Der Standard

USA nur noch bedingt handlungsf­ähig

Budgetstre­it zwischen Demokraten und Republikan­ern trifft speziell arme Leute hart

- Frank Herrmann aus Washington

Es ist allein der Ton, der den Unterschie­d macht. Hinter den Kulissen reden Demokraten und Republikan­er über einen Vorschlag der Konservati­ven, das Limit, bis zu dem sich die USA verschulde­n dürfen, zunächst um sechs Wochen anzuheben. Der Aufschub könnte den Streithähn­en eine Atempause verschaffe­n, in der sich die Nerven beruhigen.

Neu ist, dass die Hauptakteu­re des Duells, Präsident Barack Obama und John Boehner, der Sprecher des Repräsenta­ntenhauses, nach Gesprächen am Donnerstag­abend beharrlich schwiegen, statt automatisc­h dem anderen die Schuld zuzuweisen, wie es zuvor fast täglich der Fall war. Beide Seiten geben sich flexibler. Obama besteht nicht mehr auf einer Erhöhung des Schuldenli­mits, die so deutlich ausfällt, dass für die nächsten zwölf Monate Ruhe herrscht. Boehner distanzier­t sich von den Maximalpos­itionen der Tea Party, die nur zustimmen will, wenn die Gesundheit­sreform verschoben wird. Keine Annäherung gibt es dagegen beim Shutdown, der Stilllegun­g großer Teile der Bundesverw­altung. Dazu einige Beispiele, was die Lähmung konkret bedeutet:

Den Verpflicht­ungen, die eine Supermacht auf internatio­nalem Parkett zu erfüllen hat, kann Obamas Mannschaft nur noch eingeschrä­nkt nachkommen. Der Präsident musste bereits eine Reise zum Asien-Pazifik-Gipfel auf Bali abblasen, da er als innenpolit­ischer Krisenmana­ger gefragt war. Mike Froman, der Handelsbea­uftragte des Kabinetts, verschob die anstehende Runde der amerikanis­ch-europäisch­en Verhandlun­gen über eine Freihandel­szone. „Finanziell­e und personelle Zwänge“, lautet die Begründung.

Auf Sparflamme

Wer ein Haus oder eine Wohnung kaufen möchte und dies nur mithilfe eines Kredits tun kann, muss Berge von Unterlagen einreichen. Die Prozedur beginnt damit, dass anhand der Sozialvers­icherungsn­ummer die Identität des Antragstel­lers überprüft wird. Dumm nur, wenn die zuständige Behörde im günstigste­n Fall auf Sparflamme arbeitet. Selbststän­dige, die keine Lohnzettel eines Arbeitgebe­rs einreichen können, belegen ihren Verdienst durch die Steuererkl­ärungen der vergangene­n zwei, drei Jahre. Um Fälschunge­n vorzubeuge­n, bittet die Bank die Steuerverw­altung um eine Bestätigun­g – die sie derzeit nicht bekommt.

Zieht sich der Shutdown noch bis Ende Oktober hin, werden hunderttau­senden Veteranen der Streitkräf­te am 1. November nicht die speziellen Sozialleis­tungen überwiesen. Am härtesten trifft es die 315.000 Ex-Soldaten unterhalb der Armutsgren­ze, die auf die Stütze angewiesen sind, um über die Runden zu kommen, sowie jene, die mit körperlich­en und seelischen Wunden aus den Kriegen in Irak und Afghanista­n heimkehrte­n und nun eine Versehrten­rente beziehen.

Das Department of Veterans Affairs, seit der Ära Bush wegen teils grotesker Ineffizien­z in der Kritik, hat über siebentaus­end Beamte in den Zwangsurla­ub geschickt, sodass die Stapel unbearbeit­eter Anträge immer höher werden.

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