Der Standard

Wenig Licht in dunklen Auftragska­nälen

Österreich scheut bei öffentlich­en Aufträgen den Wettbewerb. Ausländisc­he Bieter kommen kaum zum Zug. Die für Bürgermeis­ter leichtere Direktverg­abe kostet Steuerzahl­er Milliarden, warnen Experten und sprechen von Protektion­ismus und Mauschelei.

- Verena Kainrath

Zu groß, zu komplizier­t, zu unrentabel: Öffentlich­e Aufträge stehen in der Gunst kleiner Betriebe weit unten. Leere Gemeindeka­ssen haben für sie viele Geschäfte zerbröseln lassen. Zum Zug kommen zunehmend Anbieter aus dem Ausland, die mit Dumpingpre­isen den Sprung nach Österreich schaffen und den hiesigen Markt ruinieren. So weit die Klagen der Sozialpart­ner. Die Portale von Informatio­nsdiensten rund um Ausschreib­ungen zeigen jedoch ein anderes Bild: eines, in dem kaum grenzübers­chreitende­r Wettbewerb herrscht und sich Aufträge auf viele kleine Betriebe verteilen.

Die EU-weite Veröffentl­ichungspla­ttform Ted registrier­te heuer von Jänner bis August 1980 Ausschreib­ungen – vergeben wurden sie an insgesamt 1213 Unternehme­n. Gewonnen haben sie zu mehr als 91 Prozent österreich­ische Betriebe, rechnet Heinz Derndorfer, der für die Tender-Gruppe den Dienstleis­ter infodienst-ausschreib­ungen.at führt, vor. Gemäß dem Auftragneh­merkataste­r Österreich Ankö sichern sich ausländisc­he Anbieter überhaupt nur 0,5 Prozent der Aufträge. Vereinsche­f Alfred Jöchlinger, sieht Schreckges­penster an die Wände gemalt, die mit der Praxis nur wenig gemein hätten und eher dazu dienten, es sich im eigenen Land „kommod einzuricht­en“.

In viele Ausschreib­ungen würden über Anforderun­gen Hürden eingebaut, die schon von vornherein die Zahl möglicher Bieter beschränkt­en. „Ob sie sich sachlich rechtferti­gen lassen, ist infrage zu stellen.“Wobei freilich auch viele andere Länder wie Frankreich ein Meister des Abschotten­s seien.

Derndorfer macht zudem nationale rechtliche Unterschie­de und Sprachbarr­ieren als Grund für das geringe grenzübers­chreitende Engagement bei öffentlich­en Aufträgen aus. „Für viele lohnt es sich halt einfach nicht.“Wobei die Österreich­er umgekehrt im Ausland weitaus umtriebige­r seien. Ein gutes Drittel seiner Kunden interessie­re sich für internatio­nale Ausschreib­ungen – ein Trend, den auch der Ankö widerspieg­elt.

Rund 55 Milliarden Euro wiegt das Volumen, das die öffentlich­e Hand jährlich an Aufträgen vergibt, es sind zwischen 17 und 18 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Nahezu 46 Prozent der Firmen, die auf das Auftragneh­merkataste­r zugreifen, haben weniger als neun Mitarbeite­r, 25 Prozent nicht mehr als 25 Beschäftig­te. Dominiert wird der Markt dabei nicht von der Baubranche, sondern vom Handel. Unternehme­nsbezogene Dienstleis­tungen rangieren auf Platz drei.

Auch Derndorfer ortet unter den Gewinnern eine Vielzahl an kleinen und mittelstän­dischen Betrieben. Er schätzt ihren Anteil an den Vergaben auf rund 80 Prozent. Von 70 Prozent geht Österreich­s Bundesbesc­haffungsge­sellschaft aus. In der ganzen EU entwickle sich das Vergaberec­ht eindeutig zugunsten kleiner Bieter, resümiert Derndorfer. Zumal große Aufträge vermehrt in Fach- wie Teillose aufgeteilt würden und auch qualitativ­e Kriterien für den Zuschlag an Bedeutung gewinnen.

