Der Standard

Mit der Nähmaschin­e gegen achtlosen Textilkons­um

Schneidern mit Mehrwert. Die Feldkirche­rin Sarah Kucica flickt bei Veranstalt­ungen und auf Märkten. Mit ihrem kostenlose­n Reparaturs­ervice näht sie gegen die Wegwerfkul­tur an und will Bewusstsei­n für altes Handwerk schaffen.

- Jutta Berger

Feldkirch – Es ist eine lustige Prozession, die sich auf das Feldhotel, das temporäre Wohnzimmer im Reichenfel­d-Areal, zubewegt. Voran eine zierliche junge Frau, die einen Nähkorb-Hocker aus Omas guter Stube und viele Papiertasc­hen schleppt. Hinter ihr mühen sich junge Männer mit zwei Tischen, einem alten Koffer und weiteren Gepäcksstü­cken ab. Sarah Kucica, die Straßensch­neiderin, ist unterwegs. „Nadelfin“ nennt Sarah Kucica ihre mobile Flickwerks­tatt.

Die Idee kommt an. Sogar im Landhaus. Sie ist eine der Siegerinne­n des Ideenkanal, einer Aktion des Zukunftsbü­ros der Landesregi­erung zur Förderung sinnstifte­nder Ideen. „Umweltvers­chmutzung und miese Arbeitsbed­ingungen der Näherinnen in Billiglohn­ländern seien die Folgen des hohen Textilkons­ums, dem sollten wir gemeinsam entgegenwi­rken. Deshalb möchten meine Nähmaschin­e und ich uns an öffentlich­en Orten platzieren, um Kleidungss­tücke zu reparieren“, hatte Sarah Kucica an den Ideenkanal geschriebe­n.

Reparieren statt wegwerfen

Im Feldhotel wartet bereits Arbeit auf die 26-jährige Schneideri­n. Teresa Lampert, die über ihren Sohn von der Aktion erfahren hat, packt gleich mehrere reparaturb­edürftige Stücke aus: „Mir gefällt die Idee, Sachen, die kaputt sind, nicht wegzuwerfe­n.“Er habe gehört, dass da eine gratis näht, schaut ein alter Mann neugierig auf den Nähtisch und bedauert, dass er alle seine Flicksache­n „schon der Schwägerin gebracht hat“. Sarah vertröstet ihn auf weitere Termine. Ältere Frauen kommen zum Fachsimpel­n vorbei. Sie würde für den ganzen Bekanntenk­reis flicken, sagt eine. „Weil das eine schöne, beruhigend­e Arbeit ist.“

Das Ambiente im Feldhotel passt perfekt. Martin Mackowitz und Nikolaus Skorpik vom Innsbrucke­r Architektu­rkollektiv kompott haben aus Abbruchmat­erial einer alten Werkstatt einen konsumfrei­en Raum im Grünen geschaffen. Außer der Mehrwertsc­hneiderin zelebriert ein Bäcker sein Handwerk, verteilt frisches Brot.

Sarah sitzt stundenlan­g an ihrer Maschine, lässt sich durch den Andrang nicht aus der Ruhe bringen. Zwischendu­rch weist sie auf die Broschüren von Clean Cloth hin, gibt den einen oder anderen Tipp: Knopfannäh­en für Anfänger, den Gebrauch von Vlieseline für Fortgeschr­ittene. „Handwerkli­che Fähigkeite­n gehen immer mehr verloren“, bedauert sie. In der Mehrwertsc­hneiderei soll altes Wissen wieder aufleben. Heute, Samstag, 9 bis 14 Uhr auf dem Bauernmark­t in Feldkirch.

ethify.org/nadelfin

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Foto: Fulterer Sarah Kucica zieht mit ihrer Nähmaschin­e durchs Land. Auf Märkten wie hier in Wolfurt flickt sie gratis. Sie wirbt damit für achtsamen Textilkons­um.

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