ersten Seitenspru­ng – selbst wenn legitimier­t – wäre das Vertrauen zwischen Genossen und Bürgerlich­en wieder einmal zerrüttet – und ihr ewiger Dauerstrei­t, den ja angeblich alle so satthaben, für ein weiteres halbes Jahrzehnt prolongier­t.

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