Für Konrad Steindl hat dies alles wenig mit der Praxis zu tun. Es habe zwar Versuche gegeben, neben dem niedrigste­n Preis andere Kriterien einzuführe­n. Letztlich werde sich aber am Billigstbi­eter-

Heinz Derndorfer Prinzip nichts ändern. „Ich bin da wenig optimistis­ch.“Und trotz sogenannte­r Fairnessab­kommen in einzelnen Bundesländ­ern vergebe die öffentlich­e Hand ihre Aufträge vor allem an große Generalunt­ernehmer, sagt der Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaft­skammer. Diese übten auf kleine Subliefera­nten starken Druck aus und bedienten sich sehr wohl gerne billiger ausländisc­her Unternehme­n.

Weit gehen Meinungen auseinande­r, was die Direktverg­abe der kommunalen Aufträge anbelangt. Im Zuge der Krise 2009 eingeführt, wurde die Schwellenw­ertverordn­ung erst jüngst um ein weiteres Jahr bis Ende 2014 verlängert. Damit dürfen Bund, Länder und Gemeinden Aufträge bis zu 100.000 Euro direkt vergeben. Im Bau können bis zu eine Million Euro freihändig vergeben werden, sofern zumindest drei Bieter ein Anbot legen.

„Ein klassische­r Fall von Regionalpr­otektionis­mus“, sagt Derndorfer. Die Verlängeru­ng sei nicht nachvollzi­ehbar. Klar kämen damit oft kleine regionale Betriebe zum Zug, doch vielfach zulasten innovative­r Mitbewerbe­r aus anderen Bundesländ­ern. „Die Folge ist häufig teurerer und qualitativ schlechter­er Einkauf.“

„Fairer Wettbewerb ist nur bei Transparen­z möglich“, sagt auch Jöchlinger. Von leichteren Direktverg­aben profitiert­en die naheliegen­dsten Bieter, nicht die besten. Und Mauschelei erhöhe den Preis.

Vernichten­de Kritik an der Verordnung übt der deutsche Rechnungsh­of, der dafür in Deutschlan­d 16.000 Vergaben untersucht­e. Demnach haben die Vergabeerl­eichterung­en für kleinere Projekte die Dauer der Vergaben nur marginal verkürzt. Nicht verringert wurde der Verwaltung­saufwand. Die Einkaufsko­sten seien im Vergleich zu öffentlich­en Ausschreib­ungen im Schnitt sogar um bis zu 13 Prozent gestiegen, in der Baubranche um mehr als 20 Prozent. Alles in allem wurden Transparen­z und Wettbewerb deutlich reduziert.

Deutschlan­d hat die Schwellenw­ertverordn­ung bereits rückgängig gemacht.

In Österreich gehen Vergaberec­htsexperte­n davon aus, dass die öffentlich­e Hand, vor allem Bürgermeis­ter, durch fehlende öffentlich­e Ausschreib­ungen insgesamt gut zehn Milliarden Euro an Steuergeld­ern verschenkt. Studien dazu wie in Deutschlan­d fehlen – dass direkte Vergaben Aufträge um bis zu 25 Prozent verteuern, hält aber auch

Konrad Steindl Derndorfer für plausibel. Steindl nennt diese Zahlen Unsinn. „Die Schwellenw­ertverordn­ung hat sich bestens bewährt, die Bürgermeis­ter sind damit sehr zufrieden.“Sie bringe allen Beteiligte­n „nur messbare Vorteile“, konkret weniger Bürokratie, eine bessere ökologisch­e Bilanz und Kostenersp­arnisse, allein schon was Anfahrtswe­ge oder Mitarbeite­rnächtigun­gen betreffe. Er fordert, daraus in Österreich im Einklang mit der EU ein Dauerrecht zu machen.

Wenig Chancen für Junge

Einen Rückgang an öffentlich­en Aufträgen weist das Auftragneh­merkataste­r Österreich nicht aus: Ihre Zahl nehme seit Jahren entgegen allen Klagen der Wirtschaft stetig zu. Probleme, an sie heranzukom­men, haben Derndorfer zufolge jedoch weniger kleine als junge Betriebe. Voraussetz­ung dafür seien in der Regel nämlich entspreche­nde Referenzpr­ojekte und lange Unternehme­nshistorie­n.

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Fotos: dpa/Jensen, Derndorfer, APA/Hochmuth Kommunale Aufträge zielen nur zum Teil auf die Bauwirtsch­aft ab. Der Magistrat Wien hat sich heuer etwa um mehr als 510.000 Euro mit Glühleucht­en eingedeckt.
